Düsseldorf. Viele NRW-Städte setzen wieder auf Sirenen – aber das kostet. Das klamme Duisburg zeigt, wie's geht: Die Stadt sucht Sponsoren für die “Heuler“.
Ohne Krieg keine Sirenen: Nach dem Ende des Kalten Krieges bedeutete das Vertrauen in Europas Frieden das Aus für Tausende graue "Pilze" auf deutschen Dächern. Rund 20 Jahre nachdem der Bund sein flächendeckendes Sirenensystem abgeschaltet hat, besinnen sich viele Städte neu. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums sind im Sirenen-Kataster des Landes inzwischen schon wieder rund 3500 Heuler in 280 der 396 Städte und Gemeinden verzeichnet.
Auch Essen will die durchdringenden Anlagen unbedingt wieder im Stadtgebiet installieren. "Zur Erstwarnung ist das das einzig probate Mittel, um maximale Aufmerksamkeit zu erzeugen", unterstreicht Brandschutz-Dezernent Christian Kromberg. "Sirenen kriegt jeder mit."
Bund schaltete Sirenen-Netz vor 20 Jahren ab
Diese Erkenntnis hatte sich in der Nachbarstadt Duisburg bereits 2008 durchgesetzt. Nach jahrelangen Erfahrungen mit Warnungen über Polizeiwagen, selbsteinschaltende Radio-Empfänger oder SMS stellte der Oberbürgermeister damals in einer Beschlussvorlage an den Rat fest: "Keine der erprobten Alternativen konnte sich bewähren beziehungsweise den Wirkungsgrad von Sirenen erreichen."
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Das Problem: Anschaffung und Wartung sind teuer. Essen und Duisburg gehören zu den am höchsten verschuldeten Städten Deutschlands. Doch die Duisburger hatten eine pfiffige Idee: Sponsoring für Sicherheit. Sie brachten Dutzende Unternehmen ins Boot, die zusagten, gut die Hälfte der Kosten zu übernehmen. Immerhin mussten für 65 Hochleistungssirenen 950.000 Euro einkalkuliert werden - ohne Wartungskosten. Das Modell funktioniert: 2013 konnte der erste Probealarm ertönen.
Das will auch Essens Brandschutz-Dezernent erproben und das Duisburger Modell im kommenden Monat im Fachausschuss vorstellen. Grob geschätzt geht Kromberg von rund einer Million Euro an Kosten aus, um etwa 50 Sirenen im Stadtgebiet zu installieren. Wie viele genau und wo die platziert werden müssten, um ganz Essen im Notfall zu alarmieren, soll jetzt ein Schall-Gutachten ergeben.
Sorge: Bürger erwarten Probealarm statt Notfall
"Dann brauchen wir aber auch eine Kampagne, um die Leute wieder an Sirenen zu gewöhnen", sagt er der Deutschen Presse-Agentur. In Friedenszeiten gingen viele Bürger automatisch von einem Probe-Alarm aus oder wüssten die auf- und abschwellenden Heul-Töne nicht richtig zu deuten.
Das Land hatte den NRW-Kommunen im vergangenen Jahr 10 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um ihre Warnsysteme zu optimieren. "Die Wahl der Mittel liegt im Ermessen der Kommunen", berichtet ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. "Ein schlüssiges Warnsystem müssen sie aber haben."
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Auf dem Vormarsch sind High-Tech-Lösungen. NRW testet für das Bundesamt für Katastrophenschutz gerade eine Katastrophen-App, die Warnungen per Eilmeldung auf private Smartphones überträgt. Auch Sirenen können mit der satellitengestützten Technik aktiviert werden.
Die Feuerwehr bevorzugt einen Mix. "Wir brauchen eine bunte Palette, um möglichst viele Leute zu erreichen", unterstreicht Heinz Engels von der Feuerwehrleitstelle Düsseldorf. Während für Gehörlose die vibrierende Handy-Warnung optimal ist, besitzen Andere nicht einmal ein Smartphone. Wer schläft, hört normalerweise am ehesten die Sirene - in dreifach verglasten, top schallisolierten Häusern aber nicht unbedingt.
Durch Dreifach-Fenster hört man die Sirene kaum
Die Sirene als alleiniges Warnmittel habe ausgedient, meint Engels. "Da würde ja jeder die Notruf-Nummer blockieren, weil die Sirene allein ja nicht sagt, was passiert ist."
Die reiche Landeshauptstadt hatte schon Ende der 90er Jahre beschlossen, ein neues Sirenenwarnsystem aufzubauen. 1,8 Millionen Euro seien in die neue Anlage investiert worden, berichtet Engel. Statt der einst rund 300 alten "Pilze" seien heute aber nur noch 78 Hochleistungssirenen am Start. Wenn sie jetzt heulen, warnen sie vor Chemie-Unfällen, Giftwolken und Großbränden oder alarmieren die Freiwillige Feuerwehr. (dpa)