Essen. . Fast 5000 Einbrüche in Gotteshäuser gab es in Nordrhein-Westfalen seit 2010. Nicht alle Diebstähle werden von den zuständigen Gemeinden gemeldet.
- Einige Bistümer erfassen die Taten grundsätzlich nicht
- Protestantische Kirchen deutlich seltener von Diebstählen und Raub betroffen
- Nur jede zehnte festgestellte Tat kann aufgeklärt werden
Christen sehen die Kirchenbauten an Rhein und Ruhr als Häuser des Gebets. Was die Gemeinden aber oft nicht an die ganz große Glocke hängen möchten: Kirchen sind auch Tatorte. Küster Michael Hoppe von St. Gertrud in Düsseldorf-Eller ist deshalb zum Hobby-Detektiv geworden. Hoppe war im letzten Jahr ein zunehmendes „Defizit“ im Opferstock aufgefallen. Dort fand er auch Klebstoff-Reste. Die von ihm installierte Video-Kamera enttarnte die Trickser. Ein osteuropäisches Paar hatte einen mit Kleber bestrichenen Metallstab eingesetzt, um durch den Schlitz Kleingeld herauszuangeln. Einmal gestellt, fand man bei ihnen 82,92 Euro. Ein Gericht verurteilte die Wiederholungstäter, die schon in Neuss auf Plünderzug gewesen waren.
Im Jahr 2015 sind Schäden von 352.000 Euro entstanden
Seit dem Jahr 2010 hat es fast 5000 Einbrüche und Diebstähle in nordrhein-westfälischen Gotteshäusern gegeben. Die Zahl basiert auf Berechnungen des Landeskriminalamtes bis 2015. Alleine für 2015 bestätigte die Behörde 817 Fälle mit einem Schaden von 352.000 Euro. Tatsächlich ist Diebstahls-Kriminalität in Gotteshäusern aber eine große Grauzone. Denn nicht jede Gemeinde meldet die Vorgänge, nicht jedes Bistum und jede Landeskirche registrieren die Meldungen. Ohnehin kann nur jede zehnte festgestellte Tat aufgeklärt werden.
So kennen manche katholischen Bistümer – neben Essen auch Köln – gar keine zentrale Erfassung. Thomas Rünker von der Ruhr-Diözese sagt: „Wenn Schäden entstehen, wickeln die Gemeinden das nicht immer über die Versicherungen ab“. Eine Regulierung erfolge vielfach „untereinander“. Auch Lutz Dettmer von der durch die evangelische Kirche getragenen Versicherungsagentur Ecclesia in Detmold glaubt, dass wertvolle Kunstgegenstände „sehr selten“ zur Beute werden. „Fünf Meter Kupferrollen“ seien vielen Kleinkriminellen lieber. Anders zeichnet sich das aktuell im Bistum Paderborn ab. Sprecher Thomas Trönle: „Früher haben wir meist Aufbrüche von Opferstöcken gehabt, Dinge, wo der Sachschaden nicht so groß ist“. Neuerdings gebe es aber mehr Fälle, wo „Tresore, Kelche und Monstranzen zur Beute werden“.
Schadenshöhe wächst
Die Schadenshöhe wächst. Verzeichnete Paderborn 2014 zehn Einbrüche mit einem Schaden von 21.000 Euro, so waren es 2016 schon 16 Einbrüche – und 78.833 Euro Sachschaden. Auch das Paderborner Nachbar-Bistum Münster bestätigt vom 1. Januar 2016 bis heute 37 Diebstähle aus Kirchen, die entweder über das Bistum oder die Versicherungen abgewickelt wurden.
Gemildert werden Raub-Bilanzen ab und an durch reuige Täter oder eine freiwillige Rückgabe – vor allem, wenn sich die sakralen Gegenstände kaum als Hehlerware veräußern lassen. Wie kürzlich in Hagen-Haspe. Dort mussten die Gemeindemitglieder von St. Bonifatius drei Wochen lang um ihre wertvolle Turm-Monstranz bangen, die Unbekannte gestohlen hatten. Dann fanden Kinder das Stück nahe der Kirche an einer Mauer abgestellt. Auch im Wallfahrtsort Neviges tauchte die entwendete Mariendarstellung aus dem Jahr 1681 nach 24 Stunden wieder auf.
Besonders intensiv atmet derzeit das Bistum Münster auf: Seit wenigen Wochen ist das Stiftskreuz von Borghorst wieder da. Das Kreuz aus der Salierzeit – Versicherungswert: 7,5 Millionen Euro – war vor drei Jahren verschwunden, nachdem die 40 Zentimeter hohe Arbeit aus Gold, Holz und Edelsteinen der Nikodemes-Gemeinde geraubt worden war. Die gefassten Täter kamen aus einer arabischen Familie aus Gelsenkirchen. Über diese Familie konnte das Bistum in Verhandlungen die Rückgabe erreichen.
Ausstattung in evangelischen Kirchen ist meist spartanisch
Weit weniger als die katholische Kirche sind die Protestanten vom Kirchenraub betroffen. Zwar plünderten im Juli 2016 Räuber den „Bergmannsdom“ in Essen-Katernberg. Sie nahmen das Abendmahlgeschirr mit. Ansonsten sei die Ausstattung der 704 Gemeinden aber „eher karg. Die Einbrecher dürften wissen, dass bei uns eigentlich nix zu holen ist“, sagt der rheinische Landeskirchen-Sprecher Wolfgang Beiderwieden. Zudem sind, anders als bei katholischen Gemeinden, viele evangelische Kirchengebäude außerhalb der Gottesdienst-Zeiten abgeschlossen.
In Zukunft wird es allerdings schwerer, den Umfang der Einbrüche in Gotteshäuser zu erkennen. Das Landeskriminalamt hat seine bis 2015 durchgeführte Extra-Zählung eingestellt. Und der Kölner Landtagsabgeordnete Christian Möbius (CDU) erhielt auf Nachfragen eine klare Antwort: „Statistische Daten zur Verurteilungen wegen Einbruchsdiebstählen in Kirchen liegen dem Justizministerium nicht vor“.