Ruhrgebiet. . Star-Trompeter Till Brönner ist gerade Dauergast im Ruhrgebiet. Mit der Kamera hält er besondere Momente fest. Seine Bilder werden bald gezeigt.
Till Brönner lehnt sich auf dem Stuhl zurück. Entspannt verschränkt er die Hände hinter dem Kopf und lächelt. Seine dunkelgrüne Daunenweste raschelt leise an der Lehne. Ein erfüllter Arbeitstag geht für ihn zu Ende. Und das, obwohl weit und breit keine Trompete zu sehen ist. Deutschlands bekanntester Jazz-Musiker hat das Instrument, das ihn zum Star gemacht hat, mal beiseite gelegt. Er braucht die Luft für seine zweite Leidenschaft: die Fotografie. Seit einem Jahr tourt er mit der Kamera durch das Ruhrgebiet. Der Termin in Essen ist gut für ihn gelaufen. Deshalb kann er jetzt so lässig in einem Hinterzimmer der Uniklinik sitzen und über seine Erlebnisse in einer Region sprechen, die ihm früher eher fremd war.
Till Brönner im Einsatz auf der Frühchenstation der Essener Uniklinik
Gerade hat er eine Hand voll Leben fotografiert. 840 Gramm bloß und schon ein Mensch. Theresa. Das Frühchen von der Neugeborenenstation ahnte natürlich nicht, dass es – kaum auf der Welt – bereits einem vielfach gekrönten Echo-Preisträger begegnet ist. Till Brönner wird dafür gefeiert, dass er die oft als eher sperrig wahrgenommene Jazz-Musik entkrampft hat. Staatsmänner mögen sein Spiel genauso wie der Mann von nebenan. Vor einigen Jahren hat der Deutsche auf Einladung des damaligen Präsidenten Barack Obama im Weißen Haus trompetet. Doch das alles zählt bei der Suche nach dem perfekten Foto nicht und beeindruckt ein winziges Baby kaum. Es wurde trotzdem ein Bilderbuchtag mit Theresa.
Anfangs hat Brönner im Ruhrgebiet die Palmen vermisst
Till Brönner war nicht mit jedem Termin im Ruhrgebiet so zufrieden wie mit diesem. Viel Zeit verbringt er in Kalifornien. „Anfangs bin ich gefrustet nach Hause gefahren“, erzählt er. In solchen Enttäuschungs-Momenten war er aus Los Angeles angereist und konnte vor lauter Bildern von Palmen und Cadillacs im Kopf die spezielle Schönheit des Ruhrgebiets einfach nicht finden. Obwohl er um die Ecke, nämlich in Viersen, geboren wurde und in Bonn seine Jugend verbracht hat, kannte er von diesem Teil Westdeutschlands nur die Konzertsäle.
Es hat sich geändert. Je häufiger er in Duisburg, Dortmund oder Essen unterwegs war, desto mehr wurde er warm mit der Gegend. „Ich habe verstanden, dass es das eine Bild vom Ruhrgebiet nicht gibt“, sagt Till Brönner. Heute spricht er über „das Amerika von Deutschland“. Weil hier ähnlich viele Kulturen, Landschaften und Kulissen zusammenkommen wie in den USA. Lachend vermutet er, dass es wohl nur in Ausnahmen zu städtebaulichen Preisen reichen wird. „Stilistisch passt es nicht immer.“ Das Revier fasziniert ihn trotzdem. Oder genau deshalb.
Kettwig und Hattingen gefallen Brönner so gut, dass er sich vorstellen könnte, dort zu wohnen
Er ist ein Mann für die großen Emotionen. Sei es mit der Trompete oder mit der Kamera. Für seine Fotoserie spürt er Motive auf, mit denen er eine Region im Wandel zeigt. „Die Erwartungen nach dem Ende des Bergbaus sind hoch“, sagt der 48-Jährige und lässt durchblicken, dass er den Menschenschlag lieb gewonnen hat. „Es ist schwierig, hier einem Arschloch zu begegnen.“ Stattdessen hat er Ecken gefunden, in denen zwar keine Palmen den Gehweg säumen oder Cadillacs die Straße schmücken, über die er aber trotzdem sagt: „Kettwig oder Hattingen sind so hübsch, dass ich dort wohnen könnte.“
10.000 Mal wird Till Brönner am Ende seiner Mission tief im Westen auf den Auslöser gedrückt haben. Beim Kohlenhändler in Bergeborbeck, beim Kranführer von Thyssenkrupp, an Currywurstbuden, in Marxloh oder im Stau auf der Autobahn 40. „Ich dachte immer, Berlin hat ein Verkehrsproblem. Jetzt weiß ich, dass das im Vergleich zur Situation im Ruhrgebiet gar nichts ist“, sagt Brönner. Dennoch hat er es geschafft, auch Verabredungen mit bekannten Gesichtern wie BVB-Spieler Mario Götze oder Comedian Atze Schröder pünktlich zu erreichen.
Auswahl von Till Brönners Fotos wird ab Juli im Duisburger Museum Küppersmühle gezeigt
Ab Anfang Juli wird eine Auswahl seiner Fotos in Duisburg zu sehen sein. Großformatig und meist in Schwarz-Weiß. Danach soll die Ausstellung auf Wanderschaft gehen.
„Wenn man allein nach der Mentalität der Leute geht“, sagt Till Brönner, „dann müsste es der Region unheimlich gut gehen. Hier wird nicht viel gemeckert.“ Klarer Fall: Das Ruhrgebiet hat einen prominenten neuen Freund gefunden. Auch wenn dieser seinen Geburtstag kurz vor dem Termin auf der Frühchenstation trotzdem lieber in Düsseldorf gefeiert hat.
>> Till Brönners nächste Termine im Ruhrgebiet
- Till Brönner hat bislang 19 Alben veröffentlicht. Er hat mit Musikern wie Curtis Stigers, Annie Lennox oder Dieter Ilg zusammengearbeitet und in der Jury von Castingshows gesessen. Mit seiner Trompete ist er am 5. Juli im Dortmunder Konzerthaus wieder im Live-Einsatz.
- Seit zehn Jahren ist Brönner auch als Fotograf aktiv. Seine Ruhrgebietsmotive werden in der Ausstellung „Melting Pott“ vom 3. Juli bis zum 6. Oktober im Duisburger Museum Küppersmühle erstmals öffentlich gezeigt. Die Initiative zu dem Projekt kam von der Brost-Stiftung. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) ist Schirmherr.