Essen. Früher war ihr Wort Gesetz. Heute werden Schwimmmeister von Badegästen tätlich angegangen. Experten erklären, wie das passieren konnte.
Dass Schwimmmeister in Bädern nicht mehr für Ruhe und Ordnung sorgen können, dass sie gar selbst von Badegästen angegriffen werden, nennt Carsten Ullrich, Soziologie-Professor an der Uni Duisburg-Essen, „eine relativ neue Entwicklung, aber nichts spezifisch Neues“.
Mangelnden Respekt vor Autoritätspersonen beobachte er seit langen, auch im eigenen Haus. Das habe mit einem generellen Wertewandel, einem „veränderten Gesamtbild der Gesellschaft“ zu tun und fange bei der Anrede in unserer Internetkommunikation an: „Hallo“ statt „sehr geehrter“ stehe für einen Rückgang der Höflichkeitsformen, auch wenn es sich nur um eine Kleinigkeit handele. Die „Verrohung der Umgangsformen“, so Ullrich, sei zugleich ein weit verbreitetes Phänomen und nicht allein bestimmten Gruppen anzulasten, „Das ist viel breiter verteilt, als man zunächst glauben könnte.“
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Gewalttätige Übergriffe auf Amtspersonen kämen zwar typischerweise von jüngeren, männlichen, weniger gebildeten Personen. „Aber auch der hochqualifizierten Mutter, die in wohl gewählten Worten die Lehrerin ihres Kindes abbügelt, mangelt es an Respekt.“
„Die wollen, dass der Bademeister kommt und ihren Dreck aufhebt“
Der Soziologe macht zudem eine zunehmende „Dienstleistungsorientierung“ unserer Gesellschaft mit verantwortlich für die Entwicklung. Immer mehr Menschen, findet er, forderten heute nur noch: Mach mal, tu das, stell mir Service zur Verfügung! „Die wollen nicht, dass der Bademeister kommt und verlangt, dass sie ihren Müll aufheben. Die wollen, dass der für sie den Dreck wegmacht.“
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Was gegen das Schwinden des Respekts und gegen Übergriffe helfe? In der akuten Situation: Deeskalieren! Und grundsätzlich: „Empathie üben“, sagt der Experte. Viele Schulen leisteten da bereits hervorragende Arbeit. „Aber das dauert seine Zeit.“
Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hat eigenes Dezernat für Übergriffe auf Amtspersonen
Julius Sterzel ist stellvertretender Leiter des Dezernats 82 bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft, das sich seit September 2018 mit Übergriffen auf Polizisten, Rettungskräfte oder Mitarbeiter von Ordnungsdiensten befasst. Auch er sagt: „Den typischen Täter gibt es nicht. „Es sind keineswegs immer nur Jugendliche, die auffallen.“
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Ob die Respektlosigkeit gegenüber Personen mit öffentlichen Aufgaben zugenommen habe und über Gründe dafür vermag der Staatsanwalt nichts zu sagen. „Früher wurden diese Delikte ja nicht zentral erfasst. Und stichhaltige Statistiken gibt es nicht.“ Aber: Seiner Dezernatsleiterin Britta Zur kamen so schnell so viele Fälle auf den Tisch, dass ihr bereits im Januar, nur vier Monate nach Gründung des Dezernats, ein zweiter Staatsanwalt zur Unterstützung bewilligt wurde.