Essen. Die Alarmierungen über den Notruf erreichen einen neuen Spitzenwert. Aber die Fahrzeuge brauchen immer länger, bis sie an den Einsatzort gelangen.
Die Blaulicht-Alarmierung 112 gehört jetzt zu den am meisten getippten Telefonnummern. Feuerwehren und Sanitätsdienste sind noch nie so häufig zu Rettungseinsätzen gerufen worden wie in den letzten Jahren, geht aus einer Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt) hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Und es werden immer mehr.
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2013 waren es bundesweit 14,3 Millionen Einsatzfahrten – oder 147 Einsätze pro 1000 Einwohner. Nur knapp zehn Jahre zuvor lag die Zahl der Einsatzfahrten noch bei 12,1 Millionen und 123 Einsätzen pro 1000 Einwohnern. Bei jedem dritten Einsatz ist der Notarzt dabei.
Wirksamkeit der Rettungdienste leidet
Mit 47,5 Prozent der Fahrten fällt fast die Hälfte auf Krankentransporte, Verkehrsunfälle spielten mit 228 000 Einsätzen eher eine geringe Rolle, Arbeitsunfälle mit 0,3 Prozent fast gar keine. Jeder fünfte Einsatz erfolgt wegen Herz- und Kreislaufproblemen. Den Trends folgend zeige sich „ein Anstieg des Anteils der Notfalleinsätze“, sagt die Bundesanstalt.
Die Wirksamkeit der Rettungsdienste leide zunehmend unter längeren Anfahrten wie unter falschen Alarmen („Fehlfahrten“), stellt die Behörde fest, die dem Bundesverkehrsminister unterstellt ist. Hier könne vieles verbessert werden. So ist zum Beispiel die Zeit, die die Rettungsdienste bis zum Schauplatz von Verkehrsunfällen brauchen, innerhalb eines Jahrzehnts von durchschnittlich 7,4 Minuten bei Tageslicht auf 8,9 Minuten gestiegen.
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Der Essener Rettungsexperte Harald Karutz sieht die Ursache dafür in der stärkeren Beanspruchung der Dienste und im dichteren Straßenverkehr. Inzwischen wird auf Expertenebene sogar diskutiert, vor allem wegen der langen Anfahrzeiten auf dem Land dort nur noch Hubschrauber statt Straßenfahrzeuge („Prime Air-Prinzip“) einzusetzen.
Rettungsdienste werden immer öfter gerufen
Karutz ist Leiter des Notfallpädagogischen Instituts in Essen und Professor für Notfallmanagement. Den Wissenschaftler erstaunen die neuen Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen nicht. Sie sind für ihn vor allem eine Folge der älter werdenden Gesellschaft. „Es ist zum einen die Demografie“. Je älter die Menschen würden, desto häufiger brauchten sie Hilfe. Aber auch: Die medizinische Infrastruktur und die Dichte der ärztlichen Versorgung nähmen ab. Das sei nicht nur auf dem Land so, sondern auch in vielen Stadtteilen. „Da wird dann 112 gewählt“.
Karutz regt an, über neue Modelle der Rettungseinsätze nachzudenken. Nicht immer sei es ein Notfall, was von den Patienten zunächst als Notfall eingeschätzt würde. Er weist auf auf die Struktur der Wiener Rettung hin. Dort werden in minder schweren Fällen Krankenschwestern oder -pfleger und auch Sozialarbeiter eingesetzt – womit die Ansprechspartner da sind, wenn ältere Leute Hilfe oder Rat bei ihrer medizinischen Versorgung brauchten oder auch nur einen Gesprächspartner.
ADAC-Rettungshubschrauber immer häufiger im Einsatz
Karutz lobt aber auch die Feuerwehren im Ruhrgebiet, zum Beispiel in Essen und Bochum. Diese würden sich in ihrer Organisation große Mühe geben, so schnell wie möglich Hilfe zu leisten.
Eine ähnliche Bilanz wie die Bundesanstalt haben die Luftretter vorgelegt. Der ADAC-Rettungshubschrauber transportierte in der ersten Jahreshälfte 2015 24 750 Patienten – ein Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Deutsche Rettungs Flugwacht DRF brachte mehr als 18 000 Menschen in die Kliniken. Auch in der Luftrettung dominieren Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit mehr als 50 Prozent der Fälle als Einsatzursache.