Essen/Dortmund. . Polizei hat den Kampf gegen Raser verschärft - Kontrollen zeigen erste Wirkung. Haftstrafen von bis zu zehn Jahren sollen die Raser abschrecken.
Er ist nicht geblitzt worden, aber als er die Polizei am Rand der Gladbecker Straße in Essen sieht, geht er auf die Bremse und hupt. Dann lässt er die 540 Pferdestärken unter der Motorhaube seines 165.000 Euro teuren Sportwagens im Leerlauf kurz aufheulen. Als Zugabe macht der Fahrer des Audi R 8 dann noch ein paar Fotos durch das heruntergelassene Seitenfenster. Dann tritt er gut gelaunt aufs Gas. Wie sollen sie ihm schon folgen mit den beiden Bullis, die auf dem Seitenstreifen geparkt sind? Mit denen gar nicht. Aber mit den beiden Motorrädern, die dahinter abgestellt sind. „Manche lernen es nie“, sagt ein Beamter, während die Kollegen mit Blaulicht die Verfolgung aufnehmen.
Freitagabend im Ruhrgebiet. Es beginnt die Zeit der Raser und der Poser. Und die der Radarkontrollen. Überall im Revier, immer wieder. „Wir nerven die“, sagt Sven Schönberg, Sprecher der Polizei Dortmund. In Essen macht die Polizei das auch. Gleich zwei Kontrollen haben sie an diesem Abend eingerichtet an Straßen, die zweispurig sind, aber auf denen Tempo 50 gilt.
Fahrer kommen selten aus der Tuning-Szene
Polizeidirektor Wolfgang Packmohr, Leiter der Direktion Verkehr in Essen, ist einmal mehr mit rausgefahren. „Ja“, hat er vorher gesagt, „natürlich gibt es in der Stadt viele Geschwindigkeitsüberschreitungen“. Aber nein, von einer „organisierte Raserszene“ könne man nicht sprechen, trotz der beiden schweren Unfälle in der Essener Innenstadt im April und August, bei denen Autorennen vorausgegangen sein sollen. „Wenn sich zwei Fahrer mit schnellen Autos zufällig an einer Ampel treffen, kann das spontan immer passieren“, räumt Packmohr ein.
Die Fahrer sind in den seltensten Fällen Männer aus der Tuning-Szene. „Wer viel Geld in sein Auto steckt, setzt es nicht dem Risiko eines Rennens aus“, weiß Packmohr. Geschwindigkeit gibt es ja auch ab Werk. „Es kommt ja kaum noch ein Auto neu auf den Markt, das nicht 200 Kilometer in der Stunde schafft.“ Man braucht sie noch nicht mal zu kaufen. „Wir halten immer öfter junge Leute an, die sich eine dicke Limousine für das Wochenende oder ein paar Wochen gemietet haben.“ In Dortmund ist das ähnlich.
Haftstrafen von bis zu zehn Jahren
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An den Essener Kontrollen wird weiter geblitzt. Je später der Abend, desto höher die gemessene Geschwindigkeit. Ein junger Mann, im tiefer gelegten 3er BMW älteren Baujahrs und mit Freundin unterwegs, ist mit 84 km/h erwischt worden. Was ihm nicht nur einen Punkt in Flensburg bringt, sondern auch einen Monat Fahrverbot. Verstehen kann er das nicht. „Ist doch eine breite Straße hier.“
Vier Wochen wird er sich trotzdem nicht hinter das Steuer setzen. „Das ist für viele das Schlimmste“, hat Packmohr festgestellt. Schlimmer ist nur, wenn das Auto sofort konfisziert wird und der Fahrer mit dem Taxi nach Hause kommen muss. „In einigen Kulturkreisen ist das eine echte Blamage.“ Künftig allerdings kann es sein, dass nicht nur das Auto, sondern auch der Fahrer für längere Zeit nicht zurückkommt. Der vor gut einem Jahr in Kraft getretene Paragraf 315d des Strafgesetzbuches kann „Verbotene Autorennen“ mit Haftstrafen von bis zu zehn Jahren bestrafen, wenn jemand dabei stirbt. „Vielleicht schreckt das ja ab“, hofft der Essener Verkehrsdienst-Chef.
Elektromagnetische Wellen berechnen das Tempo
Radargeräte zählen zu den Blitzern, die auch im Ruhrgebiet am häufigsten zum Einsatz kommen. Sie arbeiten mit elektromagnetischen Wellen.
Diese werden vom Fahrzeug reflektiert und zum Messgerät zurückgesandt. Dadurch kann der Blitzer die Geschwindigkeit berechnen.
110 Knöllchen in kurzer Zeit
Was offenbar auf jeden Fall abschreckt sind die ständigen Kontrollen. Auf dem Wall in Dortmund hat die Stadt drei neue Blitzer aufgestellt. Zudem ist die Polizei jedes Wochenende vor Ort. „Das stößt auf wenig Gegenliebe in der Szene“, sagt Schönberg. Dafür ist die Zahl der Rennen im letzten Quartal drastisch zurückgegangen.
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In Essen sieht die Polizei in dieser Nacht gar keine Wettfahrt. Aber am Ende des Einsatzes hat sie 110 Verwarnungsgelder verhängt und zehn Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Zwei Leute waren nicht angeschnallt, an mehreren Autos waren Scheinwerfer oder Rückleuchten defekt. „Beifang“ nennen sie so etwas beim Verkehrsdienst. Und einen betrunkenen jungen Mann haben sie am Steuer einer voll besetzten Limousine auch erwischt. Er sei, anders als seine Beifahrer, kein Muslime. Deshalb dürfe er doch trinken.
Den Poser vom frühen Abend haben sie auch schnell gekriegt. Gemietet war sein Wagen, er selbst gerade erst wieder im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis. Zahlen muss er allerdings nur, weil er keinen Fahrzeugschein dabei hatte. „Aber so einen“, sagt Wolfgang Packmohr, „sehen wir schnell wieder.“