Duisburg. Fast dachten Florian und Daniel Klapp, dass sie nie Eltern werden könnten. Wie es bei den Duisburgern am Ende doch geklappt hat.
Mit seinen 17 Monaten kann Amiel eine Sache schon ziemlich gut: seine beiden Papas zum Lachen bringen. Wenn er sein Trinkfläschchen zum Anstoßen hochhebt, beispielsweise, „Prost!“, ruft dann sein „Papi“ Florian Klapp, oder wenn er mit seinem Rennauto den Gehweg unsicher macht, während ihm sein „Papa“ Daniel Klapp hinterherrennt. Zeit zu dritt, als Familie, zu verbringen, das ist für sie immer das Allerschönste. Denn lange Zeit wussten die Duisburger nicht, ob sie überhaupt Eltern werden könnten.
Amiel macht es sich noch schnell auf Papis Schoß bequem, dann kann Florian Klapp auch schon loslegen. Aber womit genau? Am besten mit ihrem Kennenlernen. Allerdings, das muss er zugeben, „war es nicht Liebe auf den ersten Blick“, nur um dann schnell hinzuzufügen, „aber auf den zweiten!“ Vor 19 Jahren hat sie ein gemeinsamer Freund verkuppelt, ziemlich erfolgreich sogar, „nach drei Wochen ist er bei mir eingezogen.“ Seit 15 Jahren sind sie „verpartnert“, führen also eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Und vielleicht, „zum 20-Jährigen“, könnten auch die Hochzeitsglocken läuten...
CSD in Duisburg: Wie ein Zufall das Leben der Papas veränderte
Ja, die beiden Männer führen eine glückliche Beziehung, dennoch fehlte Florian Klapp lange etwas. „Ich hatte schon immer einen Kinderwunsch“, sagt der 44-Jährige. Sein ein Jahr jüngerer Partner aber war dagegen, bis... „Ich gemerkt habe, dass auch Männer eine biologische Uhr haben können“, erzählt Daniel Klapp. Denn ebenjene begann bei ihm langsam zu ticken. Und tatsächlich fühlten sich die Männer für eine Option bereits zu alt: Zwar ist ein Höchstalter für Adoptionen nicht gesetzlich festgelegt, allerdings sollte das Alter in einem „natürlichen Abstand zu dem der Kinder stehen“, wie die Pressestelle der Stadt Duisburg auf Anfrage mitteilt. Daher gelte allgemein eine Altersgrenze von 45 Jahren, viel wichtiger sei aber die „Passung, die dem Kindeswohl am besten entspricht.“
Auch eine andere Möglichkeit schlossen die beiden für sich aus: „Leihmutterschaften sind für uns wie Menschenhandel“, sagt Florian Klapp. Doch dann erfuhr er, der lange den Duisburger Christopher Street Day (CSD) mitorganisiert hat, bei einem Regenbogenpicknick von den Pflegeelternschaften. „Ich habe freudestrahlend die Broschüre nach Hause gebracht“, erinnert er sich. Das wäre doch das Richtige! Denn der Bedarf an Pflegefamilien ist ungebrochen hoch, das betont auch die Pressestelle der Stadt Duisburg: „Daher werden immer Pflegefamilien gesucht.“ Die beiden meldeten sich also beim Jugendamt, führten zahlreiche Gespräche, reichten die erforderlichen Dokumente ein, besuchten verschiedene Seminare... Schließlich, das war ihnen immer bewusst, „sind die Kinder ja nicht ohne Grund aus ihren Familien genommen worden.“
Warten, Hoffen, Bangen – bis zum entscheidenden Tag
Ein wenig vergleicht es Florian Klapp mit „kleinen Wundertüten“, auf die sich die Pflegeeltern einstellen müssen. Klar, „aufs Leben kann einen niemand vorbereiten“, sagt er. Dennoch haben ihnen die Kurse bei vielen rechtlichen oder gesundheitlichen Fragen geholfen. Anschließend begann das Warten, Hoffen, Bangen. „Durch Corona hat sich alles um drei Jahre verzögert“, erklärt Daniel Klapp. Dann endlich schien es zu klappen... „aber dann hat die Mutter einen Rückzieher gemacht.“ Die Zeit war nervenaufreibend, deshalb fassten sie eines Tages einen Entschluss.
„Wir saßen an einem Dienstag im Auto und haben gesagt, dass wir jetzt aufhören zu warten“, erzählt Daniel Klapp. Nunja... „Am Donnerstag hat das Jugendamt angerufen und gesagt, dass sie ein Kind für uns haben.“ Und klar, das stellte alles auf den Kopf! Die beiden lernten erst die biologische Mutter kennen, die es aufgrund einer Erkrankung nicht mehr schaffte, sich selbst um ihr sechsmonatiges Kind zu kümmern, und trafen dann endlich den kleinen Amiel, der sich zu diesem Zeitpunkt in einer Kurzzeitpflege befand. „Als ich gefragt habe, ob ich ihn mal halten kann, war es um mich geschehen“, erinnert sich der 43-Jährige.
Klapphouse in Duisburg soll zur Anlaufstelle für Pflegeeltern werden
Dennoch dauerte es noch sechs Wochen und viele Treffen, bis die Papas ihren Sohn mit nach Hause nehmen konnten. „Die Anbahnungszeit kann sonst auch schon mal drei bis vier Monate dauern“, weiß Florian Klapp. Doch bei so jungen Kindern wie Amiel kann und soll es schneller gehen. „Er war jedes Mal irritiert, wenn wir wieder gegangen sind“, erinnert sich Daniel Klapp. „Am Ende wollte er immer mit uns kommen.“ Und das durfte er dann auch. Endlich! Nun haben andere Eltern etwas mehr Zeit, normalerweise neun Monate, um sich auf ein Kind vorzubereiten... Die beiden lachen.
„Und wir hatten sechs Wochen, um alles einzurichten“, sagt Florian Klapp. Aber es hat funktioniert, unter anderem dank der Unterstützung ihrer Familien. Dabei waren ihre Eltern erst noch skeptisch... Wollt ihr wirklich ein „fremdes“ Kind aufnehmen? „Aber als der Kleine da war, war es auch um sie geschehen.“ Kein Wunder, bei dem kleinen Wirbelwind, der längst von Papis Schoß geklettert ist und nun an Papas Hand das „Klapphouse“ erkundet. Der 44-Jährige führt seit einem Jahr die Duisburger Kneipe, die auch zu einer „kleinen Anlaufstelle für Pflegeeltern“ werden soll, wie er es formuliert.
„Wir werden oft auf der Straße doof angeguckt“
Schon jetzt findet hier ein Stammtisch statt, bei dem sich Pflegeeltern und Interessierte über ihre Erfahrungen austauschen können. Denn ja, es gibt viel zu besprechen! Beispielsweise die Frage, wie das erste Treffen der kleinen Familie mit der leiblichen Mutter ablief... „Wir waren nervös“, erinnert sich Daniel Klapp. „Aber es war dann in Ordnung.“ Ein Mal im Monat organisiert das Jugendamt einen solchen Termin, darüber hinaus schicken die Pflegeeltern regelmäßig Bilder vom Kind, die das Jugendamt an die Mutter weiterleitet.
„Wenn Amiel irgendwann fragt, dann sagen wir ihm, dass er eine Mama hat, die aber krank ist und sich deshalb nicht um ihn kümmern kann“, erklärt Florian Klapp. Aber bleibt nicht die Angst, dass die Mutter ihr Kind zurückhaben möchte? „Das Risiko ist immer da“, bestätigt er. „Aber in der Langzeitpflege, die wir machen, ist das äußerst selten.“ Deshalb versuchen sie den Gedanken an einen solchen Fall zu verdrängen, ebenso wie etwas anderes... „Wir werden oft auf der Straße doof angeguckt“, erzählt Florian Klapp. Und auch die Frage, ob das Kind nicht eine Mutter braucht, haben sie schon einige Male gehört.
Stammtisch im Klapphouse
Der Stammtisch für (werdende) Pflegeeltern findet monatlich im Klapphouse, Borkhoferstraße 47a in 47137 Duisburg, statt. Weitere Infos sind online zu finden unter https://klapphouse.de/
Regenbogenfamilien, also Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle sowie deren Kinder, treffen sich jeden ersten Freitag im Monat von 16 bis 18 Uhr im Café Regenbogen der DRK Familienbildung, Erftstraße 15 in 47051 Duisburg.
Bei Fragen zu Bereitschaftspflegefamilien und auch zur Dauerpflege können Interessierte aus Duisburg sich unter 0203/2838943 oder 0203/2838990 melden. Bewerbungen sind möglich beim Pflegekinderdienst Duisburg per Mail an pfadu@stadt-duisburg.de
Florian Klapps Reaktion darauf lautet dann: „Warum? Er wächst doch behütet bei uns auf.“ Und sein Mann fügt noch hinzu: „Es ist doch egal, wo ein Kind lebt! Hauptsache es ist ein Zuhause voller Liebe.“ Und die Liebe können die beiden ihm geben, so viel hat Amiel schon mit seinen 17 Monaten verstanden. Deshalb reicht es ihm langsam auch mit dem Gespräch der Erwachsenen – jetzt möchte er mit seinem Papi und seinem Papa spielen. Vorher aber hebt er noch seine Hand, um zum Abschied zu winken. Tschüss!