Ruhrgebiet. . Sie kommen mit Hilfe von Schleusern aus dem Kosovo, wo bittere Armut herrscht. Doch längst sind die Aufnahmestellen und Übergangswohnheime im Ruhrgebiet überfüllt. Die Städte suchen nach Lösungen.
- Bis zu 1000 Flüchtlinge kommen pro Tag nach NRW.
- Viele fliehen vor der Armut im Kosovo: Hier liegt die Arbeitslosigkeit bei etwa 45 Prozent.
- Viele Städte sind "an der Grenze der Kapazitäten angelangt“.
Nein, davon wollen sie nichts hören. Immer wieder haben sie sich Mut gemacht in den vergangenen drei Tagen auf der engen Sitzbank eines verdunkelten Minibusses. Immer wieder haben sie sich gesagt, dass es richtig war, das Kosovo zu verlassen, um der Armut zu entfliehen. Und jetzt, nach all den Strapazen der Flucht, wollen sie wirklich nichts davon hören, dass sie eigentlich keine Chance haben, in Deutschland bleiben zu dürfen.
Der hagere Astrit, seine schwangere Frau und ihr Sohn Raonar (6) haben sich Schleppern anvertraut, ihnen 2000 Euro bezahlt, um in Deutschland ein neues Leben zu beginnen. Zusammen mit vielen hundert anderen Kosovaren stehen sie Donnerstagnachmittag in der landesweiten Erstaufnahmestelle in Dortmund und warten darauf, registriert zu werden. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt der junge Mann aus Pristina. Der 27-Jährige spricht sehr gut Deutsch. Denn er war schon mal hier als Flüchtling. Drei Jahre lang lebte er in Essen, dann wurden er und seine Eltern abgeschoben. Das war 2002. Jetzt ist er wieder hier. Diesmal mit seiner eigenen Familie. Auch diesmal will er Asyl beantragen. „Wir hoffen. Wenn man Kinder, hat, muss man hoffen“, sagt er.
Die Lage im Kosovo ist dramatisch
Die Lage im Kosovo, einem der ärmsten Länder Europas, ist dramatisch. Die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 45 Prozent, die der jungen Leute sogar bei 70 Prozent. „Inzwischen ist es die Mittelschicht, die nach langjährigen Bemühungen im Kosovo keine Perspektiven mehr sieht. Sie kommen über Serbien, wo sie problemlos einreisen können“, sagt Birgit Naujoks, die Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW.
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Bereits im Januar hatte sich die Zahl der Kosovaren, die in Deutschland einen Asylantrag stellten, auf 3630 verdoppelt. Tatsächlich jedoch sollen es 18.000 sein, die seit Jahresanfang in den Flüchtlingsunterkünften ankamen. Vor ein paar Tagen dann sorgte ein interner Bericht der deutschen Botschaft in Pristina für Aufsehen. Durchgesickert war die darin enthaltene Warnung, monatlich verließen bis zu 30.000 Kosovaren das Land. Von einer „Asyl-Lawine“ war die Rede. Empfohlen wurde eine „Hauruckaktion des Bundes und der Länder“, eine Chartermaschine mit zurückkehrenden Kosovaren, damit sich im Land herumspreche, „dass sich illegale Einwanderung nach Deutschland nicht lohne“, zitierte die „Bild am Sonntag“.
Städte schlagen Alarm: "Wir sind an der Grenze unserer Kapazitäten"
Auch die Städte im Ruhrgebiet ächzen unter der Belastung. „Wir haben zur Zeit 1400 Flüchtlinge untergebracht. Wir sind an der Grenze unserer Kapazitäten angelangt“, sagt etwa Bochums Stadtsprecher Thomas Sprenger. Dennoch gebe es in der Stadt nach wie vor eine große Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen. Duisburgs Sozialdezernent Reinhold Spaniel rechnet vor, dass sich die Zahl der Unterkünfte zwangsläufig auf bis zu 17 verdoppeln muss. Spaniel zur aktuellen Lage: „Manche haben immer noch nicht begriffen, was derzeit in der Welt los ist“.
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Gestern, in der Dortmunder Erstaufnahmestelle. „Hoffnung“ ist die einzige Antwort, die die Menschen auf die Frage „Warum sind Sie gekommen?“ geben. So wie Bersota (25), die mit ihrer dreijährigen Tochter Eluisa geflüchtet ist. Als sie von den Strapazen erzählt, bricht die schmale Frau in Tränen aus. Dann sagt sie, dass ihr Gehalt als Verkäuferin nie gereicht habe, „einen Monat lang satt zu sein.“
Der Druck in den Städten ist sehr hoch
Der Druck in den Städten ist immens. Längst wird ein beschleunigtes Asylverfahren gefordert, und das Kosovo als sicheren Herkunftsstaat einzustufen. Doch nicht nur die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, auch der Flüchtlingsrat NRW lehnt dies ab: „Grundsätzlich hat jeder Anspruch auf ein transparentes, rechtsstaatliches Asylverfahren“, so Birgit Naujoks.
So sehr drängt das Problem, dass sich die Innenminister der Länder am Freitag per Telefonkonferenz beraten. Wie Essens Sozialdezernent Peter Renzel hoffen wohl viele seiner Kollegen, „dass da etwas rauskommt“. Vielleicht sei die Aufhebung der Visumsfreiheit für die Westbalkanländer eine Lösung, auf jeden Fall müsse sich die EU um den Kosovo kümmern. „Die Menschen müssen in ihrem Land gut versorgt sein, damit sie da bleiben!“