Münster. Nach einer Studie der Universität Münster zeigt nur jeder fünfzigste Online-Spieler ein “problematisches Spielverhalten“. Warum es ausgerechnet die erwischt, ist unklar. Internet-Forscher Professor Thorsten Quandt vermutet die Ursachen außerhalb des Spiels.

Wir haben vom Computerspieler ein falsches Bild – das zumindest sagt Prof. Thorsten Quandt. Computerspieler sind nur selten blassgesichtige männliche Jugendliche, die zwischen Pizzakartons und Energydrinks in halbvermüllten Zimmern tagelang blutrünstige Ballerspiele spielen. Computerspiele sind gesellschaftsfähig geworden – und Zeitvertreib mit einem Suchtpotenzial das knapp unterhalb des TV-Programms von Arte liegt. „Die öffentliche Wahrnehmung ist aber eine ganz andere“, weiß der Münsteraner Kommunikationswissenschaftler.

„Es geht nicht darum, Leuteneinfach den Stecker zu ziehen.“

In einer Studie mit 902 Versuchspersonen hat das Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster in den vergangenen zwei Jahren das Suchtpotenzial der Spiele unter die Lupe genommen. Ergebnis: Nur ein Prozent der Computerspieler hatte über den Zeitraum von zwei Jahren hinweg Symptome von Computerspielsucht, während mehr als 90 Prozent der Befragten im gesamten Untersuchungszeitraum unauffällig in ihrem Spielverhalten waren.

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Allerdings räumt auch Professor Thorsten Quandt ein: „Wir haben tatsächlich extreme Einzelfälle gefunden, die hochproblematisches Verhalten zeigen – es ist aber nicht die erwartete Masse. Vielmehr gibt es offenbar einzelne Personen, die ein deutlich abweichendes Verhalten zeigen.“ Warum das so ist, ist noch unklar. Zur Erinnerung: Erst am Wochenende musste ein Teenager von der Polizei in eine Klinik gebracht werden, weil er völlig ausrastete, als seine Mutter ihm nach sieben Stunden das Internet sperrte (die NRZ berichtete). Quandt dazu: „Ich bezweifle, dass das einfach so passiert und dass ein Spiel so etwas von sich aus auslöst. Wenn das so wäre, hätten wir bei Millionen Spielern viel häufiger solche Meldungen.“ Die Probleme des Jugendlichen lägen sicher nicht im Computerspiel allein begründet.

Wie entsteht in Spielewelten eine soziale Ordnung?

Deswegen, so Quandt, gehe es nicht darum, „Leuten einfach nur den Stecker zu ziehen und dann ist alles gut.“ Im Gegenteil: Ein solcher Spielertyp würde sich mutmaßlich ebenso exzessiv auf irgend etwas anderes stürzen. Nichtsdestotrotz: Zu den Forschungsprojekten in Münster gehört künftig die Beobachtung von Formen extremer Online-Mediennutzung.

Die jetzt in einem Fachmagazin für Suchtfragen veröffentlichte Studie ist Teil eines Forschungsvorhabens, das mit europäischen Forschungsmitteln von 1,84 Mio Euro gefördert wird. Es soll über einen Zeitraum von fünf Jahren die sozialen Grundlagen der virtuellen Spielewelten ergründen: Wie entsteht in Spielewelten eine soziale Ordnung und wie beeinflussen sich Spielwelt und „echtes Leben“?

Spielen, so Prof. Quandt, ist mittlerweile gesellschaftsfähig. In der Altersgruppe bis 40 Jahre gehört es zu den Hauptaktivitäten, aber selbst bei den Rentnern spielt jeder zehnte Online-Spiele – dazu zählt auch das beliebte Quizduell. Neben diesem Wettbewerbs-Charakter, der vor allem auch bei Sport-Spielen männliche Spieler reizt, geht’s beim Spielen ums Prestige: Man will gewisse Punktzahlen, Levels oder Ansehen in virtuellen Spielewelten erreichen. Und nicht zuletzt und wenig überraschend: Den meisten macht das Spielen Spaß – und es ist gut gegen Langeweile.