Wenn Rivalen im Rudel gucken

Castrop-Rauxel. . „Weine nicht, wenn der Grieche fällt...“: Bei Bratwurst und Souflaki fieberten Deutsche und Hellenen in Castrop-Rauxel gemeinsam mit ihren National-Teams. Am Ende war bei den Griechen die Enttäuschung groß.

Eine Seite würde trauern. Das war klar, war unausweichlich. Denn in Castrop-Rauxel fand gestern das wahrscheinlich größte gemeinsame Public Viewing von Deutschen und Griechen statt. 90 Minuten, in denen Freunde zu Rivalen wurden.

Die ersten kommen schon um kurz vor sieben. „Gute Plätze sichern.“ Denn eines ist sicher. Dieses mal wird es voll hier rund um das ehemalige Eingangsgebäude der Zeche Ickern I/II. Denn wo sie früher nach Kohle gegraben haben, ist heute des Zentrum der größten griechischen Gemeinde Deutschlands, möglicherweise sogar der größten Europas. Und die Bürgerstiftung „Agora“, die seit ein paar Jahren an diese Gemeinde angebunden ist, die hat zum Public Viewing eingeladen.

Das Spiel der Spiele

Deutsche und Griechen. Zum Spiel der Spiele. Deutschland gegen Griechenland. Schon weit vor Anpfiff ist klar: Es sind Dramen zu erwarten. Weil es viele länderübergreifende Freundschaften gibt. Und Beziehungen auch. Gleich im Dutzend. Bisher haben sie alle gemeinsam geschrien, wenn eines der beiden Länder bei der Europameisterschaft angetreten ist.

Geht jetzt nicht mehr. „Heute gehen viele Ehen kaputt“, orakelt Dimitri. „So weit wird es nicht kommen“, glaubt Tanja, die mit griechischer Fahne zu deutschem Trikot aufgelaufen ist. Weil ihr Partner Georgiou ein Grieche ist. Seit Tagen schon fiebert die Familie dem Spiel entgegen. „Ausnahmsweise als Feinde“, sagt sie. Georgiou nickt. „Aber hinterher sprechen wir trotzdem wieder zusammen.“

Souflaki läuft besser

Zwei große Leinwände haben sie aufgebaut und Stühle und Bänke davor gestellt. Einmal drinnen, einmal draußen. Über den Hof zieht der Geruch von Gegrilltem. Rechts gibt es Bratwurst, links Souflaki. Souflaki läuft besser.

Eine halbe Stunde vor Spielbeginn werden die Plätze langsam rar. Und die Sicht wird schlechter. Denn die Griechen sind in Sachen Flaggen klar führend an diesem Abend. Und wenn ein Hellene eine Fahne schwenkt, so viel ist mal sicher, dann eine große. Dafür tragen die Deutschen die gewagteren Kopfbedeckungen. Die meisten dazu auch ein Trikot. Die Gegenseite kann da nur ein paar Spartanerhelme entgegensetzen.

Zu Spielbeginn fällt der Ton aus

Auf dem Papier ist die Sache ja klar. „Aber Papier interessiert heute nicht“, sagt Stavros und freut sich bereits jetzt auf einen griechischen Sieg im Elfmeterschießen. „Du wirst schon sehen“, sagt er seiner deutschen Freundin.

Sehen vielleicht, nur hören erst einmal nicht. Denn pünktlich zum Anpfiff fällt vor der Großleinwand der Ton aus. „Verstärker kaputt“, sagt ein Techniker. „Scheiß Regen.“

Ist aber nicht weiter schlimm. Sorgen die Besucher eben selbst für die nötige Akustik. „Hellas, Hellas“, tönt es aus der ersten Reihe, stets gefolgt von rhythmischen Klatschen. „Weine nicht, wenn der Grieche fällt, dam dam“, hält eine deutsche Ecke zur Melodie von „Marmor, Stein und Eisen bricht“ dagegen.

Stavros bleibt gelassen

Schnell macht sich eine komplett unterschiedliche Wahrnehmung der Ereignisse auf dem Rasen bemerkbar. „Drückend überlegen“, sehen die deutschen Fans ihr Team, „defensiv saustark“ finden die Griechen ihre Kicker. Nach 18 Minuten aber jubeln sie gemeinsam. Der Ton ist wieder da. Ein WDR-Übertragungswagen hat eine Box nach draußen gestellt.

„Endlich macht mal einer was Vernünftiges mit unseren Fernsehgebühren“, sagt Alex. Ist aber kein Vergleich zu der Freude, die nach dem 1:0 von Lahm herrscht. Jedenfalls auf deutscher Seite. „Jetzt geht’s los“, tönt es über den Platz und natürlich „geht noch einer“. Rein, versteht sich.

Stavros aber bleibt gelassen. „Abwarten.“ Keine zehn Minuten nur. Dann fällt das 1:1. Die Griechen toben. Die Deutschen auch. Alles „Flaschen und Idioten“. Wahlweise auch „Blödmänner“. Bis das 2:1 fällt. „Olé, suuuuuper Deutschland.“

„Akropolis adieu“

Dann geht es Schlag auf Schlag. Zum Glück ist das musikalische Repertoire der teutonischen Fans groß.

3:1 – „Ihr könnt nach Hause fahren.“

4:1 – „Akropolis adieu.“

Ansonsten, da herrscht Einigkeit, ist „der Drops gelutscht“. „Jetzt schaukeln die das Ding nach Hause“, ist Detlef überzeugt und regt sich nur noch auf, wenn ihm mal wieder irgendjemand den Blick auf die Großleinwand versperrt. Oder der Schiri einen „unberechtigten Elfer“ gibt.

Dann ist das Spiel zu Ende. Und Alex ist überzeugt: „So schnell zeigen die Griechen kein Länderspiel mehr gegen uns.“