Essen. Bereits 34 Motorradfahrer ließen 2015 auf NRW-Straßen und Autobahnen ihr Leben, doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Erste Großaktion mit 250 Beamten
Mit teils großangelegten Kontrollen geht die Polizei in Nordrhein-Westfalen jetzt gegen rasende Motorradfahrer vor. Zum Auftakt sind an diesem Wochenende etwa 250 Polizisten in Sauer- und Siegerland, im Bergischen Land und in der Eifel unterwegs. Laserpistolen kommen ebenso zum Einsatz wie Blitzgeräte und mit Videobeweistechnik ausgestattete Provida-Motorräder.
Die Aktion kommt nicht von ungefähr. 34 Biker sind in den ersten fünf Monaten bereits auf den Straßen und Autobahnen in NRW gestorben – doppelt so viele wie im Voirjahreszeitraum. Allein 22 starben jetzt, weil sie deutlich zu schnell waren. „Eine kleine Gruppe von Rasern gefährdet sich und andere, indem sie alle Geschwindigkeitsregeln ignoriert und unsere Straßen als illegale Rennstrecken missbraucht“, klagt Innenminister Ralf Jäger (SPD). An den kommenden Sommerwochenenden sollen weitere Kontrollen folgen.
Strafe - oder eine Karte für den Nürburgring
Der Unterschied zum Blitzmarathon: Kontrollstellen werden nicht vorab veröffentlicht; ausdrücklich geht es vor allem um Repression, weniger um Prävention. „Wir wollen die rücksichtslosen Raser erwischen. Je nachdem sind dann Bußgelder fällig, und es gibt Fahrverbote“, sagte ein Sprecher der Polizei Wuppertal. Bei der Behörde laufen die Fäden zusammen für den Einsatz im Bergischen Land. Die Beamten in Aachen koordinieren den Einsatz in der Eifel, die im Märkischen Kreis den im Sauer- und Siegerland.
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Repression hin oder her: Mit der Einsicht ist es bei rasenden Bikern oft nicht gut bestellt. „Eine Strafe von 1200 Euro ist immer noch günstiger als eine Jahreskarte auf dem Nürburgring“ – mit diesen Worten kommentierte ein Kradfahrer im März in der Eifel keck sein Knöllchen. Polizisten hatten ihn mit 226 Km/h auf einer Landstraße erwischt, wo 70 erlaubt sind. Nahe Wuppertal wurde ein Biker nebst Mitfahrerin bei Tempo 210 (statt 100) fotografiert. In kurzer Hose und mit Stöckelschuhen saß die Mitfahrerin auf dem Krad. Überhaupt nutzen rasende Biker oft aus, dass ihnen Starenkästen nichts anhaben können, weil auf den von vorn gefertigten Bildern kein Nummernschild erkennbar ist. Mitunter sind die Raser auch noch stolz auf ihren Geschwindigkeitsrausch und dokumentieren ihre lebensmüden Fahrten mit Zwei-Minuten-Spots im Internet.
Junge Heizer und alte Comebackler
Adi Plickert hat der dramatische Anstieg der Unfallzahlen in diesem Frühjahr nicht überrascht: „Trockenes Wetter führt unweigerlich zu mehr toten Motorradfahrern“, sagte der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf NRZ-Nachfrage. Das Problem seien nicht nur „junge Heizer, sondern auch die alten Comebackler“. Viele überschätzten sich, wenn sie in der Mitte ihres Lebens nach vielen Jahren aufs Motorrad zurückkehren und sich dann eine viel größere Maschine leisten als früher. Plickert rät dringend zu einem Fahrsicherheitstraining. Zudem fordert der GdP-Chef die Anschaffung weiterer Provida-Motorräder.
Mit diesen in Zivil gehaltenen Krädern stellt die Polizei den Rasern nach und vermag deren Fehlverhalten mit einem Videofilm zu dokumentieren. Über 17 solcher Kräder verfügt die NRW-Polizei derzeit – noch nicht genug für jede zweite der 47 Kreispolizeibehörden (dazu ebenfalls landesweit im Einsatz: 700 Handlaserpistolen und 100 Blitzgeräte). Längst nicht alle Provida-Kräder sind heute und morgen durch den Schwerpunkt-Einsatz gebunden. Auch am Niederrhein etwa müssen sich Biker darauf gefasst machen, dass sie einem solchen Motorrad begegnen. Ein Sprecher der Kreispolizei Wesel kündigte gestern auf Nachfrage an, dass ein Kollge damit unterwegs sein werde.