An Rhein und Ruhr. . Im Kampf gegen organisierte Kriminelle setzt die NRW-Polizei wieder verstärkt auf die Überwachung von Telefon, Mails und Internet. Das Landeskriminalamt hat ein neues Lagebild vorgelegt. 179 Täter wurden festgenommen.

Kriminelle agieren dank moderner Technik immer geschickter. Im neuen Lagebild „Organisierte Kriminalität“ (OK) berichtet das Landeskriminalamt, dass sich Täter verschlüsselter E-Mails und außerhalb Europas stationierter Mailserver bedienen, um sich einer Überwachung zu entziehen. Mitunter würden Täter bereits im Ausland via Internet anonymisiert über Tatrelevantes wie Lagepläne von Banken informiert; die Durchführung der Straftat werde dann von den Initiatoren aus dem Ausland überwacht. Zudem griffen Tatverdächtige im Internet immer häufiger auf zentrale, weitgehend anonym nutzbare Datenspeicher („Clouds“) zurück; was zur Folge hat, dass sich auf bei Hausdurchsuchungen sichergestellten PCs und Festplatten zunächst kein belastendes Material findet.

Die Polizei versucht gegenzusteuern. Im Kampf gegen kriminelle Banden ließen die Ermittler laut Lagebild in 1056 Fällen Telefonate, Mails und Internet überwachen - 165 Fälle mehr als im Jahr 2011. Etwa jede vierte dieser Überwachungen dauerte länger als drei Monate. In 29 Fällen wurden Verdächtige außerhalb ihrer Wohnungen abgehört. Insgesamt steigt der Aufwand, den die Polizei betreiben muss. 1592 Tatverdächtige konnten ermittelt werden, 179 Täter wurden vorläufig festgenommen, gegen 153 gab es von der Justiz Haftbefehle. Die Dauer der Ermittlungsverfahren stieg auf im Schnitt 16,4 Monate, auch die Zahl der eingesetzten Beamten erhöhte sich.

Russisch-Weißrussische Bande überfiel 90 Banken

Organisierte Kriminalität ist fast immer international, die Zahl der Verfahren insgesamt blieb mit 66 stabil. Es geht um viel Geld – wenngleich deutlich weniger als in den Vorjahren: Der Statistik zufolge scheffelten die Kriminellen bei diesen Verfahren einen Gewinn von 52 Millionen Euro, wovon die Strafverfolger nur einen sehr kleinen Teil abschöpfen konnten.

Vor allem der lukrative Schmuggel und Handel von Rauschgift lockt die Unterwelt. Dem Lagebild zufolge treffen die Ermittler zum Beispiel beim Cannabishandel vor allem auf deutsche und türkische Tatverdächtige. Bei Autoschiebereien lag der Absatzmarkt bei mehreren Verfahren in Litauen, der Ukraine und Weißrussland. Bei Einbrüchen in Villen, Kraftfahrzeuge und Geschäfte hatten es die Beamten mit Banden aus Serbien, Lettland und Litauen zu tun. Außergewöhnlich: In einem Verfahren ermittelten die Beamten gegen 45 Tatverdächtige aus Russland und Weißrussland, denen 90 Banküberfälle zur Last gelegt werden.

Typisch für organisierte Kriminalität: Die Täter verhalten sich nicht nur sehr konspirativ, sondern sie setzen auch Mittäter und Zeugen unter Druck, drohen mit Gewalt. Das hat zur Folge, dass nur noch drei neue Ermittlungsverfahren im Jahr 2012 auf Strafanzeigen zurückgingen. Immer häufiger müssen die Beamten deshalb im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst Ermittlungen aufnehmen. Wichtiger wird auch die Aufmerksamkeit von Banken: Wenn es einen Verdacht auf Geldwäsche gibt, müssen sie das der Polizei melden.

Einige ausgewählte Fälle aus dem LKA-Lagebild

– Der Hinweis einer kontoführenden Bank brachte die Ermittler auf die Spur einer Drogenbande rund um ein führendes Mitglied der Bandidos-Rocker in Oberhausen. Bei einer Razzia im Juli 2012 wurden fünf Personen festgenommen, Drogen sowie Drogengrundstoffe und Schusswaffen sichergestellt. Die Täter wurden zwischenzeitlich bereits zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

– Im März 2012 wurde in einem alten Bunker in Düsseldorf eine Plantage mit mehr als 3000 Hanfpflanzen und 40 Kilo Marihuana entdeckt. In der Folge konnte die Polizei ein vietnamesisches Drogenkartell identifizieren, das diese und vier weitere Plantagen in den Niederlanden betrieb. Ehemalige Straßenverkäufer von Zigaretten mussten unter Androhung von Gewalt als Erntehelfer schuften.

– Ein sichergestellter Klein-Lkw mit Doping- und Potenzmitteln brachte die Kölner Polizei auf die Spur eines verzweigten Produzenten- und Händlerrings. Von April 2009 bis März 2012 sollen allein Dopingwirkstoffe mit einem Verkaufswert von 9,4 Millionen Euro weiterverarbeitet worden sein.

– Mehrere Mitglieder einer Familie, die im Ruhrgebiet Bordelle unterhielt, hatten ihre Gewinne nicht korrekt versteuert, sondern über sogenannte „Schrottimmobilien“ gewaschen. Deren Wert kann wegen des Renovierungsbedarfes oft nur schwer beziffert werden. Das LKA kam den Tätern über die Anzeige einer Bank auf die Spur. Schaden: 2,3 Millionen Euro.