Essen. Die Städte im Ruhrgebiet wehren sich gegen neue, riesige Outlet-Center, die rund um das Revier geplant werden. Sie fürchten den Tod der heutigen Innenstädte.
Die Städte im Ruhrgebiet wehren sich gegen neue, riesige Outlet-Center, die rund um das Revier geplant werden. Sie fürchten den Tod der heutigen Innenstädte, wenn auf der grünen Wiese Einkaufszentren mit mehreren Zehntausend Quadratmetern Fläche entstehen. Die Investoren stehen längst bereit und sagen: „Dieses Geschäft lässt sich nicht mehr aufhalten.“
Outlet-Center sind eine Erfolgsgeschichte. Sie ziehen Millionen Kunden an. Familien fahren stundenlang, um hier einen Tag lang einzukaufen. Sie bieten Markenkleidung und locken mit Rekordrabatt bis 70 Prozent. Allein der Lockruf des Einkaufszentrums in Roermond/Niederlande erreicht jedes Jahr zwei Millionen Deutsche. Auf den Parkplätzen kann jeder sehen, woher sie kommen: Duisburg, Essen, Dortmund – das Revier shoppt hier, in Roermond. Noch. Denn Remscheid, Wuppertal, Werl und Duisburg träumen von eigenen, ebenso mächtigen Einkaufstempeln. Der Regionalverband Ruhr (RVR) wettert gegen diese Pläne.
20 Städte rund um Werl haben sich zusammengeschlossen, um ein Outlet-Center neben der A 44 zu verhindern. Die SPD-Fraktionen in den fünf Regionalräten fordern Rot-Grün in Düsseldorf auf, jetzt zu handeln. „Die Landesregierung vertröstet uns immer wieder. Wenn wir nicht schnell einen neuen Landesentwicklungsplan bekommen, der solche Geschäfte verbietet, grätschen die Outlet-Investoren dazwischen und schaffen Tatsachen“, sagte Wolfgang Ewald, Chef der SPD im Arnsberger Regionalrat, zur WAZ.
Werl und Wuppertal befürworten neue Center
Werl und Wuppertal wehren sich gegen Vorwürfe der Nachbarn. Für sie seien die Einkaufszentren ein Gewinn. Sie rechnen mit Hunderten Arbeitsplätzen und hohen Steuereinnahmen. „Jede andere Kommune würde das auch tun, wenn sie die Chance hätte. Dortmund hat auch nicht an uns gedacht, als die Thier-Galerie geplant wurde“, sagt Ulrich Canisius, Sprecher der Stadt Werl.
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Fabrikverkaufszentrum ist das deutsche Wort. Aber bekannt sind die neuen Konsumtempel als „Factory-Outlet-Center“. Das Geschäft ist international, die modernen Goldgräber, eng verwoben mit der Textilbranche, heißen „Value Retail“, „McArturGlenn“ oder „Retail Development Group“. Sie kommen aus England, USA, Deutschland. Vom traditionellen deutschen Einzelhandel sind die Center so weit weg wie ein Porsche vom Polo. Darum hat der Handel Angst. Er fürchtet, abgehängt zu werden.
Was bieten Outlet-Center?
Vor allem Marken-Textilien mit Preis-Nachlässen bis 70 Prozent. Meist ist es Vorjahres-Ware oder „2. Wahl“, aber auch Aktuelles ist im Sortiment. Einschränkung: Die Ware muss drei Monate lang dem „normalen“ Handel zur Verfügung gestanden haben.
Zieht das Kunden an?
Und wie! Ins Designer-Outlet-Roermond strömten letztes Jahr 4,1 Millionen Kunden, 54 Prozent kamen aus Deutschland. Das kleinere „Euregio-Outlet-Center Ochtrup“ im Münsterland zählte 700 000 Besucher. Ochtrup wird die Verkaufsfläche auf 11.500 Quadratmeter verdreifachen. Ziel: zwei Millionen Gäste.
Wo werden Zenten geplant?
In Werl, Remscheid und Duisburg. Wuppertal möchte einen riesigen „IKEA-Homepark“ ansiedeln, das ist ein Möbelmarkt mit angeschlossenen Fachmärkten. Kein Outlet-Center also, aber ein Geschäft, das weit ins Ruhrgebiet und nach Südwestfalen zielt.
Dürfen solche Zentren bei uns gebaut werden?
Seit 2009. Im so genannten „Ochtrup-Urteil“ hatten Richter damals eine Regel im Landesentwicklungsplan für ungültig erklärt, nach der in Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern keine Outlet-Center mit mehr als 5000 Quadratmetern Fläche gebaut werden dürfen. Nun fordern die Gegner der Outlet-Center die Landesregierung auf, schnell einen neuen Landesentwicklungsplan aufzustellen, der Outlet-Center verhindert. „Im März sollte es soweit sein. Aber die Regierung schiebt den Entwurf hin und her“, schimpft Wolfgang Ewald, Chef der SPD-Regionalratsfraktion Arnsberg.
Was sagt die Regierung?
Sie strebt „in den nächsten Wochen“ einen Kabinettsbeschluss an. „Danach erzielt der Landesentwicklungsplan erste Wirkung und muss bereits bei der Planung berücksichtigt werden“, so ein Regierungssprecher. Die Gegner der Outlet-Center dürfen also hoffen.
Welche Argumente haben die Gegner?
Sie fürchten um die Innenstädte. „Outlet-Center strahlen 20 bis 50 Kilometer in die Umgebung hinein“, sagt Rainer Gallus, Geschäftsführer des Handelsverbandes NRW. „Outlet-Center gefährden die Vitalität und Qualität des Einzelhandels und die der Städte“, meint Martina Schmück-Glock, Vorsitzende der SPD-Fraktion im RVR.
Der Regionalverband hatte schon im Dezember eine Resolution gegen die Center in Werl, Remscheid und Wuppertal verabschiedet. Tenor: Die Fördermillionen für die Innenstädte wären umsonst investiert, wenn Outlet-Center die Kunden aus dem Revier lockten. Ein Hinweis auf das geplante Outlet-Center in Duisburg („Douvil“) fehlt in der Resolution. Das Ruhrgebiet kritisiert sich nicht selbst.
Warum halten Städte wie Werl und Wuppertal dem Druck der Nachbarn stand?
Weil die Einkaufstempel für sie eine Art permanenter Lottogewinn wären. Es würden Jobs, auch für Ungelernte, geschaffen. Bis zu 1000 allein in Werl. Die arme Stadt Wuppertal rechnet mit zusätzlichen Gewerbesteuer-Einnahmen „im siebenstelligen Bereich“. Außerdem sieht sich Wuppertal im Nachteil. „Wir schöpfen die Kaufkraft unserer Bürger nur zu 60 Prozent ab. Und Nachbarn wie Schwelm und Sprockhövel schöpfen bei uns ab“, sagt Stadt-Sprecherin Martina Eckermann. Der „Homepark“ biete zudem Sortimente, die es bisher in Wuppertal kaum gebe.