Essen. Beim Höhepunkt der Karnevalsfeiern haben sich in NRW teilweise deutlich mehr Jugendliche bis ins Koma gesoffen, als im Vorjahr. Ein 15-jähriger Sauerländer wurde mit 2,0 Promille im Blut aufgegriffen. Landesweit war zu beobachten: Die Trinker werden immer jünger, der Alkohol immer härter.
Komasaufen bis in die Notaufnahme - gerade Jugendliche betrinken sich an Karneval extrem, so der Eindruck vieler Polizeibehörden in NRW. Etwa der 15-Jährige, den die Polizei am Sonntag in Sundern aufgriff. Er war auf dem Weg zum Sunderner Karnevalsumzug, hatte gegen 14 Uhr bereits 2,0 Promille im Blut. "Das kriegt man nicht nur mit Bier und Sekt hin", sagt Bianca Scheer, Pressesprecherin der Polizei im Hochsauerlandkreis. Die Qualität des Betrinkens habe sich deutlich geändert. "Es kommt öfter vor, dass sie sich ganz aus dem Leben schießen."
Dass die Zahl der jugendlichen Komasäufer zunimmt, bestätigte in der vergangenen Woche auch das Statistische Bundesamt. In Deutschland mussten 2011 über 26.000 Jungen und Mädchen zwischen 10 und 19 Jahren wegen akuten Alkoholmissbrauchs ins Krankenhaus.
"Wir stellen fest, dass zu Anlässen wie Karneval oder Stadtfesten vor allem Jugendliche Alkohol selbst mitbringen und sich dann stark betrinken", sagt Bernhard Witthaut, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft. Insbesondere Karneval sei die Situation vielerorts "dramatisch".
Dreimal mehr Jugendliche sturzbetrunken in Düsseldorf als 2012
Düsseldorf ist eine der Karnevalshochburgen in NRW. Das schlägt sich auch in einer unrühmlichen Statistik nieder: 289 Jecken mussten alleine an Altweiber wegen übermäßigen Alkoholkonsums behandelt werden. Im vergangenen Jahr waren es nur 228 Menschen gewesen.
Eine besonders starke Zunahme verzeichnet die Stadt bei betrunkenen Jugendlichen. Gab es an Altweiber 2012 noch 22 Einsätze in Fällen mit betrunkenen Minderjährigen, schoss die Zahl in diesem Jahr auf 63. „Wir hatten an Altweiber morgens um 8.50 Uhr die erste 16-Jährige, die alkoholisiert aufgefunden wurde“, sagt Heinz Engels, Sprecher der Feuerwehr und Rettungsdienste Düsseldorf.
Auch während des Rosenmontagszugs hatten die Einsatzkräfte im gesamten Stadtgebiet gut zu tun. Mitarbeiter des Ordnungsamtes mussten bei 110 Jugendlichen Alkohol konfiszieren. Trauriger Tiefpunkt des ansonsten insgesamt fröhlichen Narrentreibens war ein 17-Jähriger, der am Montag mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus geliefert werden musste.
Polizei beklagt "allgemeine Tendenz" zum Komasaufen bei Jugendlichen
In Ratingen nahm die Polizei bereits an Altweiber insgesamt acht junge Menschen zwischen 13 und 18 Jahren in Gewahrsam, da sie deutlich unter Alkoholeinfluss standen. "Das sind leider keine Einzelfälle, gerade zu Karneval", sagt Ulrich Löhe, Sprecher der Kreispolizei Mettmann. Leider seien immer wieder sogar Kinder von zwölf, 13 Jahren darunter.
Aber auch die Älteren hielten die Polizei auf Trab: Insgesamt 17 ange- und betrunkene Personen erhielten alleine am Donnerstag einen Platzverweis. Ein 17-Jähriger war so betrunken, dass er in der Nacht zu Freitag in Monheim am Rhein bei mindestens fünf Autos die Außenspiegel abtrat.
