Bochum. . Am Caritas-Sonntag feierten Katholische Gemeinden im Revier unter diesem Motto mit den Flüchtlingen – tatsächlich gingen auch Muslime zum Abendmahl.
Ahmed beim Abendmahl. Rahwa auf Knien zum Beten in der Bank. Und süßer Kuchen aus dem Kosovo auf dem Altar. So ökumenisch war die katholische Kirche vermutlich selten: Überall im Ruhrgebiet hatten die Kirchen am Sonntag Flüchtlinge eingeladen; „Gott heißt alle willkommen“, überschrieb Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck einen Gottesdienst in Bochum. So hartnäckig hallte dieser Ruf in die Heime – da trauten sich sogar Muslime her.
Am Samstag noch hatte der Pastor in Heilig Geist den neuen Nachbarn die Kirchentür geöffnet. Hatte die Glocke gezeigt und in babylonischem Sprachengewirr die Dinge erklärt, dass der Heilige Geist seine Freude gehabt hätte. Trotzdem steht Hoger, der Kurde aus dem Irak, am frühen Sonntagmorgen etwas verwirrt ganz hinten im Schiff: „Kalt“, sagt der 23-Jährige, der Weihrauch steigt ihm in die Schnupfennase, und doch gefällt ihm, was die Christen da machen. Es ist ja spontan auch Yohann Petros Mouche gekommen, Erzbischof von Mossul, einer also von daheim. „Caritas-Sonntag“ steht im Gemeindekalender zwischen Wallfahrt und Kartoffelfest, und Caritas heißt: „Hochachtung, Nächstenliebe, Wohltätigkeit“.
Ihre Helferin nennen sie „Mama“
Das ist es, was sie gerade leben in Bochum-Harpen, wo die ehrenamtliche Helferin Petra Kipper ihre 180 Schützlinge aus 17 Ländern „meine Kinder“ nennt, und tatsächlich sagen selbst Erwachsene „Mama“. Wo Bernhard Dittrich, früher Chef der Katholischen Flüchtlingshilfe in der Landesstelle Unna-Massen und längst über 70, alle Hilfe steuert. Und wo vor der Kirchentür Charles aus Uganda eine dunkelhäutige Familie trifft. „Seid ihr katholisch?“ Nein, sie sind Muslime, aber sie waren eingeladen, also sind sie gekommen.
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Neugierig, aber dankbar vor allem. Sie halten sich zurück und ein bisschen aneinander fest unter den 400 in der Kirche, und folgen unsicher sogar zum Abendmahl. Kinder formen die Hände zur Schale, einen Moment zögern die Frauen aus der Gemeinde: „War es denn schon zur Kommunion?“ Die Mutter versteht nicht, das Kind noch weniger, und so gibt es sogar Oblaten für die Jüngsten. „Wenn man erfährt, nicht willkommen zu sein“, hat der Bischof gesagt, „ist das wie ein Messer, das ins Herz sticht.“
In seiner Predigt findet Overbeck klare Worte: „Wir leben am Anfang einer neuen Völkerwanderung“, sagt er. Man werde sich „von gewohntem Wohlstand verabschieden“, Willkommenskultur und eine neue Ordnung lernen sowie Lebensgewohnheiten ändern müssen: „Plötzlich leben wir in einer neuen Welt.“ Die Grenzen zu schließen, sei „ein falscher Blick auf die Wirklichkeit“.
Wo Freiheit und Sicherheit ist
Für die Flüchtlinge wirbt der Ruhrbischof um Verständnis unter den Christen, die das längst haben: „Wer an seinem Leben bedroht ist, geht dahin, wo er weiß, da ist Freiheit, Sicherheit, Brot und ein Dach über dem Kopf.“ Wobei Overbeck natürlich bewusst ist: Im Revier muss er das kaum sagen. „Wir sind es gewohnt, willkommen zu heißen.“ Vielen „von uns“ sei das einst noch selbst so gegangen.
Die Gäste des Gottesdienstes werden die Predigt nicht ganz verstanden haben, die Gebete schon. In vier Sprachen stehen sie im Programm, der Bischof spricht mit Englisch, Französisch und Deutsch freundliche drei davon. In den Fürbitten betet eine Frau auf Arabisch „für alle, die Flüchtlingen helfen, hier anzukommen“. Wer weiß, wer das Lied am Ende sogar persönlich nahm: „Ihr seid der Heimat Gesicht, den Heimatlosen Licht, der Beginn einer neuen Welt, die leben lässt.“ Erdona und Rinesa aus dem Kosovo jedenfalls haben aufmerksam zugehört.
"Gott heißt alle willkommen"