Essen. Ein Leben mit Kindern ohne Stress gibt es nicht. Um ihn auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, könnte man sich aus dem Berufsleben verabschieden und Vollprofi-Mutter werden. Aber welche Frau will das heute?

Damit wir uns nicht falsch verstehen – Kinder sind wunderbar. Mein Sohn ist fast 20, wir sind stolz auf ihn, und die Zeit, als er klein war, war wunderschön. Ich nahm damals, wie viele andere Mütter in meinem Bekanntenkreis, eine einjährige Auszeit vom Job, von allen anderen Verpflichtungen.

In dem Moment, wo man wieder beides haben will - und die meisten von uns wollten ja wieder in den Beruf zurück -, sind Kinder zwar immer noch wunderbar, das Leben allerdings nimmt den Turbo auf.

Woran das liegt? Ein Leben mit Kindern ohne Stress gibt es nicht. Um ihn auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, könnte man sich einerseits aus dem Berufsleben verabschieden und Vollprofi-Mutter werden. Aber wer will das heute?

Mütter sind gestresst - ach was?

Oder man delegiert das ganze Drumherum, waschen, füttern, abholen, hinbringen, anziehen, ausziehen, vorlesen, nachtragen … an eine Supernanny. Aber wer kann das?

Also schaffen wir alles, Job, Kinder, den eigenen Mann, den Familienhund, den Zumbakurs, schnell, schnell das Arztrezept abholen, aber vorher noch einkaufen, ach ja, das Geschenk für den Kindergeburtstag … - und stellen plötzlich fest: Es hat seinen Preis. Wenn jetzt eine Studie herausgefunden haben will, dass berufstätige Mütter wegen Doppelbelastung gefährdet sind, ausgebrannt zu werden, dann kann man nur sagen: „Was habt ihr denn sonst gedacht?“

Nein, das ist kein Jammern auf hohem Niveau und keine Schuldzuweisung an fahrlässige Väter. Das ist eine simple Rechnung: Wir Lehrerinnen, Sozialpädagoginnen, Erzieherinnen, Ärztinnen und was auch immer, reduzierten für unsere Kinder unsere Arbeitszeit um ein Viertel, die Hälfte, selten mehr. Und zogen damit gleichzeitig das Ticket der nahezu alleinigen Verantwortung für den Erziehungsfahrplan gleich mit: 60 Prozent Job + 90 Prozent Kindererziehung = 150 Prozent Belastung.

Zehn Prozent blieb den Vätern überlassen, um am Wochenende mit ihren Söhnen und Töchtern schwimmen, ins Kino oder auf den Fußballplatz zu gehen. Übrigens ausgesprochen gern.

Und geändert hat sich - nix!

Dabei waren wir es selber, die entschuldigend sagten: „Natürlich kümmere ich mich hauptsächlich um Jan, Tim, Paul oder Anna, schließlich arbeite ich ja nur noch halbtags...“. Dementsprechend sah es auch aus in Krabbelgruppen und Kinderschwimmkursen, bei Plätzchenbacktreffs, Elternsprechtagen, Theateraufführungen und Laternenbastelnachmittagen – sechs, zehn, 15 Frauen und ein, zwei Alibimänner, die gerade Urlaub hatten.

Und falls jemand glaubt, dass heute alles anders ist – ich habe eine Freundin, die mehr als zehn Jahre jünger ist als ich und gerade ganz schön am Stock geht. Deren Tochter ist 12 geworden. Ebenso wie ihr Mann hat sie einen vollen Job. Während er um neun Uhr morgens geht, ist sie bereits seit zwei Stunden im Büro. Vorher hat sie die Tochter zur Schule gebracht, „weil es einfach auf dem Weg liegt“. Mit Verzicht auf die Mittagspause schafft sie es, um halb drei wieder zuhause zu sein, weil dann auch das Kind aus der Schule kommt. Warum sie das alles alleine managt? „Weil ich ein besseres Auge auf die Hausaufgaben habe“, sagt sie. Oder: „Weil ich besser aufpasse, dass nicht heimlich die Ami-Serien geguckt werden.“ Oder: Weil ich weiß, wann sie in der Schule Sport hat…“.

Warum sind wir so? Weil wir glauben, alles besser zu können? Weil wir nicht die Nerven haben, den Karren Hausaufgaben-nachgucken oder Sportsachen-rechtzeitig-waschen oder Tornister-nach-altem-butterbrot-nachgucken mal vor die Wand fahren zu lassen?

Weil wir schon als kleine Mädchen Perfektionistinnen waren und Jungs eher den Mut zur Lücke hatten?

Es wird echt Zeit, dass sich was ändert. Aber wie?