Ruhrgebiet. Der November ist der Monat des Staus. So empfinden es viele Autofahrer, die im November besonders oft auf der Autobahn stehen. Aktuelle Zahlen belegen allerdings: Es sind sogar weniger Autos unterwegs als in anderen Monaten. Warum also knubbelt es sich im November so häufig auf der Straße?
Dienstagmorgen, acht Uhr. Eine graue Wolkendecke verhängt den Himmel, Nieselregen kriecht selbst durch die wasserfeste Herbstjacke. Ohne Gummistiefel sind die Füße nach drei Metern Fußweg kalt und klamm, die Hände frieren, der Wind tost durch die Haare.
Da steigt selbst der hartgesottenste ÖPNV-Fahrer oftmals lieber ins Auto, um den Weg zur Arbeit, Schule oder zum Einkaufen zu bewältigen. Ein typisches Novemberbild, wenn das Wetter ungemütlich und der Straßenverkehr ungemütlicher wird.
Das Phänomen November-Stau ist unter Autofahrern ein leidiges Thema. Jedes Jahr scheint das Verkehrsaufkommen zu steigen, sobald die Temperaturen sich dem Gefrierpunkt nähern. Tatsächlich aber steckt eine ganz andere Ursache hinter dem stockenden Verkehrsfluss, erklärt Bernd Löchter von Straßen.NRW. "Dass im November auf den Straßen mehr los wäre, bestätigen unsere Messungen nicht", so Löchter, "im Gegenteil, es sind sogar fünf Prozent weniger Autos und Lastwagen unterwegs. Es ist der Fahrstil, der sich im November negativ auf den Verkehrsfluss auswirkt: Es wird defensiver und unregelmäßiger gefahren."
Autofahrer sind im November vorsichtiger
Konkret heißt das: Es sind zwar weniger Autos unterwegs, aber wegen der Witterungsbedingungen fahren sie langsamer, bremsen schneller und halten größere Abstände zum Vordermann. Dadurch komme es schneller zu Staus als unter anderen Bedingungen, erklärt Löchter.
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Vor allem in den Stoßzeiten morgens und abends knubbele es sich daher auf den Hauptverkehrsadern des Ruhrgebiets, wie etwa der A40 oder der A1. Im Durchschnitt belege die aktuelle Statistik der Verkehrszentrale in Leverkusen jedoch, dass es im November rund zehn Prozent weniger Staus gibt als etwa im Oktober. Auch Länge und Dauer seien um 20 Prozent geringer, so Löchter.
Viele steigen vom ÖPNV aufs Auto um
Diese Statistik kann Jacqueline Grünewald vom ADAC Nordrhein nicht bestätigen. "Bei teilweise 190 Kilometer Stau in NRW kann man den November-Stau keine Legende nennen", so die Pressesprecherin. "Es ist Fakt, dass im November mehr Staus entstehen." Das liege vor allem daran, dass mehr Menschen aufs Auto umsteigen.
"Der Weg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist vielen in dem ungemütlichen Wetter zu umständlich. Mit dem Auto geht es schneller und bequemer, denken sich die Leute", so Grünewald. Weiterhin spiele eine Rolle, dass im November meistens keine Ferien sind: Sowohl innerstädtisch als auch auf den Autobahnen seien deshalb mehr Berufstätige unterwegs.
Baustellen behindern den Verkehrsfluss
Neben der vorsichtigeren Fahrweise sind es vor allem Baustellen, die Staus verursachen. Jacqueline Grünewald kritisiert: "Natürlich sind Sanierungsvorgänge wichtig und sinnvoll. Aber im November werden mancherorts noch frische Spatenstiche gesetzt, die gut im Sommer hätten erledigt werden können. Wenn der Boden dann friert, müssen die Arbeiten unterbrochen werden, aber die Baustelle steht noch: Das könnte vermieden werden. Baustellen werden dann schnell zum lästigen Nadelöhr."
Bernd Löchter von Straßen.NRW räumt ein, dass auch im November Baustellenarbeiten begonnen werden, jedoch: "Die Gesamtzahl der Baustellen geht im Winter zurück. Natürlich kommt es aber auf die Größe der Baustelle an, wie sehr sie den Verkehr behindert. Die Arbeiten auf den großen Baustellen, wie auf der A40, dem Kölner Ring und der A1 bei Remscheid, ziehen sich über mehrere Jahre und bleiben auch im Winter stehen, wenn wegen des Frosts nicht gearbeitet werden kann."
Im Dezember entspannt sich die Lage
In einem Punkt sind sich ADAC und Straßen.NRW einig: Im Dezember entspannt sich die Lage. Dann werden sich die meisten Autofahrer an das schlechte Wetter gewöhnt haben, sagt Löchter. Zu Staus komme es dann eher am Wochenende und kurz vor Weihnachten, wenn Geschenke besorgt und Weihnachtsmärkte besucht werden.
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Wer im Berufs- oder Weihnachtsstau steht, sollte sich dabei an gewisse Richtlinien halten: Eine Rettungsgasse zwischen den Spuren sollte freigelassen werden, damit ein Notarzt- oder Abschleppwagen durchpasst. Auch auf den Sicherheitsabstand sollten Autofahrer achten, nicht unnötig drängeln und nicht abrupt bremsen. Die vielleicht wichtigste Lektion des Stau-Novembers: "Nicht die Nerven verlieren. Und im Zweifelsfall einfach eine halbe Stunde früher losfahren", rät Grünewald.