Düsseldorf. 23 Hells Angels verklagen das Land: Sie fordern Geld, Kutten, eine Harley zurück. Die hatten Polizisten nach einem Vereinsverbot beschlagnahmt.

Sie wollen ihre Kutten zurück, ein Motorrad und auch die Kohle: 23 Rocker verklagen das Land NRW auf Herausgabe ihres „Privateigentums“. Geld und Gegenstände, bei einer Großrazzia beschlagnahmt, gehörten nämlich gar nicht den „Hells Angels“, erklärten sie am Mittwoch vor Gericht. Sondern den Rockern persönlich. Oder ihrer Firma. Oder ihren Frauen.

Sie kamen im Morgengrauen an jenem 17. Oktober vor zwei Jahren, mehr als 700 Polizisten unter Führung der Essener Behörde, und sie nahmen aus 55 Wohnungen in 16 Städten alles mit, was irgendwie nach Rockern aussah. Also elf Motorräder, 88.000 Euro Bargeld, 45 Kutten mit dem Wappen der „Hells Angels“, aber auch Revolver, Gewehre und eine Armbrust. Kurz zuvor hatte das Innenministerium die „Hells Angels MC Concrete City“ und ihre Teilorganisation „Clan 81 Germany“ verboten. „Die Mitglieder des Vereins sind nachweislich kriminell“, sagte Minister Herbert Reul (CDU) am Tag danach. „Ihr Alltag besteht aus Gewalt, Waffen, Drogen und Zwangsprostitution.“

Ein Motorradclub ohne Motorräder

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Nach den Waffen fragt natürlich keiner der Betroffenen, dieser Teil der Razzia fällt unter das Strafrecht. Aber die persönlichen Wertsachen hätten die Rocker gern wieder. Seine Harley verlangt ein Autohändler aus Kevelaer, einen Umschlag mit rund 13.000 Euro ein anderer, ein dritter bekam seine teure Uhr bereits zurück. 23 Verfahren muss das Verwaltungsgericht Düsseldorf abarbeiten, die ersten vier Kläger hörte es am Mittwoch an. „Klimbim“, wie ein Gerichtssprecher sagt, war dabei auch unter den Dingen, die die Einsatzkräfte angeblich unrechtmäßig einpackten: Kaffeetassen, Stempel, Abzeichen, Dosen mit Münzgeld. Bei einem der Kläger vom Mittwoch umfasst die Liste fünf DIN A 4-Seiten.

Die Motorräder zog das Land ein, weil sie juristisch als „Mittel“ gälten, Straftaten zu verüben. „Vereinsvermögen im weiteren Sinne, zur Förderung strafrechtswidriger Zwecke und Tätigkeiten bestimmt“, heißt es im Text des Vereinsverbots. So urteilte auch schon das Oberverwaltungsgericht in einem Eilverfahren. Sein nur zeitweilig überhaupt angemeldetes Motorrad, argumentiert indes der Autohändler, also jenes, das nun schon zwei Jahre in der Asservatenkammer parkt, gehöre gar nicht ihm, sondern seiner Ehefrau. Es sei nie genutzt worden und schon gar nicht für Ausfahrten mit dem Motorradclub. Überhaupt hätten nur zehn der 39 Mitglieder überhaupt ein Motorrad besessen, seien damit nur einmal gemeinsam unterwegs gewesen und das ohne Kutte: in Paris, nicht in Erkrath.

„Kein Taubenverein, der sein Geld nebenbei durch Drogengeschäfte verdient“

„Ausstellung“ im Landeskriminalamt: Die Polizei zeigt die bei der Razzia im Oktober 2017 sichergestellten Kutten, Waffen und sonstigen Gegenstände der Rocker.
„Ausstellung“ im Landeskriminalamt: Die Polizei zeigt die bei der Razzia im Oktober 2017 sichergestellten Kutten, Waffen und sonstigen Gegenstände der Rocker. © dpa | Rolf Vennenbernd

Dort besonders habe der Verein für Angst und Schrecken gesorgt, sagt das Land: Die „Angels“ hätten mit ihren Krädern vor Cafés anderer Banden „Drohkulissen aufgebaut“, es sei darum gegangen, ihre „Alleinherrschaft zu sichern“. Unwahr, wiederholt deren Anwalt: „Es gibt im Raum Erkrath überhaupt keine Konkurrenz.“ Mehrfach unterbricht er damit den Vertreter des Landes, bis die Vorsitzende Richtern Jana Lorenz einschreitet: „Es geht hier um einen Motorradverein, nicht um einen Taubenverein, der sich nebenbei sein Geld durch Drogengeschäfte verdient.“

Apropos: Die 4050 Euro, die Polizisten bei dem Mann aus Kevelaer in einer Bauchtasche fanden, gehörten seiner Firma, behauptet der Kläger. In seiner Autowerkstatt werde oft bar bezahlt, er besitze aber keinen Tresor. „Das ist mir zu unsicher“, in der Gegend werde oft eingebrochen. Geld, erklärt der grauhaarige Rocker, hole er am Schalter der Volksbank. Zudem sei er keinesfalls der Schatzmeister des Vereins gewesen, womit die Ermittler sich das Geld in der Gürteltasche erklären. „Treasurer“, sagen die Rocker, „Kassenwart“, formuliert der Anwalt der Gegenseite. Auch bei anderen wurde Klägern Bargeld konfisziert, meist in Umschlägen.

Beim Innenminister „sicher verwahrt“

Vier Männer erklären am Mittwoch in Düsseldorf, woher es stammt und warum es ihnen gehört und nicht dem Verein. In 19 weiteren Zivilprozessen werden Einzelrichter in den kommenden Wochen entscheiden, ob die Beschlagnahme rechtens war. Wie sagte Innenminister Reul: „Wenn die Damen und Herren aus diesem Club der Meinung sind, das wäre falsch, gibt es die Möglichkeit, das zu beweisen. Die (Sachen) sind jetzt bei uns und stehen sicher verwahrt.“

>> INFO: VERBOTE VON ROCKERCLUBS IN NRW

Ein Landesinnenministerium kann einen Motorradclub nach Artikel 9, Absatz 2 des Grundgesetzes verbieten, wenn es ins Vereinsgesetz eine entsprechende Verbotsverfügung schreibt. Dafür ist der Nachweis zu erbringen, dass der Zweck des Clubs den Gesetzen zuwiderläuft. Als Konsequenz aus einem Verbot erfolgt die Beschlagnahme des Vereinsbesitzes.

Die Hells Angels Düsseldorf sind bereits seit 2001 verboten. 2012 verbot der damalige NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) die Bandidos Aachen sowie die Hells Angels Köln. Sein Nachfolger im Amt, Herbert Reul, untersagte 2017 nach einer Massenschlägerei in Erkrath das Hells Angels-Charter Concrete City. Begründung: Der Club sei kriminell, sei mit Zwangsprostitution, Landfriedensbruch, Bedrohung und immer wieder Gewalttaten aufgefallen. Die Zeichen des Vereins dürfen nicht mehr öffentlich getragen werden.