Essen. . Ob mit oder ohne Blitzmarathon: Wer als Raser erwischt wird, riskiert seinen Führerschein. Inzwischen reichen acht statt 18 Punkte in Flensburg.

"Jeden Tag ist Blitzmarathon". Darauf weist die Polizei nicht nur in NRW hin, wenn mal wieder eine Großaktion gegen Raserei im Straßenverkehr zu Ende gegangen ist. Seitdem das Verkehrsrecht zum Mai 2014 in Deutschland grundlegend überarbeitet wurde, kann einem der Führerschein schneller entzogen werden, sagen Experten. Da sollte man sich an Geschwindigkeitsgebote also besser halten.

"Wer oft zu schnell fährt, kommt jetzt relativ schnell an die Punkte-Höchstzahl heran", erklärt Elke Hübner, Juristin beim ADAC in Köln. Mussten bis dato 18 Punkte "in Flensburg" erreicht werden, um den Führerschein auf Dauer zu verlieren, reichen mittlerweile acht Punkte aus. Wer im Auto oder auf dem Motorrad zu kräftig Gas gibt und dabei erwischt wird, kann zwei Punkte auf einen Schlag erreichen - und je nach zusätzlichem Tatbestand, etwa Verkehrsgefährdung oder Sachbeschädigung, können es insgesamt drei Punkte werden. Auf einen Schlag.

Unterschiede innerorts und außerorts

Wer beim zu schnellen Fahren mit Auto oder Motorrad erwischt wird, muss zwischen 15 und 680 Euro zahlen, bei Verstößen innerorts. Außerorts reicht die Spanne beim puren Tempovergehen von 10 bis 600 Euro.

Bis zu 20 Stundenkilometer über dem erlaubten Tempo innerorts kann die Polizei das Verwarngeld direkt kassieren; 35 Euro sind dann fällig. Ab 21 Stundenkilometer zu viel sind innerorts 80 Euro fällig, außerorts 70 Euro. Ab 60 Euro ist von "Bußgeld" die Rede. Solche Delikte werden dann in Flensburg aktenkundig, weil sie "registerpflichtig" sind.

Das Verkehrszentralregister beim Kraftfahrtbundesamt hat seit Mai 2014 nicht nur den neuen Namen Fahreignungsregister. Dort werden seitdem nur noch Delikte registriert, die als Verkehrsgefährdung oder Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit aufgelistet sind. Beleidigungen oder etwa Verstöße gegen die Umweltzone bleiben mittlerweile ohne Punkte in Flensburg. Auch wenn das veranschlagte Bußgeld höher als 60 Euro ist.

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"Die alte Faustformel '40 Euro Bußgeld sind ein Punkt in Flensburg' gilt nicht mehr", sagt Stephan Immen, Sprecher im Kraftfahrtbundesamt in Flensburg. Ein Verstoß beim Fahren in der Umweltzone wird mittlerweile mit 80 Euro geahndet, bleibt aber ohne Punkt in Flensburg. Anders bei Tempoverstößen.

Zu schnelles Fahren füllt Dutzende "Tatbestände":

Auch bei Wiederholungstätern droht ein Fahrverbot 

Bei Tempoverstößen gilt: Innerorts geblitzt zu werden, ist teurer als außerorts - "weil die Gefährdung größer ist, etwa von Fußgängern", sagt Verkehrsjuristin Elke Hübner. Das war schon vor der großen Punktereform so geregelt. Wem es ums Geld nicht schade ist, sollte sich höchstens mit 20 Stundenkilometer mehr als erlaubt erwischen lassen. Dann bleibt man wenigstens ohne Punkt in Flensburg. Ab 21 Km/h zu viel, wird gewöhnlich ein Punkt eingetragen, ab 31 Stundenkilometer sind es zwei Punkte - in Verbindung mit einem Fahrverbot für einen Monat. Ab Tempo 101 in einem 50-er Bereich ist der Führerschein für zwei Monate weg.

Außerorts greift die Staffelung etwas verzögert: vier Wochen Fahrverbot werden ab 41 Stundenkilometern über Limit verhängt. Ab 61 Stundenkilometern zu viel ist der Führerschein für zwei Monate weg. Ab 71 Stundenkilometern zu schnell sind es drei Monate.

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Bei Radarkontrollen wird ein "Toleranzwert" abgezogen

Haben 25 Stundenkilometer zu schnell im Normalfall kein Fahrverbot zur Folge, ändert sich das bei 'Wiederholungstätern': "Wer innerhalb von einem Jahr zweimal mit 25 Km/h zu viel erwischt worden ist, verliert den Führerschein", sagt Verkehrsrechtlerin Elke Hübner. Auch das war schon vor der großen Punktereform so.

Beim Messen der Geschwindigkeit wird Autofahrern ein "Toleranzwert" zugute gehalten. Bei Radargeräten, Laserpistolen oder Lichtschranken sind das drei Stundenkilometer. Im Bereich bis zu 100 Stundenkilometer werden sie vom Messergebnis abgezogen. Bei Geschwindigkeiten über 100 Stundenkilometern liegt der Toleranzwert bei drei Prozent der gemessenen Geschwindigkeiten. Bei der Tempokontrolle vom fahrenden Motorrad aus oder etwa bei einer Autobahnstreife werden fünf Prozent abgezogen, mindestens fünf Stundenkilometer.

95 Prozent aller Unfälle wären vermeidbar

Insgesamt 532 Seiten umfasst der aktuelle "Bundeseinheitliche Tatbestandskatalog". Er listet alle erfassten Verkehrsvergehen auf. Beim Kraftfahrtbundesamt lässt sich der Punktekatalog online in Kapitel unterteilt abrufen. Autoclubs und Verkehrsverlage bieten die wichtigsten der Bestimmungen als "Auszüge" aufbereitet an. Beim ADAC etwa ist das eine Broschüre mit immerhin 130 Seiten Umfang.

Laut Unfallauswertung gehen 95 Prozent aller Unfälle auf Regelverstöße zurück und sind damit vermeidbar, mahnt die NRW-Polizei. An erster Stelle steht dabei überhöhte Geschwindigkeit, rechnet die Polizei vor: "Wo ein Autofahrer mit 50 Stundenkilometern gerade noch rechtzeitig bremsen kann, prallt er bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 70 km/h noch mit weit über 40 km/h auf. Ein Kind, Fahrradfahrer oder Fußgänger erleidet dann häufig tödliche Verletzungen."

Verkehrsstudien belegen laut Polizei: Bei einem Aufprall mit 50 km/h Geschwindigkeit sterben zwei von zehn Fußgängern, die mit einem Fahrzeug kollidieren; bei 65 km/h Geschwindigkeit sterben bereits acht von zehn Fußgängern. Das bedeutet: "Bereits eine 15 Stundenkilometer höhere Geschwindigkeit entscheidet bei einem Unfall darüber, ob deutlich mehr Menschen sterben".