An Rhein und Ruhr. . Am Dienstag jährt sich die Unterzeichnung des deutsch-französischen Elysée-Vertrags zum 50. Mal. Die deutsch-französischen Beziehungen sind gut, doch die Zahl der Schüler, die in Nordrhein-Westfalen Französisch lernen, nimmt von Jahr zu Jahr ab. Spanisch ist beliebter.

Für Friederike, Alina und Lennart zählt Französisch zu den Lieblingsfächern. Sie kennen sich aus mit Molière und Sartre, sie haben Weltkriege und Kollaboration ebenso im Unterricht besprochen wie die Unterzeichnung des deutsch-französischen Vertrags vor 50 Jahren. Zum Jubiläum des Elysée-Vertrags hat der Französisch-Leistungskurs des Gymnasiums Essen-Werden einen besonderen Auftrag bekommen: Die zwölf Schülerinnen und Schüler interviewen am Mittwoch an der Uni Duisburg-Essen in einer öffentlichen „Pressekonferenz“ zwei Professoren zu den deutsch-französischen Beziehungen: Michèle Weihnachter aus Cergy-Pontoise und Wilfried Loth aus Essen.

Ein Sprachkurs in Nizza

Sprache ist der Schlüssel zur Verständigung. Lennart (17) hat bereits zweimal einen Schüleraustausch miterlebt, in Cherbourg und in Grenoble. „In der Normandie habe ich fünfeinhalb Monate in einer Familie gelebt und die Schule besucht. Es war eine tolle Erfahrung“, sagt er. Auch Friederike (19) kennt Frankreich gut: „Ich war fünf Monate in einer Gastfamilie in Besançon.“ Lina und Eda (beide 17) haben in den Osterferien einen Sprachkurs in Nizza gemacht, Lea (17) war in St. Raphael, ebenfalls an der Côte d’Azur.

Doch nicht alle Schüler in Nordrhein-Westfalen teilen ihre Begeisterung für die Sprache. Die Zahl derjenigen, die Französisch als Fremdsprache wählen, sinkt seit Jahren. Im Schuljahr 2008/09 lernten in NRW noch 438 000 Schüler die Sprache von Molière, drei Jahre später waren es 31 000 weniger (siehe Tabelle). Besonders an den Gymnasien geht die Zahl zurück. Auch in Frankreich sank das Interesse an der Fremdsprache Deutsch über Jahre und stabilisiert sich nun, wie Experten beobachten, auf niedrigem Niveau: Etwa 15 Prozent der französischen Schüler lernen noch Deutsch.

Spanisch hat Französisch überholt

Der Schuldige für den Abwärtstrend in NRW ist schnell gefunden: Es ist das Fach Spanisch. Viele Schüler nutzen die Gelegenheit, das Fach Französisch nach ein paar Jahren abzuwählen, um mit Spanisch eine neue, weitere romanische Sprache zu lernen. Oder sie lassen Französisch gleich links liegen, denn manche Schulen bieten Spanisch bereits ab der sechsten Klasse als zweite Sprache an. Leonie (17) glaubt: „Viele nehmen Spanisch, weil es die zweite Weltsprache ist. Sie denken, dass man sie später vielleicht eher braucht.“

Auch der Ruf des Französischen, eine schwere Sprache zu sein, trägt zu dem Abwahlverhalten bei. Die Grammatik ist komplizierter als im Englischen, die Aussprache ebenfalls, und beim Schreiben muss man an all die Akzente auf den Buchstaben denken. Alina (17) sagt: „Viel hängt davon ab, ob man Interesse an dem Land hat – und wie viele Kontakte man mit Frankreich hat.“ Für Friederike sind Besuche im anderen Land ganz wesentlich, um ein Gefühl für die Sprache zu bekommen. Sie persönlich wäre sicher deutlich schlechter, „wenn ich Französisch nur im Schulunterricht gelernt hätte“.

Vom Lehrer hängt viel ab

Ob Schüler Französisch mögen, hängt zudem immer auch – wie in jedem Fach – von der Lehrerin oder dem Lehrer ab. Claire Badiou, Lehrerin des Französisch-LKs in Essen-Werden, ist Muttersprachlerin und redet im Unterricht nur Französisch. Sie probiert französische Kuchenrezepte aus und bringt das Ergebnis mit in den Unterricht. Gerade gab es eine „Galette des Rois“, den berühmten Kuchen der Heiligen Drei Könige aus Blätterteig und Marzipan, in den eine kleine Figur eingebacken wird. „Wer das Stück mit der Figur erwischt, wird König für einen Tag“, erklärt Claire Badiou.

Kulinarisch, kulturell, aber auch musikalisch hat Frankreich einiges zu bieten, das wissen die Essener Schüler nur zu gut. Filme wie „Willkommen bei den Sch’tis“ und moderne Songs wie „Je veux“ von Zaz haben auch hierzulande viele Fans.

Doch Vorurteile gibt es auf beiden Seiten, noch immer. Auch bei den Franzosen. Das hat Friederike während ihrer Zeit in Besançon festgestellt. „Die Jugendlichen waren sehr interessiert, aber sie haben uns auch auf die Nazis und so angesprochen.“ Die 19-Jährige glaubt, dass noch einige Zeit ins Land gehen wird, bevor solche Sprüche aufhören: „Das wird wohl erst passieren, wenn die Menschen aus der Generation, die den Krieg miterlebt haben, nicht mehr leben.“