Ruhrgebiet. Der Klimawandel verändert die Kleingärten enorm. „Wir können nicht weitermachen wie bisher“, heißt es. In Dortmund gibt es Tipps dazu, was hilft.
Nicht wiederzuerkennen, der Pflücksalat. Irgendwann hat er sich zu blühen entschieden, hat – ganz normal – meterlange Stiele ausgetrieben, an denen nun letzte braune Blätter traurig hängen. Brigitte Bornmann-Lemm wird noch etwas warten, so lange, bis sie das Saatgut aus dem Salat schütteln kann; dann wird das Hochbeet frei und mit Feldsalat bepflanzt.
Mit der Bepflanzung im Winter schützt sie Bodenlebewesen, hält die Erde feuchter – und widerspricht der Praxis vieler Schrebergärtner, ihre Beete im Winter offenzuhalten. Aber sie sollten nochmal überlegen, über offene Beete und manches andere. Denn der Klimawandel ist angekommen im Kleingarten.
„Wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir so wie bisher nicht weitermachen können“
Freudig begrüßt wurde er nicht. „Wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir so wie bisher nicht weitermachen können“, sagt Stefan Bevc, der Vorsitzende des Bezirksverbandes Castrop-Rauxel/Waltrop. Er hatte 2019 erstmals eine Banane an seiner Staude, „und die hat noch nie etwas getragen“. Alarmstufe gelb. Ach, wäre ihm doch ein Granatapfel gewachsen.
Was tun? Da trifft es sich gut, dass Brigitte Bornmann-Lemm etliche Standbeine hat. Zwei sind diese: Sie ist die Vorsitzende des „Gartenvereins Dortmund-Nord“, und zugleich ist sie Mitglied des Naturschutzbundes „Nabu“ und betreut dessen Versuchs-, Lehr- und Lerngarten in der Anlage; einen der wenigen Nabu-Gärten im Ruhrgebiet. Er grünt so grün Mitte September, „dabei habe ich bis auf das Gemüse kaum gegossen“, sagt die 56-Jährige.
Fette Henne und Hauswurz sind heimisch und ertragen Trockenheit gut
Aber, zum Beispiel, schon früh umgesteuert in Richtung Pflanzen, die Trockenheit aushalten. Fette Henne und Hauswurz etwa, und die sind auch schon immer hier heimisch. Vielleicht kommt es aber auch so wie in einem Garten wenige Meter weiter: Dort wachsen inzwischen Auberginen, Feigen, Chili und Portugiesischer Kohl.
Doch zurück. Zweimal im Monat öffnet sich der Nabu-Garten für Besucher, und das werden immer mehr. Viele Menschen bitten Bornmann-Lemm dann um Tipps. „Bei jeder Führung habe ich zwei, die sagen: Eine Vogeltränke hilft schon? Dann mache ich das auch.“ Oder was auch jeder machen kann: Regenwasser aufzufangen. Einen Komposthaufen anzulegen. Mehrere Wasserstellen. Nicht warmen Boden mit dem Schlauch besprühen, sondern Pflanzen an der Wurzel gießen. „Kein Gift, kein Torf, kein Dünger“, sagt sie.
Poröse Gummischläuche unter der Erde mit drucklosem Wasser senken den Verbrauch
Hört man sich um in den Gärten, dann können sie dort die Erwärmung anfassen. „Passionsblumen treiben Früchte aus“, wird erzählt. „Wir sehen Gräser, fast schon so groß wie Getreide.“ „Der Eichenprozessionsspinner.“ „Das Obst, das früher aus Italien kam, ist jetzt bei uns.“ „Das Laub der Apfel- und Birnbäume wird früher braun.“ Und so weiter, und so fort.
Was tun? Auch eine Frage des Alters. Daniel Pawlak etwa wässert sein Gemüse jetzt aus porösen Gummischläuchen unter der Erde, durch die das Wasser drucklos fließt. Der Wasserverbrauch soll dadurch um 70 Prozent sinken. Aber Pawlak ist auch erst 34, er wird noch ein paar Jahrzehnte in die Sonne blinzeln.
„Das Problem ist, dass jede Veränderung erst mal als negativ gilt“
Viele Ältere aber, heißt es, machen weiter wie gehabt. „Das Problem ist, dass jede Veränderung erst mal als negativ gilt“, sagt der oberste Kleingärtner von Duisburg, Turgay Diker. Tatsächlich müssen sie in vielen Anlagen sogar dagegen kämpfen, dass einzelne Leute Schotter-Kleingärten anlegen.
Veränderung ist also auch im Kleingarten eine Schnecke. So lernen etwa die vorgeschriebenen Fachberater inzwischen dieselben Inhalte, die auch Umweltschutzorganisationen vertreten; doch dauert es natürlich, bis das durchsickert. Die Lehre vom samenfesten Saatgut etwa.
Sie stellen Bienenstände auf, legen Blühwiesen an, pflanzen Bäume
Das ist Saatgut, aus dessen Pflanzen der Gärtner immer wieder das Saatgut für das nächste Jahr entnehmen kann – handelsübliches Saatgut ist dagegen steril oder bringt ab der zweiten Generation Pflanzen mit veränderten Eigenschaften hervor. „Traditionelle Gemüsesorten mit samenfestem Saatgut würden sich in sieben bis zehn Generationen den heutigen Umständen anpassen“, sagt Bornmann-Lemm, die Dortmunderin.
Aber sie tun ja was. Die Not der Bienen hat viele Vereine bewegt, inzwischen gibt es Bienenstände und Insektenhotels allerorts. In Bochum legen sie vermehrt Blühwiesen an, in Duisburg verabschieden sie manche verdiente Pflanze („Kirschlorbeer und Koniferen sind ökologisch so wertvoll wie eine Betonwand“, sagt Turgay Diker), und praktisch überall pflanzen sie Bäume. 74 Obstbäume allein im Herbst in Mülheim. Und wenn sie wüssten, das morgen die Welt untergeht.