Bochum. In Bochum startete der erste Prozess in Deutschland um die Rücknahme von manipulierten VW-Autos. Für den Kläger sieht es bisher nicht gut aus.

Ein treuer Kunde ist der Geschichtsprofessor. Alle zwei Jahre kaufte er einen Volkswagen in dem Bochumer Autohaus, zuletzt im Sommer 2014, als er längst nicht mehr im Ruhrgebiet, sondern an der Uni in Trier lehrte. Für fast 38 000 Euro erwarb er einen neuen VW Tiguan TDI 4Motion – ein recht umweltfreundlicher Turbodiesel, glaubte er. Nun hat er durch die Abgas-Affäre lernen müssen, dass dies nicht der Fall ist. Und da der Volkswagen-Händler den Wagen trotz manipulierter Werte nicht freiwillig zurücknimmt – ja, weil er auf mehrere Anschreiben nicht einmal reagiert haben soll – darum verklagt der treue Kunde sein Autohaus auf Rücknahme eines Volkswagens. Gestern fand deshalb ein Prozess am Bochumer Landgericht statt, der wohl erste dieser Art in Deutschland.

Der Verbraucher will keine "Schummel-Software"

Kunde gegen VW-Autohaus – ein Prozess mit Signalwirkung. Und mit vielleicht ungeheuren finanziellen Konsequenzen für Volkswagen. Schon für den bisherigen Rückruf von europaweit 8,5 Millionen Wagen stellte der Konzern 6,7 Milliarden Euro zurück. Eine Rücknahmepflicht bei den etwa 2,6 Millionen „Schummel-Autos“ in Deutschland würde wohl einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten, schätzen Experten. Und wiederverkäuflich wären die Wagen wohl nur mit großen Verlusten gewesen, da der Preis eingebrochen wäre. Auch vor diesem Hintergrund hatte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer den Klägern vorab wenig Chancen eingeräumt.

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Der Saal des Bochumer Landgerichts ist randvoll gefüllt mit Medienvertretern. Richter Ingo Streek von der 2. Zivilkammer macht keinen kurzen Prozess, aber schon am ersten Tag signalisiert er deutlich, wie der Fall „Kunde gegen VW“ wohl ausgehen wird: zugunsten des Händlers. Und somit auch zugunsten des Weltkonzerns.

Der Richter glaubt, der Mangel könnte leicht abgestellt werden

Es bestehe zwar „eindeutig“ ein Mangel an dem Auto, sagt Streek, aber dieser sei nicht erheblich genug, dass er zu einem Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigen würde. Der Mangel könne mit relativ geringen Mitteln abgestellt werden. Damit meinte Streeck das Update der Motorsteuerungssoftware. Das soll nur 100 Euro kosten und 30 Minuten dauern.

Das sieht die Klägerseite freilich ganz anders. „Alles ist sehr übel gelaufen“, kommentierte Anwalt Dietrich Messler. „Der Verbraucher will keine Schummel-Software.“ Er kann die richterliche Einschätzung überhaupt nicht nachvollziehen, verwies auf die „Täuschung“ durch VW und darauf, dass der Tiguan zurzeit wegen der Abgas-Affäre „unverkäuflich“ sei oder zumindest nur mit großem Verlust zu verkaufen. Allein dies belege schon, dass der Schaden doch „erheblich“ sei. Der Geschichtsprofessor will aber vom Autohaus noch mindestens rund 33 500 Euro für seinen Tiguan haben bei 19 700 Kilometern Laufleistung. Außerdem betont sein Anwalt Messler, dass selbst nach einer Software-Umrüstung ein höherer Verbrauch und auch ein Leistungsverlust zu befürchten sei.

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Der Anwalt des beklagten Autohauses, Peter Lodde, wird die Einschätzung von Richter Streek mit Erleichterung zur Kenntnis genommen haben. Dennoch – betont „freiwillig“ – bot er an, den Tiguan „zu einem marktgerechten Preis“ zurückzukaufen, wenn der Kläger dort einen neuen Wagen erwerbe. Kläger-Anwalt Messler machte dies vom Preis abhängig, den das Autohaus für den Tiguan zu zahlen bereit sei. Weil dieser während der Gerichtsverhandlung nicht zu ermitteln war, kam es zu keiner Entscheidung. Beide Parteien klären in den nächsten Tagen außergerichtlich, ob sie sich einigen. Sollte dies nicht klappen, will das Landgericht am 16. März ein Urteil verkünden. Und das scheint nicht im Sinne des Klägers auszufallen.

Im Falle des Falles geht der Prozess durch die Instanzen

Messler glaubte aber schon vor der Verhandlung, dass sich im Falle eines Urteils eine zweite Instanz mit der Klage beschäftigen werde, weil eine der beiden Seiten in Berufung gehen werde.

Den Prozess verfolgte auch der Bochumer Rechtsanwalt Bernd Lederer. Er und seine Kanzlei „Jordan Fuhr Meyer“ betreuen mehr als 300 VW-Kunden in dieser Affäre. Er wies im Anschluss darauf hin, dass Streek nur als Einzelrichter gesprochen habe - und jedes andere Gericht das Problem auch völlig anders beurteilen könne.