Wächtersbach. . Mehr als tausend Menschen nahmen in ihrem hessischen Heimatort Abschied von der Studentin Tugce A.. Sie trauern um eine junge Frau mit Zivilcourage.
Für das Internet hat Andreas Brod einen Engel gemalt, von Kopf bis zu den Füßen aus ihrem Namen, der „Paradies“ bedeutet und „kleine Prinzessin“: Tugce . T wie Tapferkeit, U wie Unschuld, G wie Gerechtigkeit, C wie Courage und E wie Ehre, so wird der Name auf Facebook buchstabiert. Ein Engel ist Tugce A. für viele gewesen, sie schreiben es auf die Kranzschleifen und in die Kondolenzbriefe: „Engel der Barmherzigkeit“ oder „Unser Engel. Du wirst immer in unseren Herzen bleiben.“
„Denkt an sie, egal, wo ihr seid“
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Am Mittwochnachmittag haben sie Tugce beerdigt, in Bad Soden-Salmünster, wo sie vor 23 Jahren geboren wurde. Mehr als tausend Menschen sind dabei, und wer nicht kommen kann in diese Ecke Hessens, der tut vielleicht, was André im Internet empfiehlt: „Haltet einfach eine Minute inne und denkt an sie, egal, wo ihr seid.“ An diese junge Studentin, die in der vergangenen Woche auf tragische Weise ihr Leben verloren hat, weil sie wohl helfen wollte. Im Handgemenge, das sie versuchte zu schlichten, war sie niedergeschlagen worden und so unglücklich gestürzt, dass sie ins Koma fiel. Am Abend ihres 23. Geburtstags stellten die Ärzte die lebenserhaltenden Maschinen ab.
Es geschah auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants, und ähnlich schmucklos ist auch der Ort, an dem ihre Abschiedsfeier beginnt. Ein Gewerbegebiet am Rande von Wächterbach, wo die Moschee steht neben den Bahngleisen und einer Billig-Möbelkette. Kalt ist es und grau, die Menschen frieren, viele weinen. Und halten Fotos hoch von Tugce, dasselbe freundliche Gesicht, dass auch schon von den T-Shirts lachte bei den ersten Mahnwachen – als es noch Hoffnung gab.
Bewegender Abschied von Tugce A.
Nicht jeder hat solch einen Mut wie sie
Der dunkle, rötlich schimmernde Sarg, geschmückt mit einem Tuch mit Versen und einem weißen Schleier, wird draußen aufgebahrt. Ein Gesteck aus Rosen trägt ein Band mit der Aufschrift „Es hätte auch meine Tochter sein können“, ein anderes hat die Form eines Schmetterlings. „Nicht jeder hat solch einen Mut wie sie“, sagt eine Frau am Rande. „Ich hätte wahrscheinlich wie viele andere weggeschaut.“
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Das ist es, was die meisten hier bewegt, die Tugce Albayrak nicht einmal persönlich kannten, die sich nun aber fühlen, als hätten sie einen wichtigen Menschen verloren. „Hätten einige mehr Zivilcourage gezeigt“, notierte Rolf55 auf WAZ.de, „könnte Tugce vielleicht noch leben.“ Elfentraum wandte sich dort an die Angehörigen: „Ihr hattet eine tolle und mutige Tochter, auf die jeder stolz wäre.“ Andere schreiben: „Sie hat ihr Leben geopfert, weil sie anderen Mädchen helfen wollte.“ Sie war, glaubt einer, bestimmt „die beste Freundin der Welt“.
Im Video starb sie ein zweites Mal
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Bünyamin versucht, die Gefühle zu erklären: „Wir weinen, weil unsere Augen das wegspülen wollen, was sie gesehen haben.“ Nur, was haben sie gesehen? Viele ein Video, das Unbekannte ins Netz gestellt haben: Es soll die Szene zeigen, in der die 22-Jährige zu Boden ging, verprügelt von einem 18-Jährigen, der in U-Haft sitzt. Schon fürchtet die Staatsanwaltschaft um die Unvoreingenommenheit der Zeugen, dabei sagt Tugces Familie, die Tochter sei „auch noch falsch markiert“. Die Aufzeichnungen haben den Angehörigen zusätzlich weh getan. „Ihr könnt euch vorstellen“, heißt es auf Tuğçes Facebookseite, „wie es für die Eltern oder Brüder sein muss, ihre geliebte Tuğçe live ein zweites Mal sterben sehen zu müssen.“ (AFi/mit dpa)