Drei Angeklagte im Prozess um die Loveparade sind mit einer Einstellung nicht einverstanden. Womöglich wird das Verfahren schon heute abgetrennt.

Düsseldorf. Sie werden nicht umziehen, weil vielleicht schon ab heute sieben Angeklagte und über 20 Verteidiger fehlen. Die Nebenkläger werden ja nicht weniger in diesem größten Strafverfahren der deutschen Nachkriegszeit, nur weil der Loveparade-Prozess teilweise eingestellt wird. “Das Verfahren wird in jedem Fall fortgesetzt”, kündigte der Vorsitzende Richter Mario Plein am Dienstag an, und es läuft weiterhin in der Messe Düsseldorf, für 29.000 Euro am Tag.

Eine gewisse Erleichterung liegt schon in der Luft, da liest Oberstaatsanwalt Uwe Mühlhoff gerade die erste von 32 Seiten seiner Stellungnahme vor. Die Ankläger stimmen dem Vorschlag der 6. Großen Strafkammer zu, das Verfahren einzustellen. Zwar sehen sie eine “Mitverantwortung” der zehn Angeklagten, aber nach 59 Zeugen und Hunderten Urkunden, Bildern und Filme wisse man, dass es “eine Vielzahl von Mitursachen” gegeben habe. Wieder wird genannt, was die Kammer schon gesagt und der Gutachter in sein vorläufiges Gutachten geschrieben hat: die dritte Polizeikette, Fehler an den Zugängen, “keine fachgerechte Planung”, häufig fallen die Begriffe “Mängel”, “unzureichend”, “fehlend”. “Die Veranstaltung war nicht sicher durchführbar.”

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Man habe, sagt Mühlhoff, das wesentliche Ziel erreicht: Hintergründe aufzuklären. Die möglichen 575 zusätzlichen Zeugen noch zu vernehmen, alle offenen Fragen bis zum Verjährungsdatum am 28. Juli 2020 zu beantworten, sei “nicht zu absolvieren”. Das einzusehen, sei “kein Versagen der Justiz, sondern Respekt vor dem Gesetz”.

Mit der Einstellung ist das Unglück nicht vorüber

Noch will sich niemand zu früh und schon gar nicht öffentlich freuen. Das Verfahren sei “sehr belastend” gewesen, sagt der Anwalt eines 56-Jährigen und “das Unglück mit der Einstellung nicht vorüber”. Es bleibe “tiefes Mitgefühl” mit den Hinterbliebenen der 21 Toten und Hunderten Verletzten, sagt eine Verteidigerin. Manche fassen sich kurz, andere pochen auf die Unschuld ihrer Mandanten: “Die Vorwürfe entbehren jeder Grundlage!”, “Herr B. ist unschuldig!”, “Herrn D. trifft keine Schuld!”, “Die Anklage ist widerlegt!” Verteidiger Christof Püschel spricht für alle: “Eine Einstellung ist die pragmatische Schwester des eigentlich gebotenen Freispruchs.”

Doch die Spannung weicht nur vorne rechts im Saal: Da sitzen die sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und hinter ihnen der Kreativdirektor des Veranstalters Lopavent, denen nach den Erkenntnissen von 100 Verhandlungstagen nur eine “geringe Schuld” nachzuweisen sein dürfte, wie Richter und Ankläger übereinstimmend finden. Möglich, dass sie schon heute gehen dürfen.

Drei Angeklagte wollen die Einstellung gegen Geldauflage nicht hinnehmen

Alle anderen müssen bleiben. Weil drei Angeklagte mit einer Einstellung nicht einverstanden sind: Bei ihnen, dem technischen Leiter, dem Sicherheitschef und dem Produktionsleiter, sieht die Staatsanwaltschaft eine mittlere Schuld, sie seien stärker eingebunden gewesen, hätten sich auf ihre Erfahrung berufen. Deshalb sollen sie etwa 10.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Verteidigerin Ruth Fischer widerspricht: Es sei “nicht nachvollziehbar, dass Unterschiede gemacht werden”, sagt Verteidigerin Ruth Fischer. Sie wirft dem Gericht vor, einem “Bauchgefühl” zu folgen. Die Hürde, gegen eine Geldauflage gehen zu dürfen, sei zu hoch, findet auch Kollege Heinz Schmitt: Da werde eine “Selbstunterwerfung” verlangt. Sein Mandant, der 41-jährige Produktionschef, müsse künftig “ohnmächtig erklären, dass er im Rechtssinn nicht schuldig sei”.

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Die Nebenkläger auf der anderen Seite des Raumes sehen das sowieso anders. Mehrere erklären für ihre Mandanten, dass sie sehr wohl weiterverhandeln, endlich ”die Phalanx des Schweigens” durchbrochen sehen wollen, wie Opferanwalt Julius Reiter sagt. “Sachlich falsch und juristisch eine Katastrophe”, nennt Rainer Dietz, Anwalt von Klaus-Peter Mogendorf, der bei der Loveparade seinen Sohn Eike verlor, die Einstellung. “Das Gericht verweigert sich, seiner Aufgabe nachzukommen”, sagt Rechtsanwalt Franz Paul. Man hätte zeigen müssen, “dass Schlamperei nicht ohne Folgen bleibt”. Paul übrigens zeigt Respekt für die Angeklagten, die nicht zustimmen: Sie stünden künftig allein im Zentrum eines Verfahrens, “in dem es eigentlich um Kollektivversagen geht”.