Essen. In vielen Ruhrgebietsstädten wächst der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund. Eine Expertin warnt: Die Verantwortung der Erzieherinnen in den Kitas ist groß, wenn zu Hause die Muttersprache der Eltern gesprochen wird.
Wird die deutsche Sprache im Ruhrgebiet zum Auslaufmodell? Fast jedes vierte Kita- und Kindergarten-Kind in NRW - lebt in einer Familie, die zu Hause „nicht überwiegend Deutsch spricht“, ermittelte das Statistische Landesamt it.nrw. Insgesamt sind das 108 000 Kinder unter sechs Jahren. Für Experten wird es dann zum Problem, wenn Kitas nicht genügend fördern.
Vor allem in Duisburg, Gelsenkirchen und Wuppertal ist das so, aber auch in Hagen und Remscheid. In Duisburg, wo jedes zweite Kind in einer Betreuung mindestens einen Elternteil mit Migrationswurzeln hat, reden 38,7 Prozent der angemeldeten Vorschulkinder zu Hause in der Fremdsprache, und ihr Anteil hat in den letzten Jahren zugenommen. In Gelsenkirchen schlägt der Trend noch kräftiger durch. 37,7 Prozent der Kita- und Kindergarten-Kinder sprechen heute in der Familie kein Deutsch, 2008 waren es erst 34,9 Prozent.
Starker Anstieg in Mülheim
Für Essen ermittelten die Statistiker einen Anteil von 28 Prozent, für Mülheim an der Ruhr von 25,1 Prozent. Gerade in Mülheim ist der Zahl der Familien, die sich nur in einer Fremdsprache unterhalten, von vorher 22,5 Prozent besonders kräftig gestiegen. Das gilt auch für Hagen (von 29,9 auf 33,4 Prozent), überraschenderweise aber nicht für das benachbarte Dortmund. Hier ist die Zahl der betreuten Kinder, die zu Hause nicht Deutsch reden, sogar auf einen Anteil von 29,4 Prozent gesunken. Dabei stammen in Dortmund 43,8 Prozent der Kita- und Kindergartenkinder aus Familien mit Migrationshintergrund.
2011 besuchten in NRW 491 000 Kinder unter sechs Jahren ein Angebot der Kindertagesbetreuung. 170 000 davon kommen aus Familien, die nicht deutschen Ursprungs sind.
"Zweisprachige Erziehung kann gut funktionieren"
Wie frühkindliche Sprachförderung gelingen kann, auch wenn zu Hause kein Deutsch gesprochen wird -- das hat das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung untersucht. "Der Kita-Besuch ist ganz wichtig", sagt Vera Kreuter, eine der Autoren de Studie. In einer Gruppe, in der Deutsch die Umgangssprache ist, könne kaum etwas schiefgehen, vor allem, wenn eine gezielte Sprachförderung dazu komme. "Dann kann die zweisprachige Erziehung gut funktionieren".
Oft aber ist der Migrantenanteil sehr hoch -- eben weil deutsche Eltern öfter private Einrichtungen, vor allem kirchliche, für ihre Kinder wählen. Kinder mit z.B. türkischen Wurzeln bleibt vor allem im Ruhrgebiet oft nur die städtische Kita, wo mitunter rein deutschsprache Kinder schon mal in der Minderheit sind. "Das sind erschwerte Rahmenbedingungen", sagt Vera Kreuter. Auf jeden Fall seien dann die Erzieherinnen gefordert. "Sprachförderung ist eine große Verantwortung und braucht viel Zeit."
Doch die Situation in den Kitas ist alles andere als ideal -- jedenfalls kommt die Studie zu diesem Ergebnis. Die Kinder verbrächten zu wenig Zeit in den Kitas, die Gruppen seien oft nicht durchmischt, das Personal nicht genügend qualifiziert.
Immerhin gibt es in NRW verbindliche Vorgaben für Förderprogramme -- im Gegensatz zu anderen Ländern wie Berlin, Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen.