An Rhein und Ruhr. . Personen statt Parteien standen bei der Bürgermeisterwahl im Blickpunkt. Das barg einiges Überraschungspotenzial. Vier Beispiele aus der Region.

„Wenn der Amtsinhaber nicht mehr antritt, dann ist das Rennen offen“, hatte Politikwissenschaftler Dr. Martin Florack von der Universität Duisburg-Essen vor der Wahl am Sonntag gesagt. In Oberhausen, Neuss, Kleve, Hamminkeln und anderen NRW-Städten war das der Fall. Das Wahl-Ergebnis dürfte einige überrascht haben. Das Erfolgsrezept der Bewerber? Unterschiedlich. Fest steht: Charisma, Bodenständigkeit und Kommunikationsfähigkeit gepaart mit der passenden Stimmung in der Bevölkerung schaden nicht.

Daniel Schranz hat in Oberhausen langen Atem bewiesen

Es war 2004, als Daniel Schranz (CDU) gegen den derzeitigen Amtsinhaber Klaus Wehling (SPD) antrat – und verlor. Wehling holte damals 53,9%, Schranz 32,5%. Doch Schranz’ langer Atem hat ihn ans Ziel geführt, am Sonntag ist ihm mit 52,5% die Kehrtwende geglückt – nach rund 60 Jahren SPD-Regierung in Oberhausen. Er hat in Oberhausen mit dem Wechsel geworben und damit den Nerv vieler der wenigen Wähler getroffen. Sie waren der SPD überdrüssig. Ob Schranz das Versprechen vom Wechsel tatsächlich halten kann, wird sich zeigen. Denn im Stadtrat hat er mit seiner CDU keine eigene Mehrheit. Bislang hat die Koalition (SPD, Grüne, FDP) mit der Stimme des SPD-Oberbürgermeisters (31 von 60) regiert.

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Der neue CDU-Oberbürgermeister Schranz, der am 21. Oktober offiziell das Amt übernimmt, appelliert an die Fraktionen und Gruppen, mit ihm zusammen zu arbeiten. Die CDU kommt im Stadtrat auf 20 Stimmen, das konservative Bündnis Oberhausener Bürger (BOB) hat drei Stimmen. Bleibt abzuwarten, wie sich die bisherige Koalition, die Linke (5 Sitze) und die Bürgerliste Oberhausen (2) verhält. Zudem setzt er auf eine sachliche Zusammenarbeit mit den Dezernenten der Stadtverwaltung, von denen niemand der CDU angehört. Darunter ist auch Stadtkämmerer, Kulturdezernent und Wahlverlierer Apostolos Tsalastras (SPD). Angesichts der knappen Kassen in Oberhausen wird die Zusammenarbeit zwischen Kämmerer und CDU-Chef spannend.

Schranz wurde 1974 in Oberhausen geboren, er wohnt mit Frau Andrea Schranz-Hülskemper und seinen drei Kindern in Osterfeld. Nach dem Studium (Geschichte/Politik) arbeitete er als Prokurist beim Einrichtungshaus Hülskemper, seine Ehefrau ist die Schwester des Geschäftsführers. Seit 2009 arbeitet er als Landesbeauftragter bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Seit 1994 ist er im Stadtrat, seit 2001 CDU-Fraktionsvorsitzender.

Ein SPD-Mann im Rathaus - Neuss probiert ‘was Neues

Rainer Breuer
Rainer Breuer

Neuss galt als „schwarze“ Bastion. Seit Kriegsende haben CDU-Bürgermeister das Rathaus geführt. Beim Schützenfest vor drei Wochen aber, da haben die Genossen gemerkt, dass in der 152 000-Einwohner-Kreisstadt etwas geht. „Immer mehr Leute kamen auf uns zu, haben gesagt: Wir wählen euch“, erzählt Michael Ziege, SPD-Vize in Neuss. Gewählt haben sie ihn: Reiner Breuer, 46 Jahre, Vater einer Tochter, Jurist, bis dato Landtagsabgeordneter und verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Schon bei der Landtagswahl 2012 hatte der gebürtige Neusser seinen Wahlkreis direkt geholt. Mehr Bürgernähe und mehr Bürgerbeteiligung – das soll nun das große Thema der Bürgermeisterzeit werden. In den knapp 60 CDU-Jahren hätten sich in Neuss einige Entscheidungsprozesse doch sehr eingeschliffen, heißt es.

Klever Bürgermeisterin ohne Hausmacht

Sonja Northing
Sonja Northing © NRZ

Es war die Überraschung des Wahlsonntags: Mit einer starken Zweidrittelmehrheit zieht die parteilose Kandidatin Sonja Northing ins Klever Rathaus als Bürgermeisterin ein. Unterstützt von SPD, FDP und dem Lokalbündnis Offene Klever hat sie es geschafft, das Bürgermeister-Abo der CDU aufzukündigen. Bereits im Wahlkampf wurde schnell deutlich, dass Northing angesichts der Kontrahenten von CDU und Grüne gute Chancen besitzt. Sie selbst kennt die Verwaltung gut, denn bislang leitete sie den schwierigen Fachbereich Arbeit und Soziales. Sie genießt den Ruf, durchsetzungsstark und hartnäckig zu sein. Im Wahlkampf kündigte sie an, dass sie mehr Transparenz und Bürgernähe praktizieren möchte. Allerdings fehlt ihr eine richtige Hausmacht. Denn im Rat haben CDU und Grüne weiterhin eine Mehrheit.

Roter Bürgermeister im schwarzen Hamminkeln

 Jubel bei der SPD: Bernd Romanski mit Ehefrau Heike (links) und Tochter Saskia.
Jubel bei der SPD: Bernd Romanski mit Ehefrau Heike (links) und Tochter Saskia. © Funke Foto Services

Von Beginn an hatte die SPD ihre Chance im vorwiegend schwarz gefärbten Hamminkeln gewittert. Und diese Chance hat sie genutzt. Zum ersten Mal in der Stadtgeschichte werden die Sozialdemokraten mit Bernd Romanski den Bürgermeister stellen. Romanski, 56 Jahre alt, ehemaliger Top-Manager, verheiratet und Vater von drei Kindern, nutzte seine Kontakte zu den Führungsriegen seiner Partei. So lotste er neben den NRW-Ministern Michael Groschek und Garrelt Duin auch Altbundeskanzler Gerhard Schröder in die Stadt. Größter Verdienst des Wirtschaftsfachmanns war es aber, das ungewöhnliche Bündnis zwischen SPD, FDP und USD zusammenzuhalten, als deren gemeinsamer Kandidat er angetreten war. Romanski ist eloquent, äußerst diskussionsfreudig und dafür bekannt, auch abseits der Parteilinie zu denken.