Ruhrgebiet. . Viele Städte im Ruhrgebiet möchten ihre Behördensprache modernisieren. Dabei spielt die gendergerechte Formulierung eine wichtige Rolle.

Das „Rednerpult“ verwandelt sich ins „Redepult“. Und aus „Student“ wird das allumfassende „Studierende“. Zur Not muss ein Schrägstrich her, ein Unterstrich oder ein Sternchen – die Sprache in offiziellen Dokumenten soll schließlich „gerechter“ werden. Hannover hat als erste Stadt die gendergerechte Sprache ins Behördendeutsch eingebettet. Grund für den Umschwung: ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat 2017 das dritte Geschlecht eingeführt.

Jetzt meldet sich auch Dortmund: Bis zum Frühjahr 2020 sollen Formulierungen in der Verwaltung eingeführt werden, die kein Geschlecht ausschließen. Falls sich das Wort nicht gendergerecht umwandeln lässt, kommt der sogenannte „Gender-Star“, zum Einsatz (Lehrer*innen). Auch wenn Dortmund sich am Modell aus Hannover orientieren möchte, soll es doch eine individuelle Richtlinie geben, die den städtischen Mitarbeitern im Umgang mit gleichberechtigter Sprache helfen soll.

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„Viele Institutionen haben bereits Richtlinien veröffentlicht, daran wollen wir uns orientieren“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Maresa Feldmann. Das Gleichstellungsbüro und die Koordinierungsstelle für Schwulen, Lesben und Transidente arbeiten derzeit zusammen an den Vorgaben, die in Formularen umgesetzt werden sollen. „In vielen Fällen suchen wir die neutrale Formulierung, die kein Geschlecht ausschließt. Das vereinfacht und verkürzt die Sprache.“

Professor: „Vollidiot“ kann auch eine Frau sein

Für „ausgemachten Quatsch“ hält Walter Krämer die Debatte. Er ist Statistiker und Professor an der Uni Dortmund. Außerdem ist er bekennender Enthusiast der deutschen Sprache. „Es ist ein Wahnsinn, was uns da aufgezwungen wird, das ist gegen jegliche sprachliche Vernunft“, sagt er offen. Hauptwörter seien früher in verschiedene sprachliche Kisten gepackt worden, ein „reiner historischer Zufall“ also. „Das ist keine Diskriminierung und hat mit dem biologischen Geschlecht nichts zu tun. Der Vollidiot kann schließlich auch eine Frau sein.“

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Doch auch die Stadt Duisburg hat bereits Teile der Verwaltungssprache angepasst. „Seit dem Urteil in Hannover sind wir konstant in Verhandlung mit dem Personalamt“, sagt Nicole Seyffert vom städtischen Referat für Gleichberechtigung und Chancengleichheit. Bisher wird beispielsweise in Stellenangeboten schon mit dem Sternchen gearbeitet. „Aber wir müssen die Mitarbeiter weiter sensibilisieren. Es kommt dabei allerdings auch immer auf die Kompromissbereitschaft an.“ Bei vielen Dokumenten stehe allerdings nicht der Wille im Weg, sondern die rechtliche Korrektheit. „Viele Texte dürfen nicht verändert werden. Deshalb muss der Gesetzeswortlaut reformiert werden“, fordert Seyffert.

Auch die Aussprache steht zur Diskussion

Zudem sucht das Duisburger Referat den Austausch mit der hiesigen Szene, holt Wünsche und Bedürfnisse auch von Transsexuellen und Homosexuellen ein. „Am Anfang haben wir viel mit dem Unterstrich gearbeitet, bekamen aber die Rückmeldung, dass dies immer noch Menschen ausschließt“, sagt Nicole Seyffert. Außerdem sei das Sternchen einfacher für den Lesefluss. „Es ist ein langer Prozess, geschlechtliche Vielfalt zu integrieren.“

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Auch die Stadt Bochum möchte „gendern“, zusammen mit Personalabteilung und Pressestelle arbeitet das Referat für Gleichstellung derzeit an einer Richtlinie. „Wir suchen nach verschiedenen Lösungen für unsere Kanäle. Denn die sozialen Medien wollen ebenfalls vernünftig angesprochen werden“, erklärt die Gleichstellungsbeauftragte Regina Czajka. „Auch für die mündliche Aussprache suchen wir einen Weg, die Verständlichkeit und Einfachheit zu optimieren.“

Essen nutzt den Gender-Stern

Das sehen sie in Essen ähnlich. „Wer in der Sprache nicht vorkommt, wird nur mitgedacht“, sagt Stefan Zebrowski, Koordinator für gleichgeschlechtliche Lebensweisen LSBTI. „Das kann aus unserer Sicht nicht ausreichen.“ Man arbeite schon seit vielen Jahren daran, dass die verschiedenen Geschlechter auch in der Sprache sichtbar würden. Die derzeitige Diskussionen beweise, „dass wir neue Wege gehen sollten, auch im Sprachgebrauch“.

Die Essener nutzen vorerst den Gender-Stern, um auch trans- und intersexuelle Menschen “wertschätzend in unserem Sprachgebrauch mit einzubinden“. Mit Hannover und Dortmund sei man in engem Austausch, so Zebrowski.

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Dass das Thema auf Gegenwind stößt, überrascht Michaela Blaha gar nicht. Sie ist Geschäftsführerin der Gesellschaft für verständliche Sprache (IDEMA) und begrüßt grundsätzlich die Einstellung der Stadtverwaltungen. „Es ist allerdings schon bezeichnend, dass die Behörden wieder nur unter Zugzwang handeln, denn in der Wissenschaft ist gendergerechte Sprache schon lange ein alter Hut.“

Auch Stuttgart verwendet das Gender-Sternchen und schreibt an seine Bürger*innen.
Auch Stuttgart verwendet das Gender-Sternchen und schreibt an seine Bürger*innen. © Marijan Murat/dpa

Seit etwa fünf Jahren beobachtet die Wissenschaftlerin regelmäßig verschiedene Versuche der Städte, ihre Sprache anzupassen. „Diese Versuche sind eher halbgar und zu sehr nach Schema F angelegt. Da kommt nichts Vernünftiges bei heraus. Leider.“

Sprache erfordert Sachverstand

Dass die großen Ruhrgebietsstädte nun ihr eigenes Süppchen kochen, ist für Blaha nicht zielführend: „Es müsste vielmehr auf Bundesebene an der Sprache gearbeitet werden. So ist es einheitlich für alle und die Menschen können sich daran gewöhnen.“ Besonders ansprechend findet sie das Gender-Sternchen übrigens nicht.

Die Empfehlung der Sprachwissenschaftlerin: „Wenn es nicht zu sperrig ist, rate ich zum Neutrum. Wenn die Verständlichkeit allerdings leidet, sollte komplett von der gleichberechtigten Sprache abgesehen werden. So ein Projekt erfordert Sachverstand und vor allem Fingerspitzengefühl, um die Sprache auch langfristig in die Akzeptanz der breiten Bevölkerung zu bringen.“ Damit auch in der Verwaltungssprache die Menschen sichtbar werden, die lange unsichtbar waren.