Berlin. Der Bundesinnenminister hat während eines bemerkenswerten Auftritts die Spielabsage von Hannover begründet. Seine Aussage irritiert.

  • "Die Gefährdung ist hoch, die Lage ist ernst", sagt de Maizière
  • "Quelle und Ausmaß" der tatsächlichen Bedrohung in Hannover könne er nicht nennen
  • De Maizière: "Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern"

Eigentlich ist Thomas de Maizière wie immer. Am Abend, an dem er vor Journalisten die spektakuläre Absage des Länderspiels von Hannover begründen muss, gibt sich der Innenminister betont ruhig und sachlich. Er spricht langsam, in kurzen Sätzen, ohne jede Gestik. Man könnte seine Tonlage als deeskalierend bezeichnen an einem Abend, an dem sich die Nachrichten, Gerüchte und Spekulationen förmlich überschlagen. Trotzdem: Die Anspannung der vergangenen Tage und Stunden ist dem Innenminister anzusehen.

„Die Gefährdung ist hoch, die Lage ist ernst“, sagt de Maizière. Neben ihm machen der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius und Reinhard Rauball, Delegationsleiter der DFB-Elf, betretene Gesichter. De Maizière, der preußische Pflichtmensch, wirkt mehr wie ein Buchhalter denn wie ein Politiker. Er spricht von der „Verdichtung der Hinweise“ im Laufe der Stunden vor dem geplanten Anpfiff, von der „sorgfältigen Abwägung“, die man habe vornehmen müssen. Die Botschaft: keine Beschwichtigung, aber auch kein Grund zur Panik.

De Maizière will den Hinweisgeber schützen

Dann kommt er zu dem Punkt, der alle an diesem Abend interessiert: Was genau führte zu der Absage des Länderspiels der deutschen Mannschaft gegen die Niederländer?

„Aus ganz grundsätzlichen Erwägungen“, so der Minister, könne er „Quelle und Ausmaß“ der tatsächlichen Bedrohung in Hannover nicht nennen, denn: „Das würde für die Zukunft Rückschlüsse auf unser Verhalten zulassen.“ Außerdem könne die Veröffentlichung von Details dazu führen, dass der „Hinweisgeber“ künftig keine Tipps mehr an die Behörden gebe, so de Maizière.

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Für Journalisten und Öffentlichkeit ist die Auskunft nicht befriedigend, aber nachvollziehbar: Ermittler und Politiker können und dürfen eben nicht alles ausplaudern, was intern geschieht. Doch dann legt der Minister noch einmal nach – und patzt.

„Bitte um einen Vertrauensvorschuss“

Als Journalisten nachhaken, wie denn nun die Gefährdung aussah, wiederholt de Maizière seine Gründe, warum er die konkreten Antworten schuldig bleiben müsse, trotz der „verständlichen Neugier“ der Medienvertreter. Und dann sagt er noch: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“ Mit diesem einen Satz konterkariert der Innenminister seinen eigenen, auf Beruhigung und Versachlichung angelegten Auftritt bei der Pressekonferenz.

Wer nicht beunruhigen will, dann aber erklärt, er werde nichts sagen, um nicht zu beunruhigen – der erreicht genau das Gegenteil von dem, was er beabsichtigt. Dass der Minister dann noch die „deutsche Öffentlichkeit“ um einen „Vertrauensvorschuss gegenüber mir und den Sicherheitsbehörden“ bittet, kann die Sache nicht mehr retten. „De Maizière verschweigt Grund für Spielabsage – und macht damit Angst“, titelt „Focus Online“ am Morgen nach der Pressekonferenz von Hannover.

Nicht der erste Patzer des Innenministers

Und auf Twitter formiert sich unter dem Hashtag #DoItLikeDeMaiziere („Mach’s wie de Maizière“) sogleich die Fraktion der Lästerer. De Maizières Satz „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“ wird zum ätzenden Spott in Dutzenden Varianten. Beispielsweise: „Herr de Maizière, wie sind Sie eigentlich Minister geworden?“ „Ein Teil der Antwort würde Sie nur verunsichern.“

Die „denkwürdige Pressekonferenz“ („Die Welt) von Hannover ist nur der vorerst letzte in einer Reihe unglücklicher Auftritte de Maizières. Erst vor etwa zehn Tagen – die Koalition hatte gerade ihren mühsam erarbeiteten Kompromiss zur Flüchtlingspolitik präsentiert – überraschte der Minister mit der Ankündigung, die Regelungen zum Familiennachzug für syrische Flüchtlinge würden drastisch verschärft. Noch am Abend des gleichen Tages musste er die eigenen Worte wieder einfangen: „Es gibt keine Änderung bei der Genehmigungspraxis für syrische Flüchtlinge.“

Bereits zuvor hatte Kanzlerin Angela Merkel ihrem Innenminister faktisch die Kompetenz für das Management der Flüchtlingskrise entzogen – und ihren Kanzleramtsminister Peter Altmaier zum „Flüchtlingskoordinator“ gemacht. „Merkel entmachtet de Maizière“ war nicht nur beim „Handelsblatt“ zu lesen.