Ruhrgebiet. . Gül Keskinler ist die Integrationsbeauftragte des Deutschen Fußballbundes. Sie hilft den jungen Özils und Mustafis der Kreisliga.

Womöglich ist es das einzige Fußballturnier der Welt, das von einem „Referat für gesellschaftliche Verantwortung“ organisiert wird. Für September hatte die evangelische Kirche Dortmund zum elften Mal den „Anstoß zum Dialog“ geplant – und als Höhepunkt ein Spiel Pfarrer gegen Imame. Und ein Jude würde pfeifen.

Gül Keskinler war schon auf dem Weg, da legte sich ein Unwetter entschlossen quer. Das Turnier fiel aus. Eine interkulturelle Pokal-Übergabe weniger also für die Integrationsbeauftragte des DFB, die von einem „typischen Termin“ spricht. Man würde die Frau aber unterschätzen, wenn man sie für eine Art Grüß-Augustine des DFB in Eingliederungssachen hielte.

Kommunikation kann die Kölnerin mit türkischen Wurzeln gut

„Es wurde jemand gesucht, der repräsentieren kann, den DFB vertritt und berät und konzeptionell arbeitet. Das macht mir Spaß“, sagt die 55-Jährige. Wichtig ist ihr, Menschen zu vernetzen und Vereine und Verbände, damit die einen sich nicht etwas erarbeiten müssen, was die anderen schon zehn Jahre können: „Als türkischstämmige Frau und Kölnerin kann ich das gut, Leute zusammenbringen.“ Und lacht. Sie lacht sowieso gern. Sie ist die Fleisch gewordene Zuversicht.

Die Nationalelf mit ihren Özils und Mustafis ist das eine – doch Alltag ist die Kreisliga, auch für eine Integrationsbeauftragte auf nationaler Ebene, unterwegs zwischen Ost und West. Da hat Keskinler etwa zu tun mit dem Phänomen ethnischer Vereine: den FC Kosovos oder Türkiyemspors, über die sie wunderbar erzählen kann.

„Ein Vereinsfest kriegen sie in zwei Stunden organisiert“, sagt Gül Keskinler. „Aber alle Verbandsarbeit ist ihnen lästig. Wenn sie einen Antrag stellen müssen oder Widerspruch einlegen oder bis zum 31. etwas begründen, das ist für Ausländer klassisch deutsch. All diese bürokratischen Arbeiten liegen uns Südländern nicht.“

Die Folge: In Gremien, in Verbandsarbeit tauchen Menschen mit Migrationshintergrund erst langsam auf. Sie müssten sich aber mehr in die Strukturen einklinken. „Nichts ist besser, als ein Vorbild zu haben, wo Einwanderer sagen: Das ist einer von uns, und der hat es geschafft, und dessen Mutter hat auch ein Kopftuch getragen. Im Fußball haben sie solche Vorbilder. In der Gremienarbeit nicht.“

Mit zehn Jahren nach Bensberg:„Da war man ein Exot“

Anders, muss man sagen, als Keskinler selbst: Eine ihre frühen Erinnerungen reicht zurück in die 60er-Jahre, als ihr Großvater im Vorstand von Besiktas Istanbul war. „Er war sehr stolz auf mich und nahm mich öfter mit zu Sitzungen. Da saß ich dann, ein Mädchen mit weißen Söckchen in einer Runde älterer Herren.“ Manche sagen, bis auf die Söckchen unterscheide sich das nicht sehr von ihrer heutigen Arbeit.

Die kleine Gül war zehn, als ihre Eltern nach Deutschland kamen, nach Bensberg: „Da war man ein Exot.“ Ihr Vater, Nato-Übersetzer in der Türkei, arbeitete nun als Lkw-Fahrer und achtete darauf, dass die Kinder Deutsch lernten: „Aber in dem Sinne, dass wir später in Istanbul für deutsche Firmen arbeiten könnten.“ Die nicht mehr ganz so kleine Gül war das erste Ausländerkind in ihrer Höheren Handelsschule, die erste ausländische Angestellte in einer Papierfabrik; im Studium, wenigstens da, war sie nicht mehr die erste Ausländerin. Ende der 90er Jahre gab sie die türkische Staatsangehörigkeit hin und wurde Deutsche: „Wir hatten drei, vier Jahre gezögert und haben das dann als Familie gemacht.“ Heute leitet sie eine Agentur, die etwa Lehrer auf multikulturelle Anforderungen vorbereitet.

Wenn die Bewerbungen um den Integrationspreis eintrudeln, den der DFB mit Mercedes Benz verleiht, dann sieht Gül Keskinler lauter Gründe für Zuversicht ins Haus flattern. Was die alles machen! Bildungsarbeit. Einbindung der Eltern. Hausaufgabenhilfe. Fahrten. Paten. „Die Fußballvereine waren mit die ersten, die in Flüchtlingsheime gingen. Umgekehrt ist es für viele eine Chance, überhaupt mal wieder eine zweite Mannschaft aufstellen zu können.“ Inzwischen kennt sie auch ethnische Vereine, die „richtige Stadtteilvereine werden wollen. Da schiebe ich dann“, sagt Gül Keskinler. Und wird wohl 2017 zur Pokalübergabe nach Dortmund kommen. Es geht um viel: Nach zehn Jahren steht es zwischen Pfarrern und Imamen 5:5.