Mülheim. . Mülheim bringt Flüchtlinge nach dem „Leverkusener Modell“ in Wohnungen unter. Der neue Bedarf sorgt für Unruhe in den Häusern und in den Stadtvierteln.

Weil in Mülheim wie überall im Ruhrgebiet in diesem Jahr mehr Flüchtlinge anlanden als erwartet, will die Stadt neue Wohnungen für sie anmieten. Die Crux des Plans: Vor dem Einzug der Neuankömmlinge steht der Umzug der alten Mieter. In Mülheim rumort es, zumindest an den Standorten der neuen Unterkünfte. Die einen wollen nicht umziehen, die anderen, ihre Nachbarn ringsum, sorgen sich, welche Probleme die Flüchtlinge in ihren Stadtteil tragen könnten.

Der Frohnhauser Weg in Mülheim-Heißen hat durchaus etwas Heimeliges. Nach vorne schützen riesige Bäume die drei Mietshäuser aus den 50er Jahren, nach hinten fällt der Blick in verwilderte Gärten. Michael Nolting jedenfalls liebt es, morgens auf seinem Balkon die Vögeln zwitschern zu hören. Und genau das möchte er auch weiterhin genießen. Ob es so sein wird, ist fraglich. Schließlich erhielt der 56-Jährige vor ein paar Tagen einen Brief von seiner Vermieterin, der Mülheimer Service-, Wohnungsvermietungs- und -baugesellschaft SWB, die ihm einen Umzug nahelegte.

Die SWB bezahlt den Umzug

Er könne sich im SWB-Angebot ein neues Zuhause aussuchen, man organisiere und bezahle ihm auch den Umzug. Denn die Stadt benötige etwa 28 Wohnungen für rund 120 Flüchtlinge. Der Rat der Stadt Mülheim habe das entschieden, er jedoch, Michael Nolting sei frei in seiner Entscheidung, ob er umziehen oder bleiben wolle.

„Die Stimmung hier im Haus ist sehr angespannt deshalb“, erklärt Nolting am Montag gegenüber unserer Redaktion. Niemand, den er kenne, wolle umziehen. Auch er nicht. Viele seiner Nachbarn hätten ihre Wohnungen gerade frisch renoviert. „Außerdem sind die Wohnungen, die uns angeboten werden, uninteressant. Entweder sind sie zu klein oder schlecht gelegen“, sagt der Frührentner und ergänzt: „Ist denn das kein Druck, wenn ich weiß, da ziehen Leute ein, die ich nicht als Nachbarn haben will?“

Mülheim praktiziert das „Leverkusener Modell“

Seit knapp zehn Jahren praktiziert die Stadt Mülheim das, was „Leverkusener Modell“ genannt wird. Sie bringt Flüchtlinge nicht in Sammelunterkünften unter, sondern in Wohnungen. Einerseits, weil es deren Integration in Deutschland erleichtert, zum anderen, weil es erheblich günstiger ist. „In Mülheim-Styrum etwa haben wir zur Zeit 140 Menschen in Wohnungen untergebracht, was uns 500 000 Euro kostet. Zum Vergleich: Eine Unterbringung in Containern kostet zwei Millionen Euro“, erklärt Stadtsprecher Volker Wiebels.

So lange sich das machen lasse, wolle man in Mülheim so weiterverfahren. Man habe lange nach neuen Quartieren gesucht, habe Stadtteile befahren und nun gelte: „Niemand muss raus, damit Flüchtlinge einziehen könnten“, so Wiebels. Auch bei der SWB bekräftigt Sprecherin Christina Heine: „Wir kündigen niemanden!“

Anwohner sorgen sich um ihr Viertel

Am Montagabend und für Dienstag lud die SWB die Bewohner der Häuser am Frohnhauser Weg und an der Mellinghofer Straße ein, um sie zu informieren. Darüber, welche Wohnungen ihnen angeboten werden können, wie sie bei einem Umzug organisatorisch und finanziell unterstützt werden könnten. „Wir packen Kisten, wir bauen Küchen auf und bringen Gardinenstangen an“, so Christina Heine.

Die Bewohner jedoch der Häuser am Frohnhauser Weg, sie schütteln die Köpfe, viele von ihnen wollen nicht weg. Im Haus Nr. 282 an der Mellinghofer Straße, dort wo die Autos auf der A 40 auf Balkon-Höhe vorbeirauschen, wohnen zur Zeit noch vor allem Mieter mit russischem Namen.

Bei der Mieterversammlung am Abend zeigten sich einige von ihnen durchaus interessiert, in eine andere, modernisierte Wohnung umzuziehen. Roswitha Sinnes, die nebenan ihre Kneipe „Im Knüfen“ betreibt, fürchtet allerdings, dass Flüchtlinge dem Viertel und ihrem Geschäft schaden könnten. Zwei Flüchtlingsfamilien wohnten dort schon, seitdem sei es lauter geworden. Auch deshalb, so Sinnes, wollten manche der Altmieter weg.