Köln. . Verfahren gegen 1600 Urlauber: Laut Zollfahndungsamt wurde in NRW Goldschmuck im Wert von 8,3 Millionen Euro am Zoll vorbeigeschmuggelt.
Der Mann hatte angeblich nichts zu verzollen. Er war sichtlich nervös und sein Oberkörper wirkte irgendwie massig. Die Zollbeamten am Köln-Bonner Flughafen pickten den Mann heraus – Volltreffer. Unter seiner Kleidung trug der Türke (33), der mit einem Touristenflieger aus seiner Heimat eingereist war, eine Stoffweste mit vielen Taschen, darin: knapp drei Kilogramm Goldschmuck im Wert von über 110 000 Euro.
Erfahrene Zöllner kennen solche Westen. „Da wurde schon vor Jahrzehnten Kaffee mit geschmuggelt“, erzählt Sylke Zabel vom Zollfahndungsamt Essen. Zuletzt habe man aber schon lange keine Schmugglerweste mehr gesehen. Der 33-jährige Türke hatte in seinem Gepäck direkt noch eine zweite mit dabei. Fest steht auch: Er war viel unterwegs. Sein Pass verzeichnet in den vergangenen Jahren 38 Einreisen in die Türkei. Nun erwartet ihn ein Steuerbescheid über rund 23 000 Euro und eine Strafe, über welche die zuständige Staatsanwaltschaft noch entscheiden muss.
Ein Einzelfall? Offenbar nicht. Seit geraumer Zeit beschäftigt Goldschmuggel die Zollbehörden an Rhein und Ruhr ganz intensiv.
Günstiger Goldschmuck von türkischen Basaren
Derzeit laufen Straf- und Ermittlungsverfahren gegen mehr als 1600 Urlauber, zumeist aus NRW. In der Summe geht es um Goldschmuck im Wert von mehr als 8,3 Millionen Euro, der illegal von der Türkei aus über die Flughäfen nach Deutschland eingeführt wurde – in den meisten Fällen von den oft schon etwas älteren Urlaubern selbst, manchmal aber auch über Kuriere wie jetzt diesen 33-jährigen Mann.
Allen Fällen ist gemeinsam: Die Urlauber waren an der türkischen Riviera unterwegs gewesen, wo sie in Basare oder Manufakturen gelotst wurden. Auffallend günstig wurde der Goldschmuck dort feilgeboten. Wer trotzdem nicht genug Geld dabei hatte – kein Problem. „Die Leute haben nur einen Teilbetrag bezahlt, aber dafür einen Kaufvertrag unterschrieben“, berichtet Zabel. Mit der Abwicklung des Restbetrages wurden dann Inkasso-Unternehmen in Deutschland beauftragt.
Roter Ausgang hätte Urlaubern Ärger erspart
Auf eine solche Kölner Inkasso-Firma waren die Zollbehörden im Sommer 2012 aufmerksam gemacht worden. Sie stellten Kaufverträge sicher, und bei den weiteren Ermittlungen stellte sich heraus: Kaum einer der Urlauber, die den Goldschmuck selbst einführten, hat ihn bei der Einreise ordentlich angezeigt. „Wer dies nicht getan hat, hat sich strafbar gemacht. Das ist Steuerhinterziehung“, sagt Behördensprecherin Zabel. Bei der Goldeinfuhr sind oberhalb der Freimenge (siehe Infobox) 2,5% des Wertes an Zoll und 19% Einfuhrumsatzsteuer zu entrichten.
Für die Urlauber, deren Türkeireise zum Teil schon viele Monate zurücklag, gab es deshalb eine böse Überraschung. Sie müssen nicht nur Zoll und Steuer nachzahlen, in der Regel ist auch eine Geldstrafe fällig. Mitunter geht es um erhebliche Werte. 70 Mal wurde Schmuck im Wert von mehr als 15 000, ja sogar von bis zu 90 000 Euro eingeführt. Diese Verfahren betreut das Zollfahndungsamt Essen, die übrigen hat die Strafsachenstelle des Aachener Zolls übernommen.
Arglosigkeit mag man den Urlaubern beim Zoll angesichts solcher Werte nicht mehr zugute halten. Bei der Rückreise nach Deutschland gibt es an den Flughäfen beim Zoll eine klare Farbenlehre. Der grüne Ausgang signalisiert, dass man nichts zu verzollen hat, der rote führt direkt zu den Zollbeamten. Die mehr als 1600 Türkeiurlauber hätten sich hier viel Ärger ersparen können.