Berlin/Nürnberg. Terrorgefahr auf Weihnachtsmärkten? Die Bundesländer wollen am Mittwoch in einer Schaltkonferenz ihre Sicherheitsmaßnahmen abstimmen.
Polizisten auf Weihnachtsmärkten jagen eigentlich kriminelle Leichtgewichte. Ins Visier nehmen sie vor allem Taschendiebe, die Weihnachtsmärkte genauso schätzen wie die Marktbesucher den Glühwein. In diesem Jahr werden die Blicke der Fahnder nicht nur über verdächtiges Gefingere an Handtaschen und Rucksäcken schweifen. Nach der Terrorserie in Paris und angesichts der Gefährdungslage auch in Deutschland will die Polizei Weihnachtsmärkte besonders beobachten.
Angekündigt wurde das bisher etwa in Berlin, Baden-Württemberg, Thüringen und Bayern. Dazu kommen verstärkte Sicherheitsmaßnahmen der Weihnachtsmarktbetreiber durch zusätzliche Wachleute. Die meisten Weihnachtsmärkte eröffnen am kommenden Montag.
„Man darf sich nicht einschüchtern lassen“
In Berlin gibt es Glühwein und Eisbahnen allerdings schon auf sogenannten Winterwelten, die aussehen wie Weihnachtsmärkte, aber bereits geöffnet sind, etwa direkt am Potsdamer Platz. Viele Besucher sehen die Lage nach den Anschlägen von Paris mit gemischten Gefühlen.
Der 49-jährige Walter Gildersleeve berichtet: „Mein neunjähriger Sohn war nach den Anschlägen etwas ängstlich. Ich habe ihm dann gesagt, ein Autounfall sei wahrscheinlicher als ein terroristischer Anschlag.“ Er betont: „Man darf sich nicht einschüchtern lassen.“ Eine 27-jährige Winterwelt-Besucherin hält Paris nur für einen „Vorgeschmack auf die nächsten Anschläge“. Der 31-jährige Stephan Dähn erinnert sich beim Buden-Bummel: „Früher habe ich auf Fanmeilen manchmal darüber nachgedacht.“ Auf Massenveranstaltungen werde ihm schon manchmal mulmig. Und Vanessa aus Barcelona sagt: „Ich denke die ganze Zeit daran. Man fühlt sich nicht sicher, aber was soll man machen?“
Die Veranstalter in ganz Deutschland und die Polizei nehmen die Sorgen ernst. Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) geht nicht davon aus, dass Weihnachtsmärkte in seinem Land abgesagt werden müssen. „Aber wir werden die Sicherheitslage sehr sorgfältig mit den Veranstaltern besprechen.“
Thüringens Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) kündigte Sicherheitskonzepte und mehr Polizeipräsenz an. Weil der Charakter der Märkte aber nicht gestört werden solle, würden auch Polizisten in Zivil eingesetzt.
Keine Hinweise auf konkrete Gefährdung
Über den berühmten Nürnberger Christkindlesmarkt sagt eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Mittelfranken: „Die Kollegen sind schon alle sensibilisiert.“ Aber es gebe keine Hinweise auf eine konkrete Gefährdung.
In der Hauptstadt betonte Innensenator Frank Henkel (CDU): „Vorsicht ist geboten, Angst wäre jedoch ein falscher Ratgeber. Wenn wir uns jetzt nicht mehr vor die Tür trauen würden, hätten die Terroristen gewonnen.“
Für die Weihnachtsmärkte ist das Thema nicht neu. Vor drei Jahren gab es in der Adventszeit eine größere Terrorwarnung. „Damals sind wir in der Nacht vor der Eröffnung mit Sprengstoffsuchhunden über das Gelände gegangen“, erinnert sich die Betreiberin eines der schönsten Berliner Weihnachtsmärkte, des „Weihnachtszaubers Gendarmenmarkt“, Gunda Kniep.
Zusätzliche Polizisten auf Weihnachtsmärkten in Berlin
Wirklich beunruhigt ist sie aktuell nicht. „Ich gehe davon aus, dass Deutschland nicht so im Fokus der Terroristen steht wie andere Länder“, sagt Kniep. Weil ihr Markt Eintritt kostet, steht vor jedem der vier Eingänge ein Wachmann. Zusätzliche Wachleute sollen patrouillieren. Das Problem sei derzeit aber: „Wir bekommen gar nicht mehr Wachleute.“ Wegen der vielen bewachten Flüchtlingsunterkünfte herrscht akuter Mangel.
Auf zusätzliche Polizisten setzt die große Weihnachtskirmes unweit des Berliner Alexanderplatzes. „Es gibt eine starke Präsenz der Polizei“, kündigt der Sprecher der Betreiber, Klaus Schneider, an. Bei einem konkreten Verdacht seien auch Taschenkontrollen durch die Wachleute geplant.
Gefahr drohe aber nicht speziell den Weihnachtsmärkten. „Jede Menschenansammlung kann ein Ziel sein, so wie Einkaufszentren oder Sportstadien“, sagt er. Hundertprozentige Kontrollen von Veranstaltungen mit tausenden Besuchern seien nicht möglich. „Deswegen gibt es auch keine absolute Sicherheit.“ (dpa)