Bottrop. . Staatsanwalt spricht von weiteren „eingeweihten Mitarbeitern“ der Apotheke im Krebsskandal. Jetzt wollen immer mehr Opfer Nebenkläger werden.
- Vor dem Landgericht Essen hat der Prozess im Skandal um gestreckte Krebsmedikamente begonnen
- Nebenklagevertreter Siegmund Benecken spricht im Namen der Opfer von „Massenmord“
- Staatsanwalt geht in der Anklage davon aus, dass Apothekenmitarbeiter „eingeweiht“ waren
Vor dem Schwurgericht und nicht vor der Wirtschaftsstrafkammer müsse der Prozess gegen Apotheker Peter Stadtmann stattfinden, der in 61.980 Fällen Krebsmedikamente gestreckt haben soll. Denn nach Überzeugung von Nebenklagevertreter Siegmund Benecken habe sich Stadtmann „des versuchten Mordes schuldig gemacht“. Für viele Opfer wirkten diese Worte wie eine Erlösung.
„Endlich ist es gesagt“
„Endlich ist es gesagt“, jubelt Heike Benedetti am Mittag vor dem Landgericht. Zwei Nebenklägerinnen, die ihre Mutter und ihren Ehemann verloren haben, ballen die Hand zur Siegerfaust. Benecken hat das Wort ausgesprochen, das die Frauen auf Anraten ihrer Anwälte seit Monaten nicht in den Mund nehmen durften: Mordversuch. Das ist in ihren Augen die einzig zutreffende Bewertung für das Strecken von Medikamenten, das die Patienten und ihren Angehörigen nach ihrer Überzeugung kostbare Lebenszeit genommen hat.
Auch aus diesem Grund wollen immer mehr Krebspatienten und Angehörige Nebenkläger werden. Am Montag lagen acht weitere Anträge vor. Staatsanwalt Rudolf Jakubowski hat aufgelistet, wie die Anklage das Ausmaß der gestreckten Krebsmedikamente einschätzt.
Immer mehr wollen Nebenkläger werden
Stadtmann habe bei seinen Taten nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft offenkundig Wert darauf gelegt, „dass immerhin ein wenig Wirkstoff“ in den Infusionen enthalten war. Nach der Auswertung der Apotheken-Buchhaltung habe die Dosierung je nach Medikament zwischen 18 und 69 Prozent gelegen. Die Auswertung der am 29. November, dem Datum der Verhaftung des Apothekers, sichergestellten Infusionen habe ergeben: Mehr als die Hälfte der Infusionsbeutel, nämlich 66 von 117, habe einen „Mindergehalt“ des verschriebenen Medikamentes aufgewiesen. In einigen Infusionen habe der Wirkstoffgehalt „minus 100 Prozent“ betragen. Soll heißen: Nichts von dem verschriebenen Stoff war in der Kochsalz- oder Glukoselösung, sondern ein anderes Medikament. Infusionsbeutel ganz ohne Medikamenteninhalt sind bei der Durchsuchung der Apotheke demnach nicht sicher gestellt worden.
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Die Auflistung in der Anklage ergab, dass Stadtmann zuletzt um die 1000 Infusionen im Monat hergestellt und dafür etwa im Februar 2016 mehr als 1,2 Millionen Euro mit den gesetzlichen Kassen abgerechnet hat.
Die in der Stadt heiß diskutierte Frage, ob Stattmann bei seinen Panschereien Helfer in der Apotheke hatte, beantwortet die Staatsanwaltschaft mit einem klaren Ja. Jaubowski: Es gab „eingeweihte Mitarbeiter, die im Einzelnen noch ermittelt werden müssen“