Washington. Volkswagen muss in den USA laut einer Frist bis 24. März aufzeigen, wie 600.000 manipulierten Dieselautos nachgerüstet werden sollen.
Im Skandal um manipulierte Abgaswerte in 600.000 Dieselfahrzeugen muss Volkswagen in Amerika schnellstens zwei Gänge höher schalten. Nach den Umweltbehörden EPA und Carb, die seit Monaten auf belastbare Reparatur-Pläne warten, verliert auch die Justiz die Geduld. Der mit Hunderten Sammelklagen betraute Richter Charles Breyer in San Francisco setzte dem Wolfsburger Konzern jetzt ein Ultimatum. Bis zum 24. März muss VW „definitiv“ ein genehmigungsfähiges Konzept vorgelegt haben. Die mit Schummel-Software ausgestatteten Autos müssen nachgerüstet werden, damit sie den im Vergleich zu Europa strengeren Umweltgesetzen entsprechen. Neben VW sind auch die Konzerntöchter Audi und Porsche betroffen.
Bei einer ersten Anhörung im Mammut-Verfahren um mögliche milliardenschwere Entschädigungszahlungen gab Breyer seiner Unzufriedenheit über den schleppenden Verlauf des Verfahrens Ausdruck. „Ich habe ernsthafte Sorgen“, sagte der erfahrene Jurist. Seit Bekanntwerden des Skandals am 18. September 2015 sei genug Zeit vergangen, um im VW-Vorstand grünes Licht für technische Lösungen zu geben. Dass die manipulierten Fahrzeuge in den USA weiter „die Luft verschmutzen und fortgesetzten Schaden anrichten“, sei nicht hinzunehmen.
US-Kunden fühlen sich von VW bewusst in die Irre geführt
Ohne ein schlüssiges Reparatur-Konzept kann Breyer nicht über die Höhe von Entschädigungszahlungen befinden. Wie die Kanzlei Hagens Berman in Seattle erklärte, die Hunderte Betroffene vertritt, fühlen sich viele VW-Besitzer von der „Clean Diesel“-Werbung des Wolfsburger Konzern bewusst in die Irre geführt. „Die Diesel-Motoren waren als besonders umweltschonend angeboten worden. Tatsächlich waren bestimmte Abgaswerte mitunter 40 Mal höher als erlaubt.“
VW hatte den Betrug, von dem weltweit rund elf Millionen Autos betroffen sind, nach monatelangem Hinhalten im vergangenen Herbst gegenüber den US-Behörden eingestanden. Seither steckt der Konzern in einem juristischen Mehrfronten-Krieg mit ungewissem Ausgang. Neben den zivilrechtlichen Schritten Tausender Jetta- und Passat-Besitzer könnte die Klage des Justizministeriums für VW die schmerzhaftesten Konsequenzen haben: Strafgelder von bis zu 46 Milliarden Dollar.
In dieser Woche kamen noch drei gesonderte Sammelklagen von 200 Klägern hinzu, die mögliche Vergehen wie Betrug, Vertragsbrüchigkeit und Wettbewerbsverzerrung direkt bei über 20 ehemaligen und amtierenden Top-Managern festmachen. Neben Ex-VW-Chef Martin Winterkorn, dem die Anwälte erhebliche Mitwisserschaft beim Einsatz der Schummel-Software in den beanstandeten Motoren vorwerfen, sind in den Anklageschriften auch dessen Nachfolger, Ex-Porsche-Chef Matthias Müller, sowie Audi-Chef Rupert Stadler und Bosch-CEO Volkmar Denner erwähnt. Bosch soll die Technik für den Betrug geliefert haben. Die Kläger sprechen von einem „der dreistesten Verbrechen von Unternehmen in der Geschichte“.
Können VW-Manager in den USA belangt werden?
Ob VW-Führungsfiguren aber tatsächlich in den USA belangt werden, ist aus Sicht von beteiligten Anwälten zurzeit nicht absehbar. Richter Breyer machte bei einer Anhörung deutlich, dass die „Wer war‘s?“-Frage im Moment zweitrangig sei. Die Beseitigung des Umwelt-Schadens und die Entschädigung von Kunden, die einen Wertverlust ihrer Fahrzeuge erlitten haben, stehe im Vordergrund.
VW-Anwalt Robert Giuffra sagte in San Francisco, dass die Verhandlungen zwischen VW und den Umweltbehörden „Fortschritte“ machen. Details nannte er mit Verweis auf eine Vereinbarung wechselseitiger Verschwiegenheit nicht.
Ältere Modelle müsste VW womöglich zurückkaufen
Dem Vernehmen nach hat VW vor allem mit rund 320.000 Autos Probleme, die den älteren Diesel-Motor EA 189 eingebaut bekommen haben. Hier ist eine technische Nachrüstung offenbar so kostspielig, dass nur ein Rückkauf sinnvoll erscheint, um die Kriterien der Umweltbehörden erfüllen zu können. VW-Sprecherin Jeannine Ginivan erklärt, dass die Firma mit allen zuständigen Stellen kooperiere, um schnell eine akzeptable Lösung präsentieren zu können.
Im Rahmen des Mammut-Verfahrens in San Francisco wird auf zwei Personen besonderes Augenmerk liegen. Als Schlichter zwischen den Parteien hat Richter Breyer den früheren Chef der Bundespolizei FBI, Robert Mueller, bestellt. Er soll sich kurzfristig mit VW-Managern treffen. Auf Seiten der Kläger richten sich alle Augen auf Elizabeth Cabraser. Die 60-Jährige hat den Vorsitz in dem 21 köpfigen Anwälte-Gremium, das VW mit rund 500 Sammelklagen überzogen hat. Ihre Firma Lieff Cabraser Heimann & Bernstein gehört mit rund 100 Milliarden Dollar Entschädigungszahlungen zu den erfolgreichsten US-Kanzleien im Bereich Produkthaftungs- und Umweltklagen.