Duisburg. . Wie man richtig knallt, sich die Ohren zuhält und seine Haare behält, lernen Grundschüler in Duisburg. Und dass Sicherheit vorgeht.
„Wir sprengen gleich die Schule!“, hat der Mann vom Technischen Hilfswerk gesagt, und er hat gelacht dabei. Ein Witz! Doch dann gibt es diesen ungeheuren Knall. Der Boden bebt, die Ohren sausen, ein Feuerbällchen hängt über der Wiese, und noch im Computerraum gucken die Schüler erstaunt: Das war wohl der Vorführeffekt. Das THW nämlich wollte vorführen, dass Kinder besser nicht mit Schwarzpulver spielen. „Nun“, sagt eine Lehrerin erschrocken: „Die Lektion haben sie gelernt.“
Geplant war das also nicht, der Sinn der Sache schon: Die Leute vom Technischen Hilfswerk kommen seit Jahren schon in die Albert-Schweitzer-Grundschule im Duisburger Süden, um Viertklässlern das Feuerwerken beizubringen. Oder besser, das, was man mit dem Silvester-Feuerwerk nicht macht. Weil das THW das mit den blauen Autos ist, „die mit den roten Autos kommen hinterher, wenn’s schon brennt“. Mandy wird ganz klein auf ihrem Stuhl, ihr ist angst und bange; da behauptet der Mann vom THW noch: „Es passiert heute nichts Gefährliches, wir reden nur darüber, wie man das nicht gefährlich macht.“
Silvesterknaller sind erst ab 18 Jahren erlaubt
Pyrotechnik nämlich, sagt er aus Erfahrung, „ist nicht immer ein Vergnügen. Das sieht man dann hinterher an den Verletzungen“. Möglichst „realitätsnah“ soll es heute sein, deshalb läuft erst einmal ein Film von einer Schornstein-Sprengung. „Oh mein Gott“, sagen die Kinder und natürlich: „Voll krass.“ Dann gehen ein „Hurricane“ rund, Böller und Raketen. Mit baumelnden Beinen sitzen die Viertklässler und drehen das Feuerwerk in den Händen, das keines mehr ist. Nur Attrappen, leere Pappe, aber hilfreich, um zu lesen: „Erlaubt ab 18 Jahren.“ Wer ist hier 18?, will das THW wissen. Schweigen. „Und wenn ich 17 bin und in zwei Tagen Geburtstag habe?“ Trotzdem verboten.
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Manchmal steht „BAM“ drauf, das muss so und steht für „Bundesanstalt für Materialprüfung“. Was ist, wenn der Böller nicht geprüft ist? „Schlecht!“, ruft ein Junge aus der dritten Reihe. Auf einer Hülle ist etwas geschrieben, das kann keiner lesen. Polnisch? Egal, „wenn da eine andere Sprache drauf ist, sollte man das lieber nicht verwenden“. Und drinnen schon gar nicht: „Weil sonst die Bude abfackeln kann“, glaubt ein Neunjähriger. „Die fliegen höher als die Decke“, sagt der Mann vom THW, „also kommen die auch wieder runter.“
Bloß nicht in der Hand halten!
In der Hand behalten sollte man einen Knallkörper auch nicht, und zwar nicht, weil Kinder dann mit ihm wegfliegen: 32 Kilo wiegt Felix, „den schafft auch eine Silvesterrakete nicht in den Himmel“. Werfen sollte man auch nicht und eigentlich schon überhaupt nicht in der Nähe bleiben. „Wenn eine ,Flotte Biene’ sich dreht, kriegt man sie nicht mehr eingefangen.“ Und eine Rakete könnte taumeln oder steckenbleiben, „und dann weiß man nicht, wohin sie fliegt“. Felix fürchtet, er könnte auch „beim Wegrennen fallen“. Und überhaupt: Feuer! Kann nicht alles brennen beim Feuerwerk?
Sie werden das gleich zeigen, draußen auf der Wiese hinter der Schule, wo eine Schaufensterpuppe steht. Die kriegt einen Knallkörper in die Kapuze, aus Versehen natürlich, und dann knallt es: „Ohr kaputt, Hals kaputt, Haare weg“, sagt der Mann vom THW trocken. „Man kann auch dabei sterben.“ Und bei den heutigen Materialien, sagt er, könne auch eine Winterjacke leicht brennen. „Dann“, sagt ein Mädchen klug, „wäre es besser, wenn Sie was anderes anhätten.“ Die professionellen Feuerwerker sind heute in synthetischen Vliespullovern gekommen.
Beim nächsten Versuch gibt es einen geplanten Knall. „Ohren mit den Fingern zuhalten, nützt gar nix“, sagt der THW-Mann und zeigt, wie man mit der Hand eine Muschel macht über dem Ohr. Rumms! Die Schaufensterpuppe hat kein Trommelfell, aber der Luftballon neben ihrem Ohr ist deutlich kaputt. Er hängt in Fetzen. Die Hand, in dem sie einen Knaller hielt, auch. Wieder staunen die Kinder, wieder sagen sie „krass“ und weichen noch ein Stück zurück hinter dem schon großzügig gespannten Absperrband.
Bitte keine Reste zusammenbasteln!
Und dann kommt der Versuch mit dem Knall, der gar nicht knallen sollte: Der ist für alle kleinen Jungs, die am Neujahrsmorgen aufgeweichte Knaller sammeln, aufschneiden und im Kinderzimmer die Reste zusammenschütten. „Nehmt bitte nichts mit nach Hause“, mahnt der Mann vom THW, „lasst eure Eltern das aufheben, am besten mit einer Schaufel.“ Macht man doch nicht? „Machen die alle“, sagt der Helfer, der selbst Großvater ist. „Ich auch!“, rufen die Jungen, „ich auch!“ Der Feuerwerker schüttet also Schwarzpulver zusammen in einen kleinen Kamin. „Wird nicht laut.“ Wird doch laut. Auch das THW ist verdutzt. „Sag ich doch“, sagt einer, „das Zeug ist halt gefährlich.“
>> Info: Unfälle sind an der Tagesordnung
- In der Silvesternacht 2015/16 wurden Polizei und Feuerwehr in Nordrhein-Westfalen zu fast 3500 Rettungseinsätzen gerufen. Der wohl schlimmste Unfall ereignete sich in Datteln: Bei einer Silvesterparty in einem Landhotel wurden 15 Menschen durch eine illegale Feuerwerksbatterie verletzt. Sie stürzte um, feuerte in die feiernde Menge. Einer 24-jährigen Hotel-Angestellten musste ein Fuß amputiert werden.