Marl. Eine Explosion im Chemiepark in Marl hat am Samstag zwei Menschen das Leben gekostet. Eine gewaltige Rauchwolke verdunkelte den Himmel über der Stadt. Die Flammen schlugen 50 bis 60 Meter hoch. Die Ursache für das Unglück in dem Chemiepark ist noch unklar.
Hier ist alles durchnummeriert, alles strukturiert nach Zahlen, doch das Chaos der Welt wird selbst so nicht verbannt. Man kann das ganz gut sehen, wenn man auf dem Werksgelände des Chemieparks Marl aus der 300. Straße in Richtung Gebäude 485 schaut: Es brennt dort weiter und weiter, auch noch Stunden nach der Explosion; und Gelenkarme spritzen weiter Tonnen von Wasser in die Anlage, um zu löschen und zu kühlen. Unter den gewaltigen Rohrleitungsbündeln wirken die Feuerwehrleute seltsam klein, ja selbst die roten Löschwagen: ganz wie Spielzeug.
Aber die Retter kommen ja auch nicht voran, können wegen der Hitze nicht zu dem Mann vordringen, der in der Nähe des Explosionsortes liegt, augenscheinlich tot. Es wird noch bis in den späteren Samstagabend dauern, bis ein Notarzt zu ihm gelangt, bis sie ihn dann doch herausholen und sich für die Angehörigen bestätigt, was man ihnen schon am Nachmittag sagte: „Sie müssen sich auf das Schlimmste vorbereiten.“
Die Flammen schlugen über 50 Meter hoch
Der 45-jährige Evonik-Beschäftigte aus Herten bleibt bis zum Abend das einzige Todesopfer dieses spektakulären Unglücks. „Es gab so einen Bums“, beschreiben die Leute in der Stadt, „Da war ein Knall“, sagen sie, und manche wollen auch eine Druckwelle bemerkt haben („Der ganze Betrieb hat gewackelt“); jedenfalls steigt kurz nach halb zwei am Samstagmittag dicker, schwarzer, rußiger Rauch in den Himmel über Marl, und Flammen schlagen 50 Meter hoch, 60. Weit ist das zu sehen, viele Menschen nehmen das als „Feuerball“ wahr, ein Feuerball über dem Chemiepark, sie erschrecken – doch andere kommen, ganz im Gegenteil, hergefahren vor Tor 1, um zu schauen und alles zu fotografieren.
Doch nicht alle treibt die Neugier hierher, Murat Eren etwa, da steht er auf dem Bürgersteig mit fünf Angehörigen und Bekannten. Erst bekam Eren eine SMS, dass es geknallt habe im Chemiepark, dann hörte er das Gebäude: 485. Wo sein Bruder arbeitet! „Da geht einem alles durch den Kopf, Tod, die Neffen“, sagt Eren; doch inzwischen hat er seinen Bruder am Telefon erreicht: „Er sagte ,Mir geht’s gut’, das war das Wichtigste für uns.“ Zwei andere Männer aus dem Gebäude gelten vorübergehend als vermisst, stellen sich aber im späteren Verlauf des Nachmittags unversehrt wieder ein.
Ursache der Explosion in Marl ist noch nicht geklärt
Was passiert ist, das hat sich da bereits geklärt: Nach längerer Wartung sollte in diesem Gebäude 485 ein Trockenturm wieder angefahren werden, eine Anlage, durch die Gas geleitet wird, um ihm das Wasser zu entziehen; solches Anfahren gilt generell als etwas heikel, bis die chemischen Verhältnisse sich wieder stabilisiert haben. Beim Anfahren kommt es dann zu der Explosion, ihr folgen die Flammen. Ein 31-jähriger Evonik-Mitarbeiter erleidet schwerste Brandwunden, ein Hubschrauber fliegt ihn in eine Spezialklinik; später, im Einsatz, wird sich noch ein Feuerwehrmann leicht verletzen am Bein.
Warum es zur Explosion kam, das bleibt allerdings noch zu klären: Erst um 4.47 Uhr in der Nacht zu Sonntag sind die Flammen gelöscht, auch am Sonntag ist der ruinierte Trockenturm also noch extrem heiß. Sachverständige werden wohl erst am heutigen Montag hinein können, die Staatsanwaltschaft ermittelt. „Das wird noch Tage dauern, bis wir die Ereignisursache herausbekommen“, sagt Standort-Leiter Klaus-Dieter Juszak. Und: In zwölf Jahren hier habe er „so etwas noch nicht erlebt“. Trotz der Aufforderung über Medien, Türen und Fenster zu schließen, habe es aber für die Menschen von Marl keine Gefährdung gegeben: „Wir haben absolut keine Grenzwerte auch nur erreicht.“ Das bestätigen auch Experten des Landes. Ihr Messwagen steht in der 1100. Straße.