Duisburg. Das Kinder- und Jugendtheaterfestival „Kaas & Kappes“ in Duisburg wird stolze 25. Das hat selbst die Königin damals nicht ahnen können…
Wenn schon, denn schon! Niemand Geringeres als die Königin sollte Schirmherrin des ersten Kinder- und Jugendtheaterfestivals „Kaas & Kappes“ werden. Das zumindest wünschte sich das Team des Kom’ma-Theaters in Duisburg und schickte 1998 einfach mal eine Anfrage ans niederländische Königshaus. Ein bisschen „dreist“ sei das vielleicht gewesen, gibt die künstlerische Leiterin Renate Frisch im Interview lachend zu. Aber vielleicht ja auch einfach nur ziemlich mutig? Zumindest kam schon bald die royale Antwort: Königin Beatrix müsse leider absagen, denn sie unterstütze nur nachhaltige Projekte. Gut, sie konnte damals ja nicht ahnen, dass es 25 Jahre später noch immer „Kaas & Kappes“ geben würde…
Dachten sich anfangs so manche: Wat is’ dat wieder für ’n Kappes?
Nein (lacht). Tatsächlich hat niemand darüber gelästert. Im Gegenteil! Die Idee ist ja aus der Tatsache geboren, dass wir so grenznah gelegen sind. Damals hatten wir aber alle noch nicht den Europa-Gedanken wie heute. Die Euregio Rhein-Waal wollte das ändern und gab für das dreijährige Projekt eine Anschubfinanzierung von recht beachtlichen 30.000 Mark. Der Grundgedanke dabei war, dass wir dies- und jenseits der Grenze gemeinsame Themen haben, über die gerade in der Kulturbranche eine fruchtbare Zusammenarbeit entstehen kann. Bedingung war, dass das Projekt nach drei Jahren auf eigenen Füßen steht; ab da hat die Stadt Duisburg dankenswerterweise die Finanzierung übernommen.
Wie ging’s dann los?
Gerade beim Kinder- und Jugendtheater waren die Niederländer*innen schon damals weit vorne. Jede Klasse musste jedes Jahr ins Theater, deshalb gab’s viele Produktionen auf hohem Niveau. Wir sind dann quasi auf den Zug mit aufgesprungen. 1999 sind wir mit zehn Gastspielen, fünf deutschen und fünf niederländischen Produktionen, gestartet. Zwei der niederländischen Stücke wurden übersetzt, drei im Original aufgeführt. Gerade für die Duisburger*innen und das deutsche Fachpublikum war es spannend, das Niederländische nicht nur beim Bestellen eines Koffies, sondern auch mal als dramatische Sprache zu erleben.
Was unterscheidet das deutsche vom niederländischen Kinder- und Jugendtheater?
Die Niederländer*innen lachen darüber, dass in deutschen Theaterstücken häufig Tiere auftauchen. Und so ganz von ungefähr kommt das nicht, wenn man sich hier mal umsieht… (zeigt auf die bemalten Wände im Foyer). Da sind Ox & Esel, das Neinhorn, Werner Wunderwurm. Mittlerweile hat sich das aber etwas geändert. Und das Schaf hier (deutet auf das Bild überm Tisch) ist übrigens aus einem niederländischen Theaterstück (lacht).
Mittlerweile geht’s bei „Kaas & Kappes“ aber weniger um die Aufführungen, sondern vor allem um den Autor*innen-Wettbewerb…
Über die Jahre ist der Spielplan des Festivals immer weiter zusammengeschrumpft. 2021 fand wegen Corona überhaupt nichts statt, 2022 lief alles nur digital und 2023 – zu unserem 25-jährigen Bestehen – wollen wir uns wieder ganz auf das Wesentliche konzentrieren. Das ist der Dramatiker*innenpreis, dotiert mit 7500 Euro, den wir von Anfang an vergeben haben und der damals vor allem für die niederländischen Autor*innen eine große Chance war.
Wieso das?
In den Niederlanden gab es aufgrund der kulturellen Binnenstruktur keine Verlage, die dramatische Texte in ihre Programme aufnahmen. Deshalb war es für niederländische Autor*innen besonders schön zu gewinnen, denn dann wurden ihre Theaterstücke übersetzt, verlegt und deutschlandweit aufgeführt. Das internationale Gefälle von damals ist zwar mittlerweile ausgeglichen, aber noch immer bringen wir mit unserem Preis viele Autor*innen erst in die Theaterwelt. Allein unser erster Preisträger Norbert Ebel… Sein „Ox & Esel“, das viele als Weihnachtsstück kennen dürften, wurde in über 40 Sprachen übersetzt und wird nun in der ganzen Welt gespielt. So läuft es natürlich nicht immer, aber das Beispiel zeigt einfach die Wirkkraft, die unser Preis ausstrahlt.
Wie viele Bewerbungen landen jedes Jahr bei Ihnen auf dem Schreibtisch?
Als die Texte noch mit der Post kamen, hatten wir immer einen meterhohen Stapel, den wir durcharbeiten mussten. Mittlerweile ist alles digitalisiert und es sind auch weniger Einsendungen geworden, aber rund 100 sind es immer noch. Und die lesen wir blind, das heißt, wir wissen nicht, was von wem ist. Das hat den Hintergrund, dass auch immer wieder große Dramatiker*innen wie beispielsweise Paul Maar oder Volker Ludwig etwas einsenden, das man dann automatisch anders bewerten würde. Und auf der anderen Seite gibt es natürlich auch unbekannte Autor*innen, die überraschend Tolles schreiben. Uns geht es immer um die Leistungen und nur die bewerten wir.
Was macht ein gutes Kinder- und Jugendtheaterstück aus?
Wir haben einen Kriterienkatalog erstellt, aus dem ich ja mal ein paar Punkte vorlesen kann (blättert in ihren Notizen). Es geht um die Relevanz des Themas in der heutigen Zeit oder auch um die künstlerische Verarbeitung der Realität – also, mit welchem Blick wird auf die Wirklichkeit geschaut. Außerdem ist uns die sprachliche Qualität sehr wichtig. Und handelt es sich um eine innovative Leistung oder sind bekannte Themen in gewohnter Manier bearbeitet? In diesem Jahr haben wir beispielsweise drei Texte über Robin Hood bekommen – die Frage ist dann, wieso die Geschichte noch einmal erzählt werden sollte. Entscheidend ist auch der Überraschungsmoment, schließlich will ich im Theater nicht nur informiert, sondern auch unterhalten werden. Insgesamt lässt sich das alles in einer Leitfrage zusammenfassen: Wieso muss dieses Stück unbedingt gespielt werden?
Das klingt nach keiner einfachen Entscheidung… Wie hitzig laufen die Diskussionen in der Jury ab?
Die Jury war ja von Anfang an binational besetzt: mit zwei Theaterschaffenden aus den Niederlanden und zwei aus Deutschland. Wir sind vier Menschen mit unterschiedlichen Meinungen, tatsächlich entsteht aber selten ein niederländisches und ein deutsches Lager. Manchmal sind sich eher die Männer und die Frauen einig. Da kann es schon mal stundenlange Diskussionen geben. Aber dann lesen wir ausgewählte Texte noch einmal, bis wir uns schließlich auf eine*n oder auch mal mehrere Preisträger*innen festlegen können.
Ist manchmal auch echter Kappes dabei?
Ich möchte keinen Text verunglimpfen, weil alle mit Herzblut geschrieben sind. Aber natürlich ist es etwas anderes, ob ein Märchen nett erzählt wird oder eine Geschichte mit einem besonderen Kunstverständnis dramatisiert wird. Die ganze Theaterwelt schaut ja mittlerweile auf unseren Preis und erwartet immer etwas Neues, Innovatives, Überraschendes. Dem müssen wir auch gerecht werden.
Wieso ist Theater gerade für Kinder und Jugendliche so wichtig?
Der Blick auf die Welt ist im Theater ein anderer als in der Realität. Denn hier kann ich alle möglichen Dinge behaupten, um dadurch die Fantasie anzuregen. Muss ich wirklich so handeln oder gibt es Alternativen? Theater soll aber auch immer unterhalten und eine kleine Auszeit aus dem normalen Leben ermöglichen.
>>> 25 Jahre „Kaas & Kappes“
Renate Frisch macht seit 50 Jahren Theater. 1976 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern des Reibekuchentheaters, das sich 2013 in Kom’ma-Theater umbenannte. 1998 entstand das niederländisch-deutsche Kinder- und Jugendtheaterfestival „Kaas & Kappes“. Im Mai 1999 war es dann soweit: Am Ende der Theaterwoche fand die Verleihung des Dramatiker*innenpreises statt.
Inzwischen veröffentlicht „Kaas & Kappes“ immer auch einen Stückepool, der über die Preisträgerstücke hinaus auf bis zu zehn der besten eingesandten Stücke aufmerksam macht und sie damit auf den Weg in die Theaterlandschaft bringt. Dazu gehörte vor zwei Jahren auch „Werther in Love“, das am Sonntag, 26. Februar, um 15 Uhr im Theater Duisburg gezeigt wird. Anschließend findet zum 25. Mal die Preisverleihung von „Kaas & Kappes“ statt.
Weitere Informationen sind auf der Homepage zu finden: www.kaasundkappes.de