Oberhausen. . Stau am Rhein-Herne-Kanal: Aus einer Inspektion der Schleusen-Kammer in Oberhausen wird eine längere Reparatur. Ein Besuch „unter Wasser“.
Waltraud muss warten. Vier Schiffe dümpeln schon im Oberwasser, gerade biegt ein fünftes um die Ecke, Stau auf dem Rhein-Herne-Kanal! Waltraud mit ihrer Kohle will nach oben, aber die Schleuse in Oberhausen ist gerade Einbahnstraße, in wechselnden Richtungen: Aus einer von zwei Kammern haben sie das Wasser abgelassen. „Wir liegen“, sagt Bauüberwacher Thorsten Kawetzki, „20 Wochen trocken.“
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Jedenfalls wird das noch bis Ende Juni so sein, und mal wieder war damit nicht zu rechnen. Jedenfalls nicht so. Im März schon hat die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung das nördliche Becken geschlossen, Taucher zogen „Eindämmwände“ aus Stahlträgern ein, innerhalb eines Tages wurden 30 Millionen Liter Wasser hinausgepumpt – Bauwerksprüfung. „Wir gucken alles an“, erklärt Willi Bornemann, Chef des Außenbezirks Duisburg-Meiderich, alle sechs Jahre machen sie das.
Schrauben haben 15 Wochen Lieferzeit
Aber „wie das mit den Schleusen im Ruhrgebiet so ist“: Sie entdeckten Brüche im Beton hier, Rost da, aber vor allem die verschlissen Lager des Schleusentores West. „Das fährt nicht mehr sauber“, die Schleusenwärter oben im Turm hatten es schon gehört. Neue Schrauben waren schnell bestellt, die Sonderanfertigung läuft weniger flott: Lieferzeit 15 Wochen. „Also haben wir das Tor ausgebaut.“ Ein schwerer Kran hob es vergangene Woche aus den Angeln, nun liegen 30 Tonnen Tor darnieder auf Sand zwischen toten Süßwassermuscheln. An der Schalttafel in luftiger Höhe leuchtet die Taste „Sammelstörmeldung“ rot.
Arbeiter einer Firma aus Herne schleifen mit Mundschutz und in Schutzanzügen Rost von den nun freiliegenden Scharnieren. Den Kran, der sie trägt, ein ebenfalls tonnenschweres Exemplar mit 30 Metern Ausleger, hat man zehn Meter tief in die trockene Schleusenkammer gewuchtet. Dass hier sonst das Wasser steht, ist nur am Moos an den Betonwänden zu erahnen – und an den Wasserkanten: fünf Meter hoch für den Kanal in Richtung Duisburg, neun Richtung Gelsenkirchen, Unterschied 10.000 Kubikmeter Wasser. Das ist nicht einmal viel, die Schleuse in Meiderich ist doppelt so tief. Die Pfützen auf dem Boden sind übrigens vom Regen.
Teile der alten Schleuse liegen noch unter der Wiese
Das abgepumpte Wasser hat Dinge freigelegt, von denen sonst nur die Ingenieure wissen und die Taucher, die hin und wieder hier unten kontrollieren. Schwere Betonklötze, die als „Energievernichter“ die Strömung aufhalten sollen, wenn es „zu Tal“ geht. Den Unterleib der Schwimmpoller, an denen die Schiffe festmachen – moderner als die im Wesel-Datteln-Kanal, die unter der Last des Alters marode geworden sind. Aber die Schleusen am Rhein-Herne-Kanal sind jünger, ihre „Neu“-Bauten stammen aus den 80er-Jahren. Teile der alten Schleuse in Oberhausen, verrät Willi Bornemann, liegen noch nebenan unter der Wiese.
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Die Aufhängung des Fangnetzes haben sie schon repariert, frisch überholt hängt es am Ende der Schleusenkammer, bereit, ein Schiff zu stoppen, das nicht rechtzeitig bremsen kann. Experten haben mit bunter Farbe Löcher im Beton markiert, die man auch mit bloßem Auge sieht. Viele Bauteile, sieht Bauüberwacher Thorsten Kawetzki, „müssten abgestrahlt werden“, die Korrosion. Aber was sie hier meistens machen, sind bloß „Notreparaturen, damit die Anlagen laufen können“. Dabei ist das Problem gar nicht mal das Geld, sagt Wasserstraßen-Chef Bornemann: „Wir finden keine Ingenieure.“
Im Flutkanal unter der Schleuse lebte eine Schildkröte
Was sie aber gefunden haben unter dem Kanal in Oberhausen, das sind Muscheln, Krabben, Fische. Aale haben sie aus dem Flutkanal geholt, bevor das Wasser ablief, einen Wels von mehr als zwei Metern, eine Schildkröte. Denn unter dem „Unterwasser“ ist noch mehr Leben: Enge Schächte führen in diesen Flutkanal, durch den das Wasser im Normalbetrieb von unten in die Schleusenkammer drückt, damit die Strömung nicht zu stark wird. Muscheln hängen an der Decke, sie haben die Trockenheit nicht überlebt, es riecht nach totem Fisch. Ein kleines Wasserbecken ist geblieben, tonlos laufen kleine Wasserfälle durch das nicht ganz dichte Ost-Tor, es sieht aus wie eine Wellness-Dusche, kleine Fische tummeln sich hier, am Rand liegen Reste eines Netzes.
Schleusen ist Millimeterarbeit für Kapitäne
Das marode Schleusentor des Ruhrgebiets zum Rhein
Es gibt keine Geräusche hier unten, dabei läuft nebenan der Schleusenbetrieb weiter. Schubverband „Waltraud“ ist durch, 153 Meter lang in 190 Metern Schleusenkammer, die „Endurance“ naht, die „Crange“ ist ein kleines Schiff der Schifffahrtsverwaltung, die passt noch mit rein. Rechts und links bleibt trotzdem nur ein halber Meter Platz, insgesamt: Ein Binnenschiff misst 11,45 Meter Breite, die Schleuse hat 12. „Millimeterarbeit“, sagt Willi Bornemann. 30 bis 70 Schiffe lassen sich in Oberhausen „zu Berg“ heben und umgekehrt, jeden Tag, ein Drittel sind Tankschiffe.
Ende Mai sollen dafür wieder zwei „Aufzüge“ zur Verfügung stehen. Aber nicht lange: Im Sommer wird die zweite Kammer untersucht, danach auch das zugehörige Pumpwerk. Und wer weiß, was dort unter Wasser verborgen liegt...