NRW. Viele Menschen auf engem Raum – aber keine Einlass-Kontrolle: Weihnachtsmärkte sind vorstellbare Anschlagsziele. Was sagen Veranstalter und Polizei?

Spätestens nach der Absage des DFB-Testspiels gegen die Niederlande steht die Frage im Raum: Sind Weihnachtsmärkte ein mögliches Anschlagsziel für Terroristen? Aber die meisten Veranstalter wiegeln ab: Das Sicherheitsnetz sei ohnehin eng. Die Anschläge von Paris ändern nur wenig am Konzept.

Konkrete Hinweise auf einen Anschlag gebe es nicht, bestätigt das NRW-Innenministerium. Die Polizei wolle aber verstärkt Präsenz auf Weihnachtsmärkten zeigen, kündigte Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittwochnachmittag an. Allerdings sei es wichtiger, im Vorfeld Informationen zu sammeln, um Anschläge zu verhindern.

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„Christkindl-Markt rüstet auf“, titelte am Mittwoch eine bayerische Zeitung. Einzelne Bundesländer kündigten an, die Polizei werde die Weihnachtsmärkte nun besonders beobachten. „Vor dem Hintergrund einer abstrakt hohen islamistischen Bedrohungslage“, formulierte Frankfurts Polizeisprecher Alexander Kießling, „sind öffentliche Veranstaltungen grundsätzlich gefährdet.“ Die hessische Landeshauptstadt richtet erstmals eine Lautsprecheranlage ein, um Besucher zu informieren, schickt zusätzliche Zivilstreifen.

Schausteller bleiben gelassen, fürchten aber um den Umsatz

Im Ruhrgebiet öffnen die meisten Märkte am Donnerstag – ihre Betreiber bleiben gelassen. Das Sicherheitsnetz sei ohnehin eng, heißt es: Essen, Duisburg, das Sauerland, auch Köln und Münster wollen nichts ändern. Dortmund hat schon fünf Jahre ein strenges Sicherheitskonzept: 2010 hatten US-Geheimdienste Terrorwarnungen für den größten Weihnachtsmarkt des Landes herausgegeben. Passiert ist nichts, die Personalstärke jedoch blieb seither hoch. Polizei in Uniform und Zivil, private Dienste und das Ordnungsamt patrouillieren. „Absolute Sicherheit“, räumt Sprecher Thomas Winkler ein, „gibt es nicht. Aber schwer bewaffnete Polizisten mit Maschinenpistolen wollen wir auch nicht.“

Dortmunds oberster Marktbeschicker und Präsident des Bundesverbands Deutscher Schausteller, Hans-Peter Arens, spricht zwar über ein „diffuses Unwohlsein“, sagt aber mit unerschütterlichem Humor: „Ich kauf’ mir jetzt keine Kalaschnikow.“ Man habe Stürme erlebt und Hochwasser, die Großeltern hätten „auch im Bombenkrieg Kirmes gemacht“. So einen kann vielleicht nicht viel erschüttern, und doch: Die Schausteller, die allerorten „sensibilisiert“ sind, fürchten Umsatzeinbußen. „Ich weiß nicht, wie unser Publikum reagiert.“ Wenn das ausbleibe, könne die Branche das „nicht verkraften“.

Auch Einzelhandel fürchtet Umsatzeinbußen

Und es sind ja nicht nur die Weihnachtsmärkte. Auch für die Einzelhändler bricht die umsatzstärkste Zeit des Jahres an. „Natürlich werden wir versuchen, vorweihnachtliche Stimmung in die Herzen der Menschen zu zaubern“, sagt Anne Linnenbrügger-Schauer vom Handelsverband NRW. Wie gut das klappt, weiß allerdings niemand. „Es wird bestimmt einige geben, die in der derzeitigen Situation lieber zu Hause bleiben.“ Schließlich ist ein Besuch in den Einkaufspassagen keine Pflicht mehr, um den Gabentisch zu füllen. Nahezu jedes Geschenk lässt sich auch im Internet bestellen und nach Hause liefern. „Man muss abwarten“, sagt Linnenbrügger-Schauer, belastbare Prognosen seien unmöglich.

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Noch aber wollen die Bürger eher nicht zuhause bleiben. „Man fühlt sich nicht sicher“, sagt eine Passantin in Berlin, „aber was soll man machen?“ Seinem neunjährigen Sohn hat Walter Gildersleeve gesagt: „Ein Autounfall ist wahrscheinlicher als ein terroristischer Anschlag.“ Und eine Marktleiterin hofft immer noch, „dass Deutschland nicht so im Fokus der Terroristen steht wie andere Länder“.

NRW-Polizei sichtbarer unterwegs

Taschendiebe indes sollten nicht glauben, dass dies ihre Saison wird, weil die Fahnder Wichtigeres zu tun haben. „Letztlich“, warnt eine Polizeisprecherin, „haben wir auf alles ein Auge.“ Was „alles“ ist, präzisiert der Chef eines Weihnachtsmarktes in Süddeutschland: „Pöbeleien, Taschendiebe und die Wahnsinnigen dieser Welt.“

Die NRW-Polizei wird diesen Winter also sichtbarer unterwegs sein als sonst. Dennoch ist es weiterhin den lokalen Polizeibehörden überlassen, die Zahl der Polizisten auf den Märkten zu erhöhen – je nach Situation vor Ort. Aber wie sieht es auf den großen Weihnachtsmärkten in Nordrhein-Westfalen aus? Wir haben bei Städten, Veranstaltern und Polizei gefragt.

Dortmund (Start: Donnerstag, 19. November):

Die Dortmunder Polizei wird auf dem Weihnachtsmarkt "präsenter" sein also sonst. Ob das nun mehr Einsatzkräfte bedeutet oder einfach nur ein offensiveres Auftreten – das ließ Polizeisprecherin Amanda Kolbe offen. Das Sicherheitskonzept sei in Dortmund ohnehin strenger als anderswo, erklärt Marktsprecher Thomas Winkler. Warum? Vor fünf Jahren hatte es eine Terrorwarnung gegeben. Passiert ist zwar nichts, aber das Personal sei dennoch hochgefahren worden – und blieb die Jahre danach auf Stand. Polizisten in Zivil und Uniform, Ordnungsamt und privater Sicherheitsdienst patroullieren. "Absolute Sicherheit gibt es nie", so Winkler. "Aber schwerbewaffnete Polizisten mit Maschinenpistolen wollen wir auch nicht."

Essen (Start: Donnerstag, 19. November):

Auf dem Essener Weihnachtsmarkt ändert sich erstmal nichts. Es gebe keine aktuelle Warnung, erklärt Marktsprecherin Ina Will von Essen Marketing – aber Sicherheitskräfte, Marktleiter und Händler hielten die Ohren offen und seien sensibilisiert.

Duisburg (Start: Donnerstag, 19. November)

Auch auf dem Weihnachtsmarkt in Duisburg bleibt vorerst alles beim Alten. Polizei und Sicherheitsdienste sind wachsam, aber mehr Personal als sonst ist bisher nicht geplant.

Hagen, Siegen, Arnsberg (Starts: 19./23. November, 4. Dezember)

Die kleineren Weihnachtsmärkte in Hagen, Arnsberg und Siegen ändern ebenfalls nichts an ihrem Sicherheitskonzept. Polizei ist in Hagen "sensibilisiert", hat aber keine konkreten Hinweise auf Gefährdungen und kontrolliert nicht über das normale Maß hinaus.

Aachen (Start: Freitag, 20. November):

In Aachen ist die Sorge besonders groß: Die Stadt liegt an der Grenze zu Belgien – und im Nachbarort Alsdorf waren nach den Anschlägen von Paris fünf Personen verhört worden. Allerdings erwiesen sich die Hinweise als falsch – es war eine Verwechselung. Die Organisatoren des Weihnachtsmarktes hatten sich am Dienstag zusammengesetzt. Ergebnis des Treffens: Polizei, Ordnungsamt und Sicherheitsdienst setzen deutlich mehr Personal ein. Rechtsdezernentin Annekathrin Grehling: „Es gibt keine akute Gefahr, wir tragen aber dem Wunsch der Besucher nach mehr Sicherheit gerne Rechnung.“ Eine Absage sei niemals Thema gewesen.

Köln (Start: meist Montag, 23. November):

Die Kölner Weihnachtsmärkte (es gibt mehrere Veranstalter für Domplatte, Heumarkt und Co.) fahren ihr Sicherheitskonzept nicht nach oben. Die Standards in der Touristen-Hochburg seien ohnehin hoch. Aber die meisten Märkte starten erst am Montag – also mehrere Tage nach den großen Revier-Weihnachtsmärkten. Es könne sich also noch ergeben, dass man auf mögliche Gefahren reagieren müsse, kündigt Polizeisprecher Christoph Gilles an. Konkrete Hinweise gebe es nicht.