Während in Gelsenkirchen das Fazit zum Karnevalswochenende insgesamt positiv ausfällt, wurden auch dort zahlreiche alkoholisierte Minderjährige registriert. "Es ist auffällig, dass sehr viele Jugendliche bei Karneval stark dem Alkohol zusprechen", sagt Polizeisprecher Guido Hesse. Drei junge Menschen mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Karneval scheint dabei nur einer von vielen Anlässen zu sein, um sich betrinken zu können. Hesse sieht vielmehr "eine allgemeine Tendenz", dass Jugendliche dem Alkohol öfter zusprechen als ihnen gut tut.
Jugendliche trinken immer häufiger harten Alkohol
In Recklinghausen konnte keine Zunahme an jugendlichen Trinkern festgestellt werden. Das Problem sieht die städtische Pressesprecherin Corinna Weiß eher woanders: „Es sind nicht mehr Jugendliche, die trinken, aber die Qualität hat zugenommen.“ So würden gerade harte Alkoholika wie Wodka häufiger konsumiert. Das jüngste Alkoholopfer war in Recklinghausen eine 14-Jährige, die direkt in ein Gelsenkirchener Krankenhaus transportiert wurde.
In Dortmund waren neben den Rettungskräften auch 29 Mitarbeiter des Ordnungsamtes im Einsatz – eine übliche Praxis in vielen Städten. Die Einsatzkräfte hielten gezielt nach betrunkenen Jugendlichen oder jungen Menschen mit Schnaps- und Bierflaschen Ausschau. „Da sind wir auch ein Stück weit präventiv im Einsatz“, sagt Pressesprecher Hans-Joachim Skupsch von der Stadt Dortmund.
Ordnungsdienste kippten Alkohol in den Gully
Treffen die Einsatzkräfte auf minderjährige Jugendliche, die harten Alkohol dabei haben, werden ihnen die Flaschen weggenommen und in den nächsten Gully gegossen. Das sei nicht immer eine leichte Aufgabe, weiß Skupsch. Er bewertet die Lage an den Karnevalstagen aber insgesamt als „relativ entspannt“.
Dem pflichtet auch Thomas Bleicher, Sprecher der Stadt Hagen, bei. Die Jecken seien nach Bleichers Einschätzung „feierfreudig, aber ruhig“. Es gebe zwar jedes Jahr Vorfälle mit alkoholisierten Menschen, aber keine Zunahme oder besonders dramatische Fälle. Das Ordnungsamt kontrolliere streng, sagt Bleicher. „Das halten wir sehr intensiv nach.“
576 Flaschen und Dosen mit Alkoholika sichergestellt
Anders sieht es da im Kreis Kleve aus. Auch hier hat die Polizei Jugendliche rund um die Sonntagsumzüge der Karnevalisten kontrolliert. Dabei wurden insgesamt 576 Flaschen und Dosen mit alkoholischen Getränken sichergestellt. In Bedburg-Hau, so meldet die Polizei, musste ein Jugendlicher wegen "übermäßigen Alkoholgenusses" ins Krankenhaus gebracht werden.
Beim Tulpensonntagszug in Krefeld-Uerdingen wurden laut Polizei insgesamt zehn Besucher zur Ausnüchterung in Gewahrsam genommen. Je zwei Mädchen und zwei Jungen im Alter von 15 und 16 Jahren mussten wegen Alkoholkonsums in die Betreuungsstelle des Jugendamtes gebracht werden. "Für so eine riesige Party ist das verdammt wenig", sagt Wolfgang Weidner, Sprecher der Krefelder Polizei. Dennoch sei der Alkoholkonsum von Jugendlichen gerade an Karneval immer ein Problem.
Auch beim Krefelder Rosenmontagsumzug sorgten Jugendliche für negative Schlagzeilen: Vier alkoholisierte Jugendliche mussten von ihren Eltern abgeholt werden. Dafür war es bei drei besonders trinkfreudigen Jugendlichen bereits zu spät - sie kamen direkt ins Krankenhaus. (mit dapd und dpa)