Duisburg. Harald Jüngst hat ein ungewöhnliches Instrument für sich entdeckt: die Handpan. Nun hat der Duisburger eine CD veröffentlicht.
Ein Fauxpas direkt zu Beginn: Das Interview beginnt zehn Minuten zu früh! In Irland würde das niemals passieren, erklärt Harald Jüngst, der sich selbst als „germano-irischer Zwitter“ beschreibt. Aber als solcher kommt er glücklicherweise mit beiden Mentalitäten zurecht, auch mit der deutschen Überpünktlichkeit. „Ich war vorbereitet“, sagt er lachend, während er ein ungewöhnliches Instrument hochhebt und sich damit in seinen gemütlichen Sessel setzt. „Das ist eine Handpan“, erklärt er und gibt gleich mal eine akustische Kostprobe. Er trommelt und trommelt, oben und seitlich und wieder oben… sodass sanfte, ja fast mystische Töne durch sein Wohnzimmer schweben. „Wenn Blech die Seele streichelt“, heißt seine gerade erschienene CD, die er auf gleich zwei Konzerten vorstellt. Und natürlich auch im Interview, das er immer wieder musikalisch untermalt.
Herr Jüngst, wie sind Sie zum „germano-irischen Zwitter“ geworden?
Ich habe tatsächlich zwei Identitäten und bewege mich zwischen Duisburg und Irland. Das begann vor vielen Jahren, als ich noch Student war und das erste Mal nach Irland reiste. Schöne Landschaften hatte ich auch schon woanders gesehen, aber dort kamen noch die menschliche und kulturelle Komponente hinzu. In Deutschland war die Volksmusik eingeschlafen, unter anderem durch die braune Vergangenheit, und auch ich hatte kein Verhältnis dazu. Aber die irische Volksmusik fesselte mich.
Wieso?
Ich hatte ein Erlebnis in einem Pub, das bezeichnend war. Hierzulande gibt’s jeweils eine Kneipe für Studenten, für Alte, für Junge, für Rockmusiker und so weiter. In Irland gibt’s Pubs für alle, vom Baby bis zum Greis. Und in einem solchen erlebte ich eine ziemlich peinliche Situation. 20 Leute saßen an einem Tisch, darunter auch viele Ausländer, und jeder sollte ein Lied singen. Ich war auf Position acht und dachte mir: „Harald, wo ist die Erdspalte?“ Dabei ist es allen egal, ob du durch die Zähne pfeifst oder die tollsten Melodien preisgibst. Ich sang dann „Auf einem Baum ein Kuckuck saß“.
Wie reagierten die anderen darauf?
Beim Refrain sangen alle das „Simsalabim bamba saladu saladim“ mit und sie fanden auch den Text, den ich ihnen später übersetzte, toll. Weil es ja quasi um den „Geist der Freiheit“ geht, der wieder aufersteht. Naja, und nach meinem ersten Besuch dachte ich, dass ich noch einmal nach Irland muss. Ich habe mich dann die Westküste bis Donegal hochgearbeitet und dabei das gälische Liedgut kennengelernt.
Die irische Musik wollten Sie dann auch nach Deutschland bringen?
Ich war kurz darauf auf einer Hochzeit, auf der drei Gäste und ich auf unseren Gitarren klampften. Jeder brachte etwas anderes mit – einer Rockmusik, einer Deutschfolk, einer Songs von Bob Dylan und ich eben irische Lieder. Daraus wurde dann später unsere Band „Sheevón“. Außerdem habe ich auch lange im WDR eine eigene Sendung gehabt, in der ich irische Musik vorgestellt habe. Und im Bürgerfunk vom Radio Duisburg weise ich noch immer an jedem vierten Dienstag im Monat in der Sendung „Let’s go Irish“ auf irische Neuvorstellungen und Konzerte hin. Die nächste Radiosendung läuft übrigens am 28. Februar.
Aber nun zur Handpan, die doch eigentlich kein klassisch irisches Instrument ist, oder?
Nein, die Handpan gibt’s erst seit 20 Jahren. Ein Schweizer hat ein Instrument wie die Steel Pan gesucht, das man aber nur mit den Händen spielen kann. Er hat dafür zunächst zwei Woks zusammengesteckt, darauf verschiedene Tonfelder gehämmert und dann gerufen: „Heureka, ich hab’s!“ Die Nachfrage nach dem „Hang“ – was „Hand“ auf Schweizerdeutsch heißt – war groß und daraus ist später die Handpan entstanden.
Wie sind Sie auf das doch eher außergewöhnliche Instrument gestoßen?
Angefangen hat alles hiermit (nimmt eine Rahmentrommel in die Hand und spielt darauf). Das ist eine Bodhrán, ein typisch irisches Instrument, die ich für meine Lesungen nutze. Denn ich habe auch irische Märchen aufgeschrieben und stelle sie an den unterschiedlichsten Orten vor – ich war schon in über 20 Ländern auf fünf Kontinenten. Aber ich komme dann nicht als Vorleser, sondern als Erzähler. Und bei den Veranstaltungen baue ich immer auch irische Songs ein, für die ich zunächst eben nur die Bodhrán verwendet habe. Als ich dann vor fünf Jahren Fabian Küpper aus Krefeld hörte, wie er auf der Handpan spielte, war ich von dem Sound sofort hin und weg.
Was fasziniert Sie daran so sehr?
Was ich selbst erst gelernt habe: Die Menschen haben sich in den 1930er Jahren auf einen Kammerton von 440 Hertz festgelegt, damit Instrumente untereinander kompatibel sind. Die Handpan hier (schlägt einige Male auf das Metall) hat eine Frequenz von 432 Hertz. Dadurch geht es viel mehr in die Tiefe und in die Entspannung – das ist ein total meditativer Sound. Wenn ich zu Beginn einer Lesung oder einer Yogasession nur einen Ton anschlage, sind schon alle fasziniert. Übrigens, wenn ich auf einem Konzert zusammen mit Gitarre und Harfe spiele, dann habe ich auch noch eine Handpan, die eine Frequenz von 440 Hertz hat.
Wie ist die Idee entstanden, eine ganze CD mit dem „meditativen Sound“ zu füllen?
Der WDR hat einen kleinen Film über mich gedreht, wie ich in der Corona-Zeit – als ich keine Auftritte und Lesungen hatte – im Botanischen Garten saß und auf der Handpan gespielt habe. Das hat mein guter Freund Michael Strohm, genannt „Schnuff“, gesehen und gesagt: „Da machen wir was draus!“ Ich sollte eine Stunde einfach vor mich hinspielen und er wollte etwas daraus basteln. Aber dann ist er leider sehr plötzlich gestorben, sodass das Projekt erstmal aufgeschoben wurde. Mit meinem langjährigen Freund Eamon Mc Elholm aus Irland konnte ich die CD dann im vergangenen Jahr endlich aufnehmen.
Ihre CD stellen Sie auf gleich zwei Konzerten vor. Worauf können sich die Gäste freuen?
Im ersten Teil jamme ich auf der Handpan gemeinsam mit Annette Buermann, die ein Monochord spielt. Im zweiten Teil spielen das „Celtic Dreamtime Quartet“ und ich dann einige arrangierte Stücke. Die Grundstimmung ist entspannt, aber auch irische Musikfreunde kommen auf ihre Kosten. Deshalb passt der Untertitel der Konzerte gut: „Klänge und Stimmen zum Wegträumen“.
>>> Konzerte in Duisburg
Harald Jüngst und das „Celtic Dreamtime Quartet“ treten an zwei Terminen auf: Am Freitag, 10. März, spielen sie um 17 Uhr in der Bezirksbibliothek Rheinhausen. Karten kosten 12 Euro plus Vorverkaufsgebühr und sind online erhältlich: www.stadtbibliothek-duisburg.de
Am Samstag, 11. März, sind sie um 20 Uhr im Theater „Die Säule“ zu sehen – und natürlich zu hören. Karten kosten an der Abendkasse 15 Euro, im Vorverkauf 13 Euro. Bestellungen sind per E-Mail möglich: juengst@sheevon.com
Die CD „Wenn Blech die Seele streichelt“ kostet 15 Euro und ist bei Harald Jüngst, auch als Download, erhältlich. Eine Kostprobe und weitere Informationen sind auf seiner Homepage zu finden: www.harald-juengst.com