Ruhrgebiet. Am Tag nach dem Brand im Stellwerk Mülheim läuft es noch überhaupt nicht rund im Bahnverkehr in NRW. Und bis auf Weiteres wird das auch so bleiben.
Daniela Köpping muss zum zweiten Mal da durch. Am Sonntag schon hatte sie für Bonn-Bochum mehr als drei Stunden gebraucht statt gut einer, hatte gewartet, hatte sich zu Geisterzügen schicken lassen, die dann gar nicht fuhren. „Der eigentliche Tipp kam dann von einem Mitreisenden: nach Herne fahren und dort die U-Bahn nehmen.“ Jetzt steht sie schon wieder Rat suchend im Reisezentrum der Bahn. Drängt Sie etwas in Bonn, Frau Köpping? „Ich treffe eine Freundin, die will in Wuppertal zusteigen.“
Das ist mal eine Planung voller Zuversicht.
Stellwerk ist ausgebrannt und fällt weiterhin aus
Denn auch am Montag kann man eigentlich kaum von Bahnverkehr sprechen zwischen Duisburg und Bochum, und die Auswirkungen strahlen ins ganze Land. Das Stellwerk in Mülheim ist am Sonntag ausgebrannt und ausgefallen, wie berichtet – und bleibt es bis auf Weiteres.
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Erst am Dienstag werden Statiker sich äußern, ob auch das Obergeschoss der Brandruine wieder betreten werden darf; und erst dann werden Experten das Ausmaß der Schäden komplett abschätzen und Kriminalisten sich auf die Suche nach der Ursache des Feuers machen können. Aus dem beschränkten Blick von außen jedenfalls ergeben sich zunächst keine Hinweise auf eine Brandstiftung.
"Ich muss irgendeinen Zug nach Dortmund finden"
Denen, die da warten, kann das durchaus egal sein. Das Stellwerk, das sich anstellt, schubst auch Christine Voß heute ganz schön herum. Aus Hattingen ist sie nach Essen gefahren, will weiter über Hamburg nach Wedel – aber Hamburg geht nicht mehr ab Essen. „Ich muss jetzt irgendeinen Zug nach Dortmund finden“, sagt sie an Gleis vier: „Um 14 soll einer kommen mit 30 oder 40 Minuten Verspätung.“ In Hamburg wäre sie dann abends, irgendwann: „Notfalls muss meine Freundin mich da mit dem Auto abholen.“
Zwischen Essen und Duisburg geht jedenfalls gar nichts mehr. Weichen und Signale stecken fest: So wie das Werk sie zuletzt stellte – deshalb ja Stellwerk – sind sie nun nicht mehr veränderbar. Die Folge: Nur wenige Züge in großen Abständen und mit minderem Tempo fahren hier entlang, dadurch die Ausfälle und Verspätungen im Regionalverkehr. Die Fernzüge hat die Bahn ganz von der Strecke genommen, sie gehen auf die zeitraubende Nordumfahrung über Gelsenkirchen und Herne.
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So etwas wie eine Umfahrung hätte Karl Heiler jetzt auch gern. Da ist er schon extra früher zum Bahnhof gekommen! Aber nun ist sein Zug nach Köln, der eben noch wenigstens im Internet stand, dort verschwunden. Was nun? Der 18-Jährige beginnt nämlich gerade sein freiwilliges soziales Jahr und hat in Köln einen festen Termin: ein Orientierungsseminar.
Keine Hoffnung in Sicht auf der Anzeigetafel
Die Anzeigetafel über seinem Kopf ist jedenfalls keine Hilfe, sie verharrt in voraussehbarer Aussichtslosigkeit. „Zug fällt aus“, „Zug fällt aus“, „Voraussichtlich 50 Minuten Verspätung“. Dann ein kleines Rätsel, vermutlich zum Zeitvertreib der Wartenden: „IC 2013 nach Stuttgart: Zug endet vorzeitig in Stuttgart – Zug fällt aus.“ Und dazwischen erklingen diese Durchsagen von rührender Präzision: „ICE nach Düsseldorf Hauptbahnhof über Essen-Hauptbahnhof, Duisburg-Hauptbahnhof, fällt aus.“
Auch in den Reisezentren der Bahn drängen sich die Leute. Beispiel wieder Bochum: Das neu eingeführte System der Wartenummern ist ausgesprochen komplex („B104“, „A71“, „B103“, „D006“) und schwer nachzuvollziehen, und dass nur drei Schalter besetzt sind von fünf, bessert auch nicht die Laune der leicht genervten Allgemeinheit. Auf die drei warten gerade: zehn Leute auf Wartesesseln, 13 stehend, zwei auf dem Boden sitzend, einer auf seinem Koffer. Ach, und einer liegt im Kinderwagen, resignierten Gesichts, wenn man das mit acht Monaten schon zeigen kann. Wie geht’s also weiter? Die Dame von der Bahn sagt gerade einer Kundin: „Morgen weiß man natürlich auch noch nicht.“
Folgende Linien der Bahn in NRW sind betroffen:
- RE1 fährt auf dem Regelweg. Reisende müssen sich auf Verspätungen einstellen.
- RE2 wird in beiden Richtungen zwischen Gelsenkirchen und Duisburg über Essen-Altenessen (Ersatzhalt) umgeleitet, kein Halt in Mülheim und Essen Hbf. Ab Altenessen besteht die Möglichkeit mit U Bahn 11 und 17 oder Straßenbahn Linie 108 nach Essen Hbf.
- RE 6 wird in beiden Richtungen umgeleitet und verkehrt zwischen Duisburg und Dortmund. Reisende mit dem Fahrtziel Essen steigen in Essen–Altenessen aus, von hier fahren die U-Bahn-Linien 11 und 17 und die Straßenbahnlinie 108 zum Essener Hauptbahnhof. Wer nach Wattenscheid will, steigt in Gelsenkirchen aus. von hier fahren die Buslinien 302 und 389 zum Hauptbahnhof. Wenn es nach Bochum gehen soll, bitte in Herne aussteigen, von hier fährt die U-Bahn-Linie 35 zum Bochumer Hauptbahnhof.
- RE11 verkehrt auf dem Regelweg. Reisende müssen sich auf 15 bis 20 Minuten Verspätung einstellen.
- S1 fährt im 40-Minuten-Takt auf dem Regelweg. Jede zweite Bahn wird zwischen Essen Steele und Düsseldorf Unterrath (in beiden Richtungen) ohne Zwischenhalt umgeleitet.
- S2 verkehrt auf dem Regelweg.
- S3 entfällt auf dem Abschnitt Essen–Oberhausen. Ersatzverkehr mit Bussen zwischen Oberhausen Hbf und Essen Hbf sowie zwischen Essen Hbf und Duisburg Hbf
- Fernverkehr: IC und ICE werden großräumig umgeleitet - über Gelsenkirchen Hbf, beziehungsweise Wuppertal Hbf. Die Haltepunkte Bochum Hbf und Essen Hbf entfallen.