Essen. . Nächtliche Kontrollen sollten Thomas Middelhoff in der Haft vor Suizid bewahren. Renate Künast spricht von einer „Verletzung der Menschenrechte.“

In der Nacht nach seiner Verhaftung am 14. November 2014 begannen die Kontrollen. Justizvollzugsbeamte sahen alle Viertelstunde durch den Spion in seiner Zellentür, knipsten immer und immer wieder das Licht an. Thomas Middelhoff, „Big T“, wie er in seinen besten Manager-Zeiten genannt wurde, galt in diesen Wochen als suizidgefährdet. Als ein Mann, der gesellschaftlich von ganz oben nach ganz unten gestürzt war. Noch dazu als einer, dessen Vater und Bruder sich das Leben genommen hatten.

Middelhoff hat eine Autoimmunerkrankung

Was ein übliches Verfahren in deutschen Gefängnissen ist und vom Haftrichter als Schutzmaßnahme für den Inhaftierten gedacht war, wird nun zum Politikum. Middelhoffs Anwälte sehen den wochenlangen Schlafentzug als Ursache für eine vor Monaten diagnostizierte „und nur unzulänglich behandelte Autoimmunerkrankung“, wie sie am Dienstag erklärten.

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Grünen-Politikerin Renate Künast spricht von einer „Verletzung der Menschenrechte“, und Hubertus Knabe, Direktor der Berliner Stasi-Gedenkstätte, fühlt sich gar an „Stasi-Methoden“ erinnert. Middelhoff verlebte die dreieinhalb Wochen nach seiner Inhaftierung genauso und dann auch den 18. und 19. Dezember, als das Gericht seine Haftbeschwerde abgelehnt hatte, als es hieß: Weihnachten im Gefängnis!

Nächtliche Kontrollen bei Suizidgefährdeten

„Diese nächtlichen Kontrollen werden bei Suizidgefährdeten seit vielen Jahren praktiziert, und bisher hatten wir nie Probleme damit“, sagt Detlef Feige, der Sprecher des NRW-Justizministeriums.

Gerade bei Leuten wie dem ehemaligen Top-Manager Middelhoff, dem Kunsthändler Achenbach oder dem vor Jahren verurteilten Star-Chirurg Christoph Broelsch, die vor ihrer Inhaftierung ein „völlig anderes Leben geführt haben“, wisse man nicht, wie sie auf die neue Situation reagierten, so Feige. In diesen Fällen kontrolliere man so wie bei Middelhoff oder aber man nutze besonders gesicherte Hafträume, in denen alle Gegenstände fest montiert und die Bettdecken nicht zerreißbar seien.

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In der Justizvollzugsanstalt Essen erwog man im Fall Middelhoff offenbar auch die gemeinsame Unterbringung mit einem „vertrauenswürdigen Häftling“, so die derzeitige Anstaltsleiterin Dörte Körner. Die Entscheidung sei dann allerdings zugunsten einer Einzelzelle mit nächtlichen Kontrollen gefallen. Es seien Gespräche mit dem Gefangenen geführt worden, und der medizinische Dienst sei in die Entscheidung eingebunden gewesen, hieß es.

„Die Menschenrechte stehen über allem. Schlafentzug wird auch als Foltermethode eingesetzt, und jeder weiß, wie es ist, wenn man einige Tage nicht schlafen kann. Alternativ könnte man Doppelzellen nutzen, Bewegungsmelder einsetzen oder Fußfesseln“, sagte Renate Künast.

Thomas Middelhoff befindet sich seit Dienstag wieder im Uni-Klinikum Essen. Die Krankheit habe sich „unter den Bedingungen der Haft weiter verschlechtert“, so seine Anwälte. Sie stellten einen Antrag auf Haftprüfung. Es ist der dritte.