Kleve. Im Museum Kurhaus Kleve ist die Ausstellung „Karin Kneffel: Face of a Woman, Head of a Child“ zu sehen. Dabei geht’s auch um kritische Themen.

Alles beginnt mit einem Geständnis. „Ich habe lange einen Riesenbogen um Madonnen in Kirchen gemacht“, erklärt Karin Kneffel. „Die Innigkeit zwischen Mutter und Kind hat mir nie gefallen.“ Und doch hat die Düsseldorfer Künstlerin eine neue Bilderserie geschaffen, die sich mit ebenjener Thematik beschäftigt, mehr noch, die nun auch im Zentrum der Ausstellung „Karin Kneffel: Face of a Woman, Head of a Child“ im Museum Kurhaus Kleve steht. Wie das passieren konnte? Nun ja, dazu führt sie am besten direkt mal in den ersten von insgesamt zehn Räumen, in denen es Werke aus den vergangenen 15 Jahren zu entdecken gilt. Eines aber schickt Direktor Dr. Harald Kunde noch vorweg, quasi als Warnung: „Es sind Bilder, die eine malerische Qualität besitzen und voller Rätsel stecken.“

Das trifft gerade auch auf ihre früheren Werke zu, die bereits auf die spätere Serie hindeuten… Da wäre beispielsweise das nackte Jesuskind mit wildem Lockenkopf, das tapsig auf den blutroten Sonnenuntergang zuläuft. Dabei wandert der Blick nah entlang des Körpers, fast zu nah, nur um sogleich durch Schlieren auf Abstand gehalten zu werden. Ist es etwa die Sicht durch ein Fenster? „Ich will nicht, dass man sich in meinen Bildern verliert“, betont Karin Kneffel. „Denn ich schaffe mit meinen Bildern einen Denkraum, mit dem man sich auseinandersetzen sollte.“ Also gut. Dann aber stellt sich sofort die nächste Frage: Was hat es mit dem weinenden Strichmännchen, direkt neben dem laufenden Jesuskind, auf sich? „Nonnen bekamen früher solche Jesusfiguren, die sie dann einkleideten“, antwortet sie.

Riesige Pfirsiche

Manche steigerten sich dabei so sehr in das „Muttersein“ rein, „dass sie sogar scheinschwanger wurden“, erzählt die Künstlerin. „Das ist der tragische Hintergrund, den ich sehr kritisch sehe.“ Deshalb auch die Weintrauben, „die für das Blut Christi stehen“, und die Karin Kneffel in einem anderen Bild als alleiniges Motiv aufgreift. Bereits in den 1990er Jahren hat sie sich intensiv mit Früchten auseinandergesetzt, durch ihre „Obstserie“ wurde sie einem größeren Publikum bekannt. „Ich habe mich gefragt, was passiert, wenn ich sie noch einmal male.“ Und? Was passiert? „Das können Sie sich selbst anschauen“, sagt sie und lacht. „Oben hängt ein Bild aus den 1990ern.“ Übrigens passiert es nicht oft, dass die Pfirsiche von 1996 ausgestellt werden können – das 7,10 Meter große Werk passt nun mal nicht in jedes Museum…

Mal hält das Jesuskind die Weintrauben in der Hand, mal stehen die Früchte für sich – in den Bildern der Karin Kneffel, zu sehen aktuell im Museum Kurhaus Kleve.
Mal hält das Jesuskind die Weintrauben in der Hand, mal stehen die Früchte für sich – in den Bildern der Karin Kneffel, zu sehen aktuell im Museum Kurhaus Kleve. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

Und auch der Kern der Ausstellung, die Gesichter der Frauen und die Köpfe der Kinder, brauchen viel Platz – den es glücklicherweise in der Wandelhalle gibt. Zwölf Diptychons hängen an der Wand, jedes besteht aus einer Mutter und einem Kind, doch damit hören auch schon fast die Gemeinsamkeiten auf. Mal schaut die Mutter angespannt nach unten, mal lächelnd nach oben… Mal lächelt das Kind, mal dreht es sich weg… Nur muss der oder die Betrachtende dafür auch ganz genau hinsehen! Und genau das hat Karin Kneffel getan, als sie eine Kirche besuchte und ausnahmsweise mal keinen „Riesenbogen um Madonnen“ machte. Dabei stellte sie fest: „Die Frauen sind weder schön noch klischeebehaftet.“ Ganz im Gegenteil! Manche sehen traurig aus und scheinen alles andere als im Mutterdasein aufzugehen.

Ungelöstes Rätsel

Karin Kneffel begann die spätgotischen Figuren, die alle aus dem 15. oder 16. Jahrhundert stammen, zu fotografieren. „Ich wollte etwas daraus machen“, erzählt sie. Aber was? Zunächst malte sie ein Bild, nur um dann festzustellen: „Ich musste Mutter und Kind trennen.“ Weil die Figuren für sich stehen, weil eben keine „Innigkeit“ zwischen ihnen herrscht. Doch als sie zwei Bilder malte, stand sie vor dem nächsten Problem: Die Köpfe waren unterschiedlich groß! „Also musste ich den Kopf der Mutter näher heranholen, wodurch die religiösen Attribute wegfielen.“ Kurze Pause, dann schiebt sie schnell hinterher: „Zum Glück!“ Denn sie wollte nie die Madonnen, sondern die Frauen – die als Modell für die Figuren standen – malen. „Plötzlich haben sie auf meinen Bildern Leben bekommen.“ Doch: Wer waren überhaupt die Frauen?

Wenn das Bild zu groß ist, muss Karin Kneffel eben im Liegen malen.
Wenn das Bild zu groß ist, muss Karin Kneffel eben im Liegen malen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

Zumindest bei zwei Paaren gibt’s darauf eine Antwort: Denn Karin Kneffel hat sich selbst mit ihrem Sohn sowie ihre Schwiegertochter mit ihrem Kind gemalt. Übrigens, wie die Künstlerin arbeitet – manchmal mit Föhn und auf dem Boden liegend –, lässt sich auf einer riesigen Fotowand nebenan bestaunen… Doch schnell zurück zu den Diptychons, denn ein Rätsel ist noch nicht gelöst. „Ich habe eine KI beauftragt, ein Bild von einer Madonna zu generieren.“ Wobei, das muss sie lachend zugeben, „dann erstmal Bilder von der Sängerin rauskamen.“ Also optimierte sie ihren Auftrag, eine „Mutter-Kind-Darstellung als Holzskulptur aus dem 15. Jahrhundert“ sollte es werden, die sie anschließend abmalte. Um welches Paar es sich dabei handelt? Nun ja, wer genau hinsieht (am besten etwas tiefer und eher rechts), entdeckt es bestimmt…

>>> Karin Kneffel im Museum Kurhaus Kleve

Karin Kneffel wurde 1957 in Marl geboren und lebt heute in Düsseldorf. Sie studierte bis 1987 Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf, unter anderem als Meisterschülerin bei Gerhard Richter.

Ihre Kerzenbilder, die bewusst an Gerhard Richters Reihe erinnern sollen, sind ebenso in der Ausstellung zu sehen wie ihre Feuer- und Früchtebilder sowie weitere Werke aus den vergangenen 15 Jahren.

„Face of a Woman, Head of a Child“ ist bis zum 18. Februar 2024 im Museum Kurhaus Kleve zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der 38 Euro kostet.