Essen. . Eine Gelsenkirchener Tagesmutter war angeklagt, weil sie den sexuellen Missbrauch eines Kindes geduldet haben soll. Das Gericht sprach sie frei.

Vertrauen genießen sie. Immer öfter übergeben Eltern oder Alleinerziehende ihre Kinder den Tagesmüttern, die sie mehr oder weniger sorgfältig ausgewählt haben. Aber so wie in Kindergärten, Schulen oder Sportvereinen darf auch bei diesen Frauen das Vertrauen der Mütter und Väter nicht grenzenlos sein. Am Montag mussten sich eine 51 Jahre alte Tagesmutter aus Gelsenkirchen und ihr Freund, 59 Jahre alt, vor dem Landgericht Essen verantworten. Sie soll die Fürsorgepflicht verletzt haben, weil sie den sexuellen Missbrauch eines dreijährigen Jungen durch ihren Freund geduldet hätte.

Am Ende wurde sie freigesprochen. Beweise fehlten der Jugendschutzkammer, weil die Aussage des heute Fünfjährigen zu dürftig und voller Abweichungen war. Gute Aussichten auf einen Freispruch hätte auch der 59-Jährige gehabt. Aber der hatte es vorgezogen, gar nicht erst vor Gericht zu erscheinen. Jetzt lässt die Polizei mit Haftbefehl nach ihm fahnden.

Schutz vor unberechtigten Vorwürfen

Dass der Fall zum Prozess führte, hängt vielleicht auch mit den fehlenden Kontrollmöglichkeiten bei Tagesmüttern zusammen. In Kindergärten, wo verstärkt nach männlichen Erziehern gesucht wird, haben sie längst klar geregelt, dass diese möglichst nicht allein mit einem der ihnen anvertrauten Kinder sind. „Das dient auch dem Schutz der männlichen Erzieher vor unberechtigten Vorwürfen“, hatte eine Kindergärtnerin in einem anderen Prozess vor dem Landgericht Essen erläutert.

In privaten Haushalten gibt es diese Regeln nicht. Geprüft werden die Tagesmütter zwar, aber wie sie die Kinder betreuen, bleibt ihnen in der Regel selbst überlassen.

2013 hatte die Gelsenkirchener Angeklagte fünf Kinder in der Betreuung. Der Junge, um den es jetzt vor Gericht ging, sei ihr vom Gelsenkirchener Kind als schwieriges Kind aus einer schwierigen Familie vermittelt worden. Laut Anklage soll ihr Lebensgefährte den Jungen einmal unsittlich berührt und ihm einen Klaps auf den nackten Po versetzt haben. Die Tagesmutter hätte dies bemerkt, sei aber nicht eingeschritten.

In Widersprüche verwickelt

Die Angeklagte bestreitet jede Schuld. Sie sagt auch, es sei zu keinem Missbrauch durch ihren damaligen Lebensgefährten gekommen. Sie verwickelt sich in Widersprüche, auch zu ihren früheren Vernehmungen. Staatsanwältin Sonja Hüppe und das Gericht sind sich sicher, dass die Frau nicht die Wahrheit sagt. Aber allein die Lüge überführt in Deutschland keinen Angeklagten.

Das Gericht forscht nach der Wahrheit, vernimmt das Kind. Ein bizarres Bild, das zumindest bei Angeklagten Ängste auslösen kann: Denn die Mutter, 23 Jahre alt und Hausfrau, hat offenbar die Dienste der „Bikers against child abuse“ (BACA) genutzt. Das sind an Rocker erinnernde Motorradfahrer in Kutten, die gegen den Missbrauch von Kindern kämpfen. Sie bieten Betreuung der Kinder an, damit diese stark genug für einen Prozess sind. Zitat: „Wir wollen an alle, die mit dem missbrauchten Kind zu tun haben, eine klare Botschaft senden, dass dieses Kind Teil unserer Organisation ist und wir bereit sind, das Kind physisch und emotional mit unserer Anwesenheit zu unterstützen.“

30 Biker in Kutten begleiten das Kind

So begleiten rund 30 Biker mit ihren Kutten und Tätowierungen das Kind in den Saal. Wie muss das auf einen Fünfjährigen wirken? Richter Volker Uhlenbrock rügt das später: „Wir glauben nicht, dass das gut ist.“ Er erinnert an den tosenden Applaus am Ende der Aussage des Kindes. Der Junge hielt sich die Ohren zu.

Das Fazit des Gerichtes: Die Aussage des Jungen reiche nicht aus, die Vorwürfe ließen sich nicht aufklären. Geduldig versucht Uhlenbrock das der Mutter des Jungen zu erklären. Doch sie fällt ihm im Urteil immer wieder ins Wort. Zum Schluss verflucht die 23-Jährige ihn sogar.