Essen. Laute Motorräder reißen die Bevölkerung im Revier aus dem Schlaf. Das ist das Ergebnis einer Studie. Doch der Staat handelt nicht. Im Gegenteil.
Der Krach, der von zu schnell fahrenden oder nicht mehr Lärm gedämmten Motorrädern ausgeht, ist der Ruhe- und Schlafkiller Nr. 1. Das geht aus Untersuchungen hervor, die parallel zum großen Tempolimit-Test der Landesregierung und der Arnsberger Bezirksregierung an der A 45 in Dortmund durchgeführt wurden.
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Bei der 30-monatigen Testaktion hatte sich zwar im Kern ergeben, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung für Pkw auf Tempo 100 auf Autobahnen keine wesentliche Lärmminderung bringt, weil vor allem Lkw laut sind und diese ohnehin nicht schneller als 80 km/h fahren dürfen. Bei der Befragung der Anwohner der Dortmunder Stadtteile Eichlinghofen und Kruckel/Persebeck, die nahe der Autobahn A 45 liegen, hat sich jedoch herausgestellt, dass nachts vor allem einzelne Motorräder die Menschen aus dem Schlaf reißen
Ein Motorrad reicht, um zahlreiche Menschen aufzuwecken
Für die erreichten Lärmhöchstwerte seien teilweise einzelne Motorräder verantwortlich, heißt es in dem 140-Seiten-Abschlussreport, der vom Bochumer Ingenieurbüro Brilon Bondzio Weiser am Technologiezentrum Ruhr und von der Hagener Zentrum für angewandte Psychologie Zeus erstellt wurde. Weiter: „Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein einzelnes Motorrad mit überhöhter Geschwindigkeit im Nachtzeitraum zu Aufwachreaktionen führen kann“.
Nach den Umfragen der Untersuchung bei Hunderten Anliegern der Teststrecke zwischen den Kreuzen Dortmund-West und Dortmund-Süd hält die Hälfte der Befragten den Lärm durch Motorräder für stark belästigend ( 26 Prozent) oder äußerst belästigend (23 Prozent). Motorräder nehmen damit den ersten Rang der als störend empfundenen Lärmquellen ein. Erst auf Platz 2 und 3 folgen Pkw und Lkw.
Biker-Lärm könnte für Proteste sorgen
Dieser Teil der Testergebnisse ist auch politisch brisant. Denn seit einigen Monaten braut sich landesweit massiver Protest gegen eine angebliche Untätigkeit von Polizei und Behörden gegen Biker-Lärm zusammen – das auch vor dem Hintergrund, dass sich die Zahl der zugelassenen Motorräder seit 40 Jahren auf vier Millionen Stück verzehnfacht hat und alte, lärmintensive Fahrzeuge kaum abgemeldet werden.
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In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben sich 20 Kommunen zusammengeschlossen. Sie fordern die Einführung von Frontkennzeichen für Motorräder, um sie bei Tempo-Übertretungen schneller zu identifizieren. Sie wollen auch Straßensperrungen aus Lärmschutzgründen und die Geltung der ab 2016 geplanten strengeren EU-Lärmvorschriften auch für den Motorrad-Bestand. Die strengeren Vorschriften sind bisher nur für die künftigen Modellreihen der Krad-Hersteller vorgesehen.
Bußgeld für laute Motorräder wurde gesenkt
Doch handeln die Verantwortlichen? In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Bundestags-Anfrage der Grünen schiebt Berlin die Schuld an den nach wie vor hohen Lärmwerten auf die Länderregierungen. „Das Verkehrsministerium hat sich auf der Verkehrsministerkonferenz im Herbst 2011 für verstärkte Kontrollen der Geräuschemissionen bei Motorrädern durch die Länder eingesetzt. Der Antrag hat keine Unterstützung gefunden“.
Vor allem: 2014 hat es im Bußgeld-Katalog eine gravierende Veränderung gegeben, die kaum bekannt ist. Danach wird eine wissentliche Veränderung an der Auspuffanlage, zum Beispiel die Demontage der so genannten „db-Killer“ oder „db-Eater“ an den Schalldämpfern, nur noch mit 90 Euro Bußgeld geahndet - nicht aber mehr mit drei Punkten im Verkehrssünderregister beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg wie vorher. Denn punkte-relevant ist seither nur noch ein Verstoß gegen die Verkehrssicherheit, nicht gegen den Lärmschutz. Die Bußgeldstelle der Stadt Dortmund musste vor diesem Hintergrund sogar einen verhängten Punkt wieder kassieren.