Essen. . Grönemeyer, der Sänger, hilft Schülern in Essen beim Erarbeiten eines Musicals: Sommer-Akademie für Jugendliche auf dem Weg ins (Berufs-)Leben.

Es soll ja Leute geben, die anderes behaupten, der Schüler der Sommer-Akademie wusste es einfach nicht besser: „Hat doch ‘ne tolle Stimme, der Mann!“ Da stellten entzückte Pädagogen den Jugendlichen einen Herbert Grönemeyer an die Seite, auf dass er sie fördere und motiviere – und die kannten den gar nicht! Hamza aus Syrien und Dilvin aus dem Irak natürlich nicht, aber auch nicht die 15-Jährigen aus Düsseldorf. Vanessa war deshalb sehr nervös an ihrem ersten gemeinsamen Tag in Essen-Werden, aber: „Als ich ihn kannte, war alles viel besser.“

„Ich konnte nie mit Menschen“

Der Sänger nahm die ungewohnte Begegnung mit Humor: „Ich kann übrigens wunderschön singen.“ Was er dann auch gleich tat im kleinen Saal der Jugendherberge: „Zeit, dass sich was dreht.“ Laut soll es gewesen sein, damit der Chor den Ton hielt, und auch nicht nur schön. Selbst Grönemeyer musste nach den Harmonien fahnden; schließlich, als er das Lied schrieb, waren die Schüler allenfalls im Kindergarten.

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Sonst aber ist diese Sommer-Akademie ein durchaus harmonischer Ort. Drei Wochen lang fördern die Leuphana Universität aus Lüneburg und die Vodafone-Stiftung in dem abgelegenen Fleckchen im Essener Süden 31 Schüler auf dem Weg ins (Berufs-)Leben. Flüchtlinge sind sie wie Hamza, die erst einmal lernen müssen, was geht in Deutschland. Oder Haupt- und Gesamtschüler, die sich selbst noch im Weg stehen. Vanessa, weil sie so schüchtern ist, die sich „nie was getraut hat“. Marc, der nicht weiß, ob er lieber zurückhaltend oder ein Witzbold ist, und von sich sagt: „Ich konnte nicht mit Menschen.“ Der schmale Younes, der vor dem Spiegel Sprechen übt.

„Deine Stärken, deine Zukunft“ haben sie das Projekt überschrieben, und das, sagt dessen Leiterin Maren Voßhagen-Zehnder, sei heutzutage ein Problem: dass junge Menschen lernen, über Schwächen zu reden, nicht aber über das, was sie können. Charleen, die 15-Jährige, die gern in einen Pflegeberuf möchte, musste weinen, als man sie zum ersten Mal nach ihren Stärken fragte. „Sie hatte ein schlechtes Gewissen, sich überhaupt damit zu beschäftigen.“ Nun weiß sie, dass sie „positive Energie“ hat und „hilfsbereit“ ist. Eben übte sie in einer Mini-Gruppe ein Vorstellungsgespräch. „Wie geht’s?“, fragte der Trainer das schmale Mädchen. „Gut, und selbst?“

Sie arbeiten in Werden an der Sprache, an der Lesefähigkeit, sie haben Suchplakate aufgehängt für den „Traumberuf“, aber Psychotherapeuten tun auch etwas für die Seele. Manchmal, sagt Professor Kurt Czerwenka, der das Programm erfand, „muss man erst eine Last von den Herzen wälzen, bevor die Jugendlichen ihren Weg gehen können“. Gelehrt werden Tischsitten und Rituale, Blickkontakt und Gewaltfreiheit. Es gehe aber „nicht um Erziehen, sondern um Mitziehen“, sagt Herbert Grönemeyer. „Wir nehmen uns Zeit zu gucken: Was kannst du eigentlich?“ Und wenn er Sorge hatte, Null-Bock und Pubertät könnten ihn ausbremsen: „Die sind sehr erfrischend, klasse, passt!“

„Schenk dir selbst Respekt“

So haben die 17 Teamer binnen 20 Tagen Schüchterne gestärkt, Lautsprecher gedämmt, Verschlossene geöffnet. Zwei trommeln gerade auf Mayonnaise-Eimern und singen. Das Musical „Step up to life“ ist gewissermaßen das Herz-Stück dieser besonderen Ferien, und Herbert Grönemeyer ist sein „Trommeldirektor“. Was eigentlich weniger mit Musik zu tun hat als mit Marketing, und doch: Immerhin war er mehrfach da, hat mitgeprobt. Nicht jeder ist dabei gleich meterweit über seinen Schatten gesprungen. Grönemeyer selbst womöglich schon: Für ein Ständchen grölen die Schüler ein Stück mit der Textzeile „Schenk dir selbst Respekt“. Das ist im Original – von Pur. Herbert singt mit.

INFO:

Ein Viertel aller Auszubildenden in Deutschland bricht die Ausbildung wieder ab. Das sagte Roland Schüßler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Düsseldorfer Agentur für Arbeit, am Dienstag in Essen.

Dabei sei die Berufswahl „die erste große Entscheidung im Leben“. Diese richtig zu treffen, dabei will die Sommerakademie helfen. Zur Wahrheit gehört aber auch: 21 000 junge Leute finden gar nicht erst eine Stelle.