Mülheim. . Erste Teile der tonnenschweren Thyssenbrücke sind am Donnerstag in Mülheim abgebaut worden. Ein riesiger Autokran war dafür im Einsatz.
Der Termin war drei Jahre geplant, es musste jetzt passieren! Und sie haben es doch noch geschafft: Die alte Mülheimer Thyssenbrücke ist Geschichte. Mehr als 1000 Tonnen Stahl liegen zersägt im Gleisbett. Dafür vor allem hat die Bahn die Strecke Essen – Duisburg zwei Wochen sperren müssen. Die neue Brücke wartet bereits nebenan, noch dieses Jahr soll der Verkehr auf der B 223 wieder rollen.
Wie der Koloss da ruht im Dreck, lässt sich das ganze Ausmaß der Zerstörung anfassen. Scharf sind die Kanten, vom Rost zerfressen, besonders dort, wo man bis zum Abriss nur ahnen konnte: Wo das Metall 15 Millimeter dick sein sollte, um den Verkehr von Mülheim-Nord in die Innenstadt zu tragen, nagte es der Zahn der Zeit stellenweise bis auf einen ab. Erschreckend? „Den Schrecken hatte ich viel früher“, sagt Baudezernent Peter Vermeulen.
Bauwerk von 1909 war „nicht mehr zu retten“
Als die Stadt nämlich merkte, wie schlecht es um ihre Brücke stand, die 1909 für das Gewicht einer Dampfwalze gebaut worden war: 24 Tonnen. Es fuhr aber längst der Autoverkehr zweispurig hinüber, dazu Straßenbahnen und 40-Tonner. Dazu war die Straße zum Kriegsende eingestürzt; den Knick sah man seit dem Wiederaufbau bis gestern. „Sie war nicht mehr zu retten“, sagt Projektleiter Ralf Grunert.
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Da steht er auf dem alten, sandsteinernen Brückenpfeiler, vor ihm frisst sich der Schneidbrenner in den Stahl. Es ist ein buntes Bild: wie gelber Qualm aufsteigt von verblasstem Blau und Rot, die Schnittstellen markiert in Pink, die Arbeiter in Warn-Orange. Nur, es stinkt nach Rauch und Chemie. Mehr als eineinhalb Stunden dauert es, bis ein erstes Stück von 56 Tonnen aus dem Giganten gesägt ist, es hängt in Ketten an einem der kräftigsten Kräne des Kontinents. Dann ist die Brücke frei – und hängt doch fest.
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Sie müsste losbrechen“, sagt jemand, „sie steht doch unter Spannung.“ Was, wenn die 56 Tonnen sich losreißen, die schaukeln doch! „Ein ätzender Moment“, findet Baudezernent Vermeulen. Noch einmal fährt die Hebebühne den Schweißer an den Brückenpfeiler, Funken sprühen, da hängt das Ding, schnellt hoch, drückt die Hebebühne gegen Steine – nichts passiert. Aufatmen. Die Kollegen des Schweißers filmen.
Neue Brücke steht bereits
Im Zeitlupentempo senkt sich das Stück Thyssenbrücke zu seinen eigenen Füßen, ein paar Bohlen schieben sie ihm unter – sie zerknicken wie Zahnstocher. Der Stahl wird zerteilt, die Steine werden geschreddert, „Container und weg“, sagt Projektleiter Grunert. Nächste Woche schon werde man nichts mehr sehen können von der alten Brücke.
Und die neue steht ja schon. Viel Beton, acht Meter breiter (schon weil viele Laster sich die Spiegel an den Querträgern abfuhren). Rund um die Uhr haben sie in den vergangenen Wochen daran gearbeitet, in drei Schichten, denn sie mussten aufholen: Es klaffte eine Lücke zwischen Stahlträgern und -aufliegern, nun hat man improvisiert. „Es ist nicht das, was bestellt war“, sagt Vermeulen ehrlich, aber es ist fertig geworden. Es musste, „koste es, was es wolle“, sagt Grunert. Tatsächlich stehen inzwischen 29 Millionen Euro auf der Rechnung. Geplant hatte Mülheim einst mit der Hälfte.