Heiligenhaus. So wenig wegwerfen wie möglich: Nachhaltige Haushaltsauflösungen sind im Trend. Zwei Entrümpler erklären, wie sie das hinbekommen

Jahrelang hat Thomas Mayer bei einem, nun ja, traditionellen Haushaltsauflöser gearbeitet. Daran erinnert er sich ein bisschen wie an einen Stoßtrupp: "Der Chef holt die Wertsachen raus. Dann mit vier bis sechs Mann rein, nicht mit den Leuten reden, Zeit ist Geld, alles zur Kippe." Und seiner Lebensgefährtin Nina Riehn "standen die Haare zu Berge, was da alles weggeworfen wurde". Das wollten sie besser können.

Die Folgen haben sie jetzt natürlich selbst zu tragen, sie stehen in der kleinen, überfüllten Lagerhalle der beiden: Sitzmöbel, Heizkörper, Brettspiele, Wandbilder; Kerzenständer, Tennisschläger, Damast-Bettwäsche, originalverpackt; DDR-Modellflugzeuge, ein großes Mozart-Feuerzeug, eine Vintage-Kommode, leider mit leichtem Wasserschaden. "Das kann sich jemand aufarbeiten." 1000 Sachen mehr. Alles muss raus. Nur nicht auf den Müll. Die Guten ins Töpfchen - und die Guten ins Töpfchen.

Ihr Ehrgeiz ist, so wenig wegzuwerfen wie möglich

Riehn, Mayer und eine weitere Kollegin betreiben seit kurzem in Heiligenhaus, südlich von Essen, die Firma "fair aufgelöst". Speziell an ihrem Entrümpeln ist die angestrebte Nachhaltigkeit: der Ehrgeiz, so wenig wegzuwerfen wie möglich. Erstens wegen der Umwelt. Zweitens spart es Entsorgungskosten.

Drittens freuen sich die Kunden: "Sie sind oft froh, wenn sie wissen, dass die Sachen des Verstorbenen noch Verwendung finden", sagt Mayer. Im Zweifelsfall beweist ihnen ein Foto: Omas Etagere macht sich weiter nützlich.

"Einen gebrauchten Rollator will hier niemand haben"

Brillen gehen an ein Projekt in Afrika. Heizkörper auf den Balkan. Kindersachen, Schuhe, Werkzeug, gebrauchte Rollatoren nach Rumänien. "Einen gebrauchten Rollator will hier niemand haben." Die Initiative "Ratingen nachhaltig" gehört ebenso zu den Abnehmern von vorübergehend ausgedienten Sachen wie "Trödel dich glücklich" in Wuppertal. Obdachlosenhilfe, Frauenhaus, Second-hand-Laden. Ebay. Natürlich gibt es vieles, was man nicht mehr retten kann. Das ist manchmal etwas unappetitlich. Das kommt gleich, wir wollen Sie ja nicht vorzeitig aus der Geschichte werfen.

Selbst für angebrochene Reinigungsmittel gibt es Abnehmer unter Menschen, die armen Leuten helfen. Das alles spart nach Nina Riehns Rechnung unterm Strich 70 Prozent der Entsorgungskosten, aber "auf den Stundenlohn gucken dürfen Sie nicht". Sortieren, transportieren, fotografieren, umpacken, beschreiben, ins Netz stellen. Deshalb hat sie auch noch einen zweiten Job.

Entsorgungskosten auf der Kippe steigen und steigen

Nachhaltigkeit sei ein Trend in der Branche, sagt René Schmieding vom noch jungen "Bundesverband der Entrümpler und Haushaltsauflöser". Der hat sich nach eigener Darstellung "das Ziel gesetzt, einen qualitativ nachhaltigen ökologischen Ansatz für die Branche zu schaffen".

Man kann es freilich auch von der praktischen Seite sehen: "Die Müllkosten steigen permanent", so Schmieding. Die Entsorgung auf der Kippe liege je nach Region zwischen 300 und 500 Euro pro Tonne, in Düsseldorf bei 600. Da soll man nicht nachhaltig werden! Schmieding weiß aber auch: "Nichts wegwerfen kann man nicht."

Als Trendsetter gilt "Entrümpelungen mit Herz" der Hamburger Unternehmerin Michaela Jeric. Sie möchte "der Wegwerfgesellschaft entgegenwirken", spendet vieles in den sozialen Raum und hat ansonsten regelmäßige Abnehmer gefunden für Einbauküchen und Elektrogeräte ("nimmt jeder Verein gerne") sowie Gartengeräte (Naturschutzbund). Spezialhändler nehmen ihr sogar alte Bücher ab und Vinyl-Schallplatten. Und "viele bunte Kleinigkeiten landen auf dem von uns erfundenen Verschenke-Tisch".

"Sachen aus Messi-Wohnungen, weil da die Viecher rumlaufen"

Doch zurück in die Halle in Heiligenhaus. Was ist denn nicht zu retten? Angebrochene Lebensmittel, weiß jeder. Alles, was kaputt, verbraucht, dreckig oder verschimmelt ist. Alles, was nach Rauch riecht. Und "wo jahrelang der nasse Hund drauf lag", fällt Thomas Mayer noch ein. Polstermöbel aus Haushalten mit Inkontinenten. "Sachen aus Messi-Wohnungen, weil da die Viecher rumlaufen."

Demnächst ziehen sie um in eine andere Lagerhalle. Leerer wird's da auch nicht werden, darf man prophezeien. Geschirr, Kleinmöbel, Spiegel; Lampen, Spielzeug, Stühle. Nina Riehn sagt, sie habe den Spaß an Flohmärkten verloren: "Man hat alles schon mal gesehen."