Oberhausen. 3500 Liebesschlösser hingen an einer Oberhausener Brücke. Jetzt mussten sie entfernt werden. Die Besitzer waren aufgerufen, ihre Eisen gewordene Liebeserklärung jetzt abzuholen. Hunderte noch immer verliebte Pärchen kamen.

Alte Liebe rostet nicht? Junge schon. 2014 erst haben „Kevin & Sarah“ ihr Liebesschloss über den Kanal gehängt; ein Jahr später sind Namen und Datum so verwittert, dass man sie kaum noch lesen kann. Und jetzt ist das Schloss auch noch kaputt!

Die Emschergenossenschaft hat alle 3500 Eisen gewordenen Liebeserklärungen von der Oberhausener Brücke „Slinky Springs to Fame“ abgeknipst. Nicht, dass das ein böses Omen wäre. „Ich bin nicht abergläubisch“, sagt Daniel Cieminski, „es läuft sehr gut zuhause.“ Dabei sind seine Schlösser hin, das rote mit Gattin Gina und das in Lila für die Kinder. Aber sie sind ja nicht weg: Man hat sie fotografiert, in Kisten gepackt und am Samstag bei Rot-Weiß Oberhausen den Fußball- zum Schrottplatz gemacht. Schlösser abzugeben!

Kommt doch keiner, unkten Un-Romantiker, aber dann geschieht das: Hunderte stürzen sich auf den Rosthaufen, wühlen und rätseln, vergleichen im Regen das Hochzeitsfoto mit dem von „Abschnitt G“ der Brücke. Müsste nicht, zwischen dem Schloss in Bronze und dem in Rosa, mit Blick nach Essen…? Vom Band singen die „Missfits“ von Küssen im Kaisergarten.

Und endlich reckt Kristina ihre rostverfärbte Hand aus dem Gewühl: „Gefunden!“ Sie zeigt ihre Trophäe. „Es war uns so wichtig, dass wir das wiederfinden.“ Kristina und Sascha hätten das Schloss am liebsten selbst entfernt. Aber sie hatten ja keinen Schlüssel mehr! Der liegt natürlich im Kanal. (Zusammen mit Tausenden anderen rücklings versenkten.)

„Schön, dass wir es wiederhaben und es nicht im Müll liegt“

Die Brücke litt dabei gar nicht unter der Last der Romantik, also knapp zwei Tonnen Metall. Sogar dem Künstler hatte es gefallen, dass Liebende ihre Treueschwüre an seinem Werk festmachten. Wie in Köln, London und Paris! „Slinky“ litt unter – Liebeskummer. Immer wieder hatten Paare, die keine mehr waren – „die Entliebten und Traurigen“, sagt Silke Wilts von der Emschergenossenschaft -- ihre Schlösser zerstört. Und weil ein Bolzenschneider unhandlicher ist als eine Kneifzange, knipsten viele nicht den Bügel ihres Schlosses, sondern einfach den Maschendraht des Geländers durch.

Mit der Beziehung ging so auch die Brücke in die Brüche. Die ist nun hässlich verwundet, mit Draht und Kabelbindern wurden die schlimmsten Löcher geflickt. Und sind die anderen auch nicht groß genug, um hindurchzufallen, so sind sie doch gefährlich: Scharf stehen Draht-Enden in die Luft. Es wird ein neues Geländer geben, für über 100 000 Euro.

Was nicht zu bezahlen ist: die Freude, ein Schloss nach Hause zu tragen. „Ich wollte das unbedingt“, jubelt Susan Fundermann, die ihr rosa Exemplar im August 2013 mit Ehemann Frank noch im Hochzeitskleid zur Brücke brachte. „Vielleicht“, glaubt sie, „hat es das ja auch was zu bedeuten. Wir haben wir es schließlich nicht kaputt gemacht.“

Schon schön, sagt auch Jan Ludwig, „dass wir es wiederhaben und es nicht im Müll liegt“.

Er und Frau Susanne hatten ihr Schloss erst zum 20-Jährigen aufgehängt, zwei Wochen, bevor es nun wieder fiel. Und dann sind da noch Hilde Thomas und Manfred Schwedtmann, 68 und 70, aus Gelsenkirchen: „Ich hätte nicht damit gerechnet“, sagt sie froh. Wie viele andere hatten sie ihr Schloss regelmäßig „kontrolliert“ und nicht nur am Hochzeitstag „besucht“. Nun kommt es wohl unter das Hochzeitsfoto an die Wand, bei anderen in die Erinnerungskiste oder, wie bei Nadine und Marc, „an den Weihnachtsbaum“. Es ist, sagt Daniel Cieminski, der später wenigstens das Familienschloss entdeckt, „ein ideeller Wert“.

Die Finger blutig vom Wühlen...

Aber natürlich gibt es auch die, die irgendwann aufgeben, die Finger blutig vom Wühlen, das Herz schwer. Zurück bleiben die Schlösser zweier Kinder, verbunden mit einem Ring. Und Tausende Liebesgeschichten. Anzunehmen auch, dass manches Schloss von einem wütend entfernten mit in den Kanal gerissen wurde. „Die Liebe“, tröstet Silke Wilts, „ist wichtiger.“

An der Brücke hängt nun, statt der Schlösser, ein blauer Brief mit der dringenden Bitte, „keine neuen Schlösser anzubringen“. Man freue sich „für alle, die ihr Liebesglück gefunden haben“. (Und für die, die ihr Liebesschloss gefunden haben, seit Samstag wohl auch.)