Ruhrgebiet. . Lehrer sollen nicht mehr über Facebook & Co. mit ihren Schülern kommunizieren – diese Bestimmung aus Baden-Württemberg könnte auch NRW betreffen. Denn die Datenschutzgesetze gleichen sich stark. Über ihre Auslegung allerdings schüttelt so mancher Praktiker den Kopf.

Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg Lehrern de facto die Nutzung von Facebook & Co. zu dienstlichen Zwecken verboten. Es handelt sich zwar nur um eine „Handreichung“ des Schulministeriums, also gewissermaßen um eine Erläuterung der bestehenden „datenschutzrechtlichen Bestimmungen“.

Aber darin wird unmissverständlich klargestellt: „Jegliche dienstlichen Zwecken dienende Kommunikation zwischen Schülern und Lehrkräften sowie zwischen Lehrkräften untereinander, ferner das (Zwischen-)Speichern von personenbezogenen Daten jeder Art auf Sozialen Netzwerken“ ist „generell verboten“. Selbst ein Facebook-Like-Button auf offiziellen Schulseiten ist leider „datenschutzrechtlich unzulässig“.

Viele Lehrer schütteln nur noch mit dem Kopf. Allerdings nicht alle.

Brigitte Balbach, Vorsitzende des Verbands „lehrer nrw“, etwa sagt: „Das „Facebook-Verbot“ in Baden-Württemberg ist ein Beispiel für die Regulierungswut der Kultusbürokratie, die auch in Nordrhein-Westfalen um sich greift. Die Handreichung des baden-württembergischen Kultusministeriums steht in krassem Widerspruch zur heutigen Lebenswirklichkeit. Wir sollen Medienkompetenz vermitteln, dürfen aber Social Media nicht nutzen. Diese Verteufelung hilft nicht weiter.“

Gesucht und gefunden: Ein System, das jeder beherrscht

„Gegen das Datensammeln können wir uns ohnehin nicht wehren“, sagt etwa Britta Freese, die am Düsseldorfer Humboldt-Gymnasium unter anderem praktische Philosophie unterrichtet. Sie selbst nutzt Facebook zwar nicht zur Kommunikation mit Schülern – „es ist aber auch kein spezifisches Problem von Facebook.“

Auch interessant

Auch Mails werden schließlich abgefangen. Facebook allerdings habe einen gewaltigen Vorteil: „Ich kenne keinen Schüler über 14, der dort nicht vertreten ist. Und die Schüler können dort einfach mehr. Sie mögen nicht gut mit Textverarbeitung umgehen können, aber Facebook beherrscht jeder.“ Es sei insofern weniger fehleranfällig, die Erreichbarkeit sei größer. „Warum soll man diesen Vorteil nicht nutzen?“

Ihr Kollege Eric Horn vom Maximilian-Kolbe-Gymnasium in Wegberg würde darauf erwidern: „Ich glaube schon, dass es rechtlich problematisch ist, auch in NRW.“ Das hiesige Schulministerium sieht zwar auf Anfrage keinen besonderen Regelungsbedarf und verweist lediglich auf die Allgemeine Dienstordnung, die ein angemessenes und professionelles pädagogisches Verhalten sowie eine klare Trennung zwischen Privatleben und Dienst vorschreibe – im Klassenraum wie im Internet.

Aber in der Tat ist auch im Datenschutzgesetz von NRW (§17) ähnlich wie in dem von Baden-Württemberg (§20) festgeschrieben, dass personenbezogene Daten nicht ans Ausland übermittelt werden dürfen, wenn dort ein anderes Datenschutzniveau besteht. Dies ist auch die maßgebende Begründung für die Handreichung, die gerade für Wirbel sorgt – auch wenn die inkonsequent argumentiert, da auch deutsche Plattformen wie StudiVZ mit in den Topf geworfen werden.

Sicher besteht ein großer Spielraum in der Auslegung der Datenschutzgesetze – vor allem wegen der zahlreichen Ausnahmeregelungen. Aber sie sind auch zu allgemein formuliert, um dem Einzelfall gerecht zu werden, glaubt Eric Horn.

Auch interessant

Unabhängig davon findet er es aber problematisch, wenn Noten über Facebook mitgeteilt werden (was durchaus auf Anfrage vorkommt, etwa wenn ein Schüler die Vergabe im Unterricht verpasst hat) oder wenn Beratungen über Facebook laufen; schließlich kommen hier auch die Schwächen und „Gefährdungen“ eines Schülers zur Sprache. „Und wer sich mal die AGB von Facebook angeschaut hat, weiß, dass dieses Unternehmen unglaublich viel mit diesen Daten machen kann.“

Hilfe aus der Grauzone

Diesem Risiko steht wiederum der große praktische Nutzen gegenüber. Viele Schulen, auch die von Erik Horn, verwenden zwar eine sogenannte Moodle-Lernplattform als Alternative, das allein auf lokalen Servern läuft – aber er weiß: „Die Akzeptanz ist gering. von 120 Oberstufenschülern erreichen wir darüber vielleicht zwanzig, weil das System E-Mails verschickt. Viele Schüler lesen aber kaum noch Mails. Wir tolerieren es also, wenn die Moodle-Mails von Schülern auf Facebook weiterverbreitet werden.“

Alles ist schneller geworden, auch die Schule und die Arbeit der Lehrer. Christian Hüsgen von der Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Solingen etwa musste neulich für eine Klassenfahrt nach Italien seine 28 Schüler Online einchecken (die Alternative wäre ein Tohuwabohu am Flughafen gewesen).

Es fiel ihm erst am Abend auf: Per Facebook und Mail fragte er die Daten an, am Morgen hatte er sie beisammen. Und auch auf der Klassenfahrt nach London war der Chatdienst WhatsApp extrem hilfreich. Eine Daten-Flatrate hatten die meisten Schüler und waren so vor Ort schnell und günstig zu erreichen. Er glaubt: „Es ist einfach unsinnig, das zu verbieten.